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Mein großer Bruder drückte mir einen Stapel gebündelte Scheine in die Hand und wuschelte mir durch meine langen dunkelbraunen Haare. Er zog mich in eine innige Umarmung und hätte mich nahezu zerquetscht, wenn nicht einer seiner Freunde aufgetaucht wäre. "Alter! Wir müssen weg von hier, die Bullen sind uns auf den Versen Hoseok." rief er und stieg eilig in einen der kunterbunten Wagen, die hier überall standen. Hoseok zog mich mit sich zu seinem Wagen, der noch vor wenigen Minuten als erster die Zielline überquert hatte. Sofort stieg ich ein und schnallte mich an, mein Bruder tat es mir gleich und raste in seinem getunten schwarzen Subaru Impreza eilig von den Massen der anderen Menschen weg, die nun nach und nach in ihre Wagen stiegen und sich aus dem Staub machten, bevor sie von den Bullen geschnappt wurden.

"Wir haben das Geld endlich vollständig Jiyeon." teilte mein Bruder mir mit, als er sich mit dem aufgepeppten Wagen unseres verstorbenen Vaters durch die Kurven schleuste und versuchte das Blaulicht hinter uns abzulenken. Ich nickte und sah aus dem Fenster. Das Nächtliche Seoul zog an uns vorbei und verschwomm in dem Meer der tausenden Lichter. "Die Kims werden büßen, für dass was sie uns angetan haben." murmelte ich und besah das Bild unserer Eltern, was als Anhänger vom Rückspiegel hing. Sie sahen so glücklich aus, doch sie würden es hier auf der Erde nie wieder sein.

Hoseok driftete um eine Ecke und hielt den Wagen, während die dämlichen Polizisten an der Gasse vorbei sausten, in die mein Bruder soeben gesteuert hatte. "Ich regele das Morgen mit der Anmeldung und in Nullkommanichts kommen wir an den Sohn der Bastards." versprach er mir und stieg aus. Siegessicher lächelte ich und verließ ebenfalls den Wagen, um Hoseok zu folgen, der allerdings erst noch das Auto zu schloss, bevor wir zu unserem, wenn man es so nennen konnte, Zuhause liefen.

Regen hatte plötzlich eingesetzt und durchnässte das kurze schwarze Kleid was ich an mit trug sofort, während wir durch die dunkle und abgelegene Straße liefen, über die soeben noch die Polizei Seouls gebrettert ist. Seit Jahren waren sie uns auf den Versen, aber nie schafften sie es mich oder meinen Bruder zu schnappen. Wir beide waren in nicht grade legale Dinge verwickelt. Während mein Bruder die großen Dinge wie Drogendeals oder Überfälle zusammen mit seiner Bande plante, war ich die, die kleine, aber dennoch wichtige Sachen regelte, wie die außer gefecht zu setzen, die drohten uns auffliegen zu lassen, wir beide hatten eine übervolle Strafakte, doch nie hatte uns einer der Bullen auch nur zu Gesicht bekommen. Wir trugen lediglich nur den Namen Chaos Geschwister in unserer Welt.

"Zieh die an." Mein Bruder reichte mir seine viel zu große Jacke und legte sie mir um die Schultern, damit ich nicht noch nässer wurde. Er selber setzte sich die Kapuze seines Pullovers auf und lief mir voran zu der rostigen Eisentür von der alten Lagerhalle in der wir mit den Leuten von Hoseok zusammen wohnten. Wonho zog die Tür auf und ließ uns ins trockene. Ich stürmte an ihm vorbei und ließ mich auf eines der halb zerfallenen Sofas in der Halle fallen. Hoseok stürmte ohne ein Wort in die Küchenecke und verscheuchte Jackson von seinem Platz am Laptop. "Ji du verschwindest in deinem Zimmer." wies mich Hoseok an. Jackson lachte. "Die kleine Jiyeon muss doch morgen sicherlich früh in die Schule." provozierte er mich.

Ich stand lachend auf und hielt ihm graziös und elegant meinen Mittelfinger hin. "Fick dich Wang." Er verzog das Gesicht belustigt. "Wenn dein Bruder nicht wäre, hatte ich dich vermutlich..." er bekam von Hoseok einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf. "Ich mach dich kalt, wenn du sie auch nur mit der Kneifzange anrührst." fauchte er und mahnte mich mit einem grimmigen Blick endlich zu verschwinden.

Da ich das einzige Mädchen in dieser Halle war, war ich auch die einzige die ein richtiges Zimmer besaß. Die anderen schliefen zusammengewürfelt auf den staubigen Sofas. Nicht selten brach da mal die ein oder andere Schlägerei aus, da die Sofas nicht wirklich groß waren.

Kapi lag wie gewohnt in ihrem pinken Korb, als ich meinen Raum betrat. Der kleine graue Fellknäul miaute, als sie mich sah und auf mich zu tappte. Ich nahm sie hoch und lief mit ihr auf mein Bett zu. Sie kauerte sich sofort auf meinem Bauch zusammen und schlief weiter, während ich ihr durch das weiche Fell fuhr.

Hoseok tauchte vor drei Jahren mit der Katze an meiner Zimmertür auf und setzte sie mir vor die Füße. "Weiblicher beistand." meinte er lachend und umarmte mich. Ich gab ihr aus was für Gründen auch immer den Namen Kapi, auch wenn er wohl keine Bedeutung zu haben schien, fand ich ihn schon immer ganz knuffig und passend zu dem kleinen Tier auf mir.

Irgendwann, als ich mehr oder weniger im schlaf versunken war, wurde mir Kapi vom Bauch genommen und ich richtig in mein Bett gelegt und zu gedeckt. "Gute Nacht Jiyeon." wünschte mir mein Bruder und strich mir sanft über den Kopf. "Es tut mir leid, dir nie ein richtiges Leben geben zu können, da wir hier unten am Rande der Gesellschaft stehen und ich es zumindest nicht mehr rausschaffen werde. Dir stehen alle Türen offen Schwesterchen, du bist noch jung und kannst deine Taten einfach abschütteln." sprach er leise.

Er war an dem Leben, was wir hatten nicht Schuld. Schuld waren die Mörder unserer Eltern, die sich unter den Nagel gerissen hatten, was einst unser war. Sie hatten die Firma, die unseren Eltern gehörte und an uns vermacht werden sollte an sich gerissen und führten sie nun als ihr eigenes weiter, als hätte es uns und unsere Eltern nie gegeben. Doch das sollte sich ändern. Sie hatten uns das genommen, was wir am meinsten liebten, unsere Eltern, also würden wir ihnen das nehmen, was sie am meisten liebten, ihr Kind.

be quietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt