Karol
Wie eigentlich bei jedem Interview, sitze ich neben Ruggero auf einem Sofa. Im Moment sind wir noch alleine im Raum und müssen ein paar Minuten warten. Ruggero kommt meinem Gesicht gefährlich nahe. Zuerst weiche ich leicht zurück, stoppe die Bewegung aber. Seine Lippen streifen sanft meine. Jedoch zieht er sich in der nächsten Sekunde wieder zurück. Fragend ziehe ich meine Augenbrauen in die Höhe und blicke in sein grinsendes Gesicht.
Gerade, als er etwas erwidern will, geht die Tür auf. Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und lege mein Bein über das Andere. Ruggero wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Warnend sehe ich ihn an und widme meine Aufmerksamkeit schliesslich der Frau, die sich gegenüber von uns gesetzt hat. Wir haben sie vorher schon begrüsst, jedoch kann ich mich nicht mehr an ihren Namen erinnern.
Auch dieses Interview verläuft mit den ganz normalen Fragen, die uns jedes Mal gestellt werden. Inklusive die Frage, zu der wir verkünden, dass Ruggero und ich zusammen sind.
Alleine schon am Blick der Frau, merke ich, dass diese Frage als nächstes kommen wird. Sie hat einen leicht ängstlichen Ausdruck in den Augen, wie als würde sie sich nicht trauen uns das zu fragen.
»Wir haben natürlich auch einige Zuschauerfragen erhalten«, beginnt sie. Meine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln. Unglaublich, dass immer wieder so viele Fragen, ob wir zusammen sind. Möglicherweise haben es ein Paar schon längst herausgefunden. »Seid ihr zusammen?«, platzt sie schliesslich heraus. Ihre Augen springen zwischen Ruggero und mir hin und her, bis ich schliesslich den Mund aufmache, um ihre Frage zu beantworten.
»Nein«, höre ich. Doch es kam nicht von mir, sondern von Ruggero. Mein Kopf dreht sich ruckartig zu ihm. Erst als ich seinen entschuldigenden Blick wahrnehme, begreife ich, was er gerade gesagt hat. Ohne lange zu zögern, drehe ich mich wieder zu der Frau und bringe ein gefälschtes Lächeln auf meine Lippen.
Während sie die nächsten Fragen runterrattert, läuft mein Gehirn auf Hochtouren. Ich habe ihn doch gefragt, ob es für ihn okay sei, wenn wir die Beziehung öffentlich stellen. Er hat doch eingewilligt. Oder habe ich das falsch verstanden? Plötzlich kommt mir ein Verdacht. Was ist, wenn er gar nichts mit mir zu tun haben will und die Beziehung somit beendet hat? Das erklärt auch seinen entschuldigenden Blick und sein komisches Verhalten, als ich ihn heute darauf angesprochen habe.
Wie durch einen Schleier nehme ich wahr, als die Frau sich von uns verabschiedet und wir in das Zimmer gebracht werden, indem wir unsere Sache gelassen haben. Die Tür hinter mir geht zu. Ich weiss, dass Ruggero gerade hinter mir steht und sich durch die Haare fährt.
»Karol.« Ein tiefer Seufzer entweicht ihm. Ich drehe mich um und blicke direkt in seine Augen. »Hör zu. Ich weiss, ich habe gesagt, dass es mir egal ist, aber-«
Mit einer schnellen Handbewegung unterbreche ich ihn. »Ich weiss, was du sagen willst«, sage ich. Entspannt lässt er seine Schultern sinken. Augenblicklich spüre ich einen Stich in meiner linken Brust, den ich ignoriere.
»Gut, ich dachte, dass du es vielleicht nicht verstehen würdest.« Er sieht dabei so aus, als würde ihm eine riesen Last von den Schultern fallen. War ich so schwer zu ertragen? Wieso hat er sich dann überhaupt auf eine Beziehung eingelassen, wenn ich ihn sowieso nur runter ziehe? Meine Kehle schnürt sich zu und es fühlt sich so an, als würde jemand gerade eigenhändig mein Herz in mehrere Stücke reissen. Tränen brennen in meinen Augen, die ich tapfer herunter schlucke.
Besorgt tritt er einen Schritt vor und legt seine Hände auf meine Schultern. »Karol, was ist los?« Wie jedes Mal, breitet sich eine Gänsehaut über meinen Körper aus, wenn ich meinen Namen aus seinem Mund höre. Habe ich mir das Ganze zwischen uns nur eingebildet? War ich so blind vor Liebe, dass ich nicht einmal gemerkt habe, dass meine Liebe nicht erwidert wird?
Ich verbanne jegliche Emotionen aus meinem Gesicht und trete einen Schritt zurück. »Wieso?«, frage ich. Sein verwirrtes Gesicht sieht beinahe glaubwürdig aus.
»Was wieso?« Bevor er wieder einen Schritt auf mich zu machen kann, gehe ich noch einen zurück. Beinahe glaube ich den Schmerz von meiner Abweisung in seinen Augen sehen zu können. Er hat doch alles gesagt. Wieso muss er immer noch so tun, als würde er mich lieben?
»Wieso hast du mich die ganze Zeit belogen?«
Fassungslos schüttelt er den Kopf und runzelt dann die Stirn. »Ich glaube, wir reden komplett aneinander vorbei. Von was redest du?«
Durch meine zusammengekniffenen Augen, sehe ich eine leichte Unsicherheit in seinen Augen aufflackern. »Davon, dass du mich die ganze Zeit belogen hast« Ich hole kurz Luft, bevor ich weiter rede. »Wieso hast du mir nicht von Anfang an gesagt, dass du keine Beziehung mit mir willst? Ausserdem hättest du es mir auch von Gesicht zu Gesicht sagen können, statt so!« Aufgeregt wechsle ich von einem Bein auf das Andere. Ihm scheint ein Licht aufzugehen.
»Nein!« Mit weit aufgerissenen Augen sieht er mich an. »Du hast das alles falsch verstanden. Ich habe davon geredet, dass ich unsere Beziehung nicht öffentlich machen wollte.« Misstrauisch blickt er zu mir herab. »Wie kommst du darauf, dass ich keine Beziehung mit dir haben möchte?« Jetzt bin ich die, die ihn verwirrt anstarrt. Schnell fange ich mich und stelle ihm die Gegenfrage.
»Wieso wolltest du es denn nicht öffentlich machen?« Auf diese Frage scheint er keine Antwort zu haben, was mir meine Vermutung bestätigt.
Wieder spüre ich die Tränen aufkommen, mache mir dieses Mal jedoch keine Mühe sie zu verbergen. »Ich habe dich doch heute gefragt. Du hättest es mir einfach erklären können.« Meine Stimme bricht am Schluss. Er weigert sich mich anzusehen, weshalb er auf den Boden starrt. Ich starte meinen letzten Versuch. »Wieso wolltest du die Beziehung nicht öffentlich machen? Ich brauche nur eine einfache Erklärung.« Mein flehender Ton ist mir in diesem Moment nicht bewusst. Langsam richtet er seinen Kopf wieder auf, bis ich ihm in die Augen sehen kann. Sie haben an Glanz verloren. Ich erkenne keinerlei Emotionen in ihnen, was mir als Antwort genügt. Kaum merklich nicke ich, wie als müsse ich mir selber eingestehen, dass es einfach keinen Sinn hat. Noch einen letzten Blick werfe ich ihm zu, bevor ich mir meine Tasche über die Schulter werfe und aus dem Zimmer stürme.
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Ruggarol - Verlorene Erinnerungen
FanfictionKarol und Ruggero sehen einander als beste Freunde. Doch was passiert, wenn sich die Sichtweise der Beiden plötzlich verändert? Zwischen unzähligen Interviews und Terminen muss Karol noch einen Deal mit einem Regisseuren einhalten. Der merkwürdige F...