63

139 12 0
                                    

"Ich muss nochmal in den Club. Ist das okay für dich, wenn du mitkommst?" fragte T mich als wir in der Dämmerung das Krankenhaus wieder verließen, da die Besucherzeit bereits um war. Ich zuckte mit den Schultern. "Das Starset müsste auf dem Weg liegen , stört mich nicht wirklich." gab ich zurück und schnallte mich an. "Und Taehyung?" harkte sie nach. "Ich hab ihn den ganzen Nachmittag alleine gelassen, da kommt es auf die paar Minuten auch nicht mehr an." brachte ich leichter über die Lippen, als ich innerlich die Worte zusammen gereihmt hatte.

Es waren nur wenige Stunden und dennoch hatte ich das Gefühl in meinem Herzen würde etwas fehlen und das war Taehyung. Irgendwie schon krank wie abhängig ich von ihm geworden war, doch auch fühlte es sich gut an nach etwas süchtig zu sein, was garaniert keine Drogen waren.

Tinashe startete den Wagen und sauste vom Parkplatz des Krankenhauses in den späten Feierabendverkehr hinein und fuhr in Richtung des Clubs in dem sie für Masamoto arbeitete. Wir beide schwiegen und ließen nur das Radio leise im laufen. Worüber hätten wir auch reden sollen? Über die Tatsache, dass mein Bruder mir über Jahre eine Krankheit versteckt hatte, an der er jede Sekunde sterben könnte?

"Er wollte nicht, dass du es herausfindest Ji." murmelte die neben mir, als hätte sie meine Gedanken gelesen. "Wieso nicht? Ich hab ein Recht darauf, es zu erfahren Tinashe." antwortete ich ihr auf Englisch und fuhr durch meine Haare. "Du hättest sofort alles stehen und liegen gelassen und wärst wieder nach Seoul gekommen. Hoseok wollte nicht, dass du es jemals herausbekommst. In deinen Augen wollte er immer als stark angesehen werden." Ich blieb kurz ruhig, bevor ich antwortete. "Was hättet ihr gemacht, wenn er gestorben wäre? Hättet ihr es mir alle einfach weiter verschwiegen? Hättet ihr mich in dem glauben gelassen ich wäre meinem Bruder nichts mehr Wert?" mit jedem Wort wurde ich lauter und aufgebrachter. "Deshalb wollten Wonho und ich dich hier haben. Du solltest endlich wissen, was mit deinem Bruder los ist auch wenn er es nicht wollte." begründete sie.

Ich schaltete auf stur, während sie weiter auf mich einredete. Sie hätten mir an dem Tag bescheid sagen sollen, an dem sie merkten, dass es Hoseok anfing schlechter zu gehen und nicht erst jetzt, wo wa nahezu schon fast zu spät war, auch wenn Hoseok sich eben wesentlich besser als noch am morgen gefühlt hatte. Vor dem Club hielt sie und fragte, ob ich mit reinkommen wollte. Ich nickte, da ich wusste in was für einem schäbigen Viertel das Starset lag, obwohl es eher luxuriöser gehalten war und nicht der unteren Gesellschaft, in der ich mich befand. Klar Hoseok hatte mich oft mit in den Club gezwungen, aber auch nur damit er Tinashe hinterher sabbern konnte.

Der dunkelblaue Saal, aus dem das Starset überwiegend bestand, war hell erleuchtet und überall wuselten noch Putzkräfte herum, die mit saugen oder wischen der Tische beschäftigt waren. T steuerte auf eine der Türen hinter der kleinen Bühne am Ende des Saales zu und wartete auf mich, während ich mich ziemlich überraschend umsah. Hier wirkte es wie in einem dieser Restaurants, die in amerikanischen Filmen immer gezeigt wurden, nur dass es definitiv kein feines, elegantes Restaurant war.

Hinter der Tür befand sich eine Art Backstagebereicht in dem viele der jungen Frauen herumeilten, die hier am späten Abend in ziemlich knappen Fetzen singen und tanzen mussten oder wollten, jenachdem ob sie freiwillig hier waren oder erkauft. Für die betreffenden letzeres war das leben hier definitiv kein Spaziergang werden, denn freiwillig würden sie sich hier sicherlich nicht entblößen.

Die jungen Frauen, darunter auch Minderjährige, einige sogar jünger als ich, waren überwiegend westlicher Abstammung, nur wenige hatten, die für ostasien typischen Augen. Sie musterten mich, als wäre ich ein Alien. "Sie ist nur Besucher." murmelte T und zog mich grob zu sich zu einer weiteren, schwarzen Tür, die ziemlich beängstigend aussah. Doch davon ließ sich die Freundin meines Bruders nicht abbringen und steuerte gradewegs auf sie zu. Mit Kraft stieß sie die Tür auf und sofort umrahmte mich eine pure Wolke aus Rauch. Ob in ihm nur Nikotin mit sich schwang ließ sich schnell feststellen. Ich verkniff mir ein Husten und zwägte mich hindurch, immer der zierlichen Gestalt vor mir nach.

"Tinashe. Ich hab die gesagt, dass du das Geld nächste Woche bar auf die Hand bekommst." eine seidig weiche und warnende Stimme ging durch den Rauch, der sich vor meinen Augen langsam klärrte. Ich sah einen Tisch, auf dem Karten lagen. An ihm saßen zwei Männer. Der eine hatte schwarze Haare die sich um sein Gesicht schmiegten, der andere hatte blonde gefärbte, die ihm wirr vom Kopf abstanden. Der schwarzhaarige legte den Kopf schief und sah durch das gedimmte Licht zu ihr. "Und ich habe gesagt, dass ich es sofort haben will. Ich brauche es, jeden einzelnen Won." erklang sie verzweifelt auf Englisch, wie er,  und sah den dunkelhaarigen flehend an. "Der Monat ist noch nicht um süße." Er schnalzte nur mit der Zunge und ließ seinen schiefen Blick über mich gehen.

Er erinnerte mich deutlich an diesen Han aus Fast and Furious, nur waren seine Züge ein wenig kantiger und sah nur wenig danach aus, als würde er irgendwelche kleinen Witzchen reißen oder kunterbunte Wagen fahren, die hätten aus Animes stammen können. Elegant erhob sich der Kerl und war sofort mindestens anderthalb Köpfe größer als ich, dennoch hielt ich meine selbstbewusste Fassade und beäugte ihn ebenfalls. Langsam trat er vor und lehnte sich schließlich lächelnd gegen den Tisch. "Und du bist?" harkte er nach und lächelte undeutbar. "Wüsste nicht was dich das angehen sollte." Ich zuckte genervt mit den Schultern und zog eine Augenbraue hoch. "Es hat mich sehr wohl was anzugehen, wenn du in meinem Club stehst und weder als Besucher noch Mitarbeiter hier erscheinst." aufeinmal klang er nicht mehr so ruhig wie eben noch, sondern nahe zu drohend, als mir klar wurde, wer vor mir stand.

Tsarayuki Masamoto sah mich verdammt abfälig an, dass ich mich in meiner Haut nicht mehr wirklich wohl fühlte. "Sie ist eine Bekannte von Hoseok." Mehr verriet Tinashe nicht, doch der vor uns muss gemerkt haben, dass sie log und lachte verächtlich auf. "Bekannte oder Verwandte? Ich bilde mir ein diese kleinen grimmigen Augen schon einmal gesehen zu haben und ich bin mir sicher, dass du Jiyeon bist." stellte er fest und schob sich vom Tisch weg zu mir. "Du bist deinem dämlichen Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten." Ich ballte die Hände zu Fäusten, hielt seinem Blick aber stand. "Woher...?" wollte Tinashe wissen doch Masamoto schnitt ihr das Wort ab. "Du solltest wissen, dass ich meine Leute überall habe, meine Liebe." meinte er lässig und verschränkte die muskulösen Arme.

So wie er hier vor mir stand, hätte ich ihn mir nie erwartet. Eher als alten fetten, pedophilen Mann, der den ganzen Tag nur seine Anhänger kommadierte und sich eine Zigarre nach der anderen in den Mund schob. Doch der vor mir war nicht älter als dreißig und wirkte auch nicht so, als würde er dauerrauchen. Der blonde am Tisch dagegen schon. Die eben aufgerauchte ersetzte er sofort gegen eine neue und zündete sie sich an.

"Wirklich bemerkenswert." Lachte der Mann am Tisch gelehnt und legte den Kopf schief "Sich auf eine der höchsten Eliteschulen im Land zu schmuggeln und das auch noch als Mädchen, dass ist eine Leistung, die wirklich Willenskraft verlangt." murmelte er in Gedanken versunken.

Ich versuchte mich ruhig zu verhalten, während ich förmlich spüren konnte, dass Tinashe kurz vor dem Ausflippen war. "Die Weiber hier regen sich schon auf, wenn sie auch nur mal eine Hose tragen müssen." lachte der auf dem Stuhl und bließ genüsslich den Rauch nach oben. "Liegt vielleicht auch daran, dass sie nicht mal den Arsch bedecken." knurrte die neben mir nicht wirklich begeistert. "Pass auf, wie du mit uns sprichst, sonst sind deine Privilegien schneller vergessen, als du auch nur den Namen deines Heimatlandes aussprechen kannst." drohte Masamoto und kniff die Augen zusammen. Tinashe schluckte und blickte zu Boden.

"Jetzt verpisst dich und nimm Hoseoks Schwester mit. Du weißt, wann du morgen Abend hier zu sein hast." herrschte der mit den dunklen Haaren und deutete mit dem Kinn auf die Tür, durch die wir gekommen waren. T zog mich mit sich, doch bevor wir den Raum verlassen konnten, wurde Hoseoks Freundin nocheinmal aufgehalten. "Und wehe du wagst es dir nicht zu erscheinen, schließlich brauchst du das Geld doch so dringend." säuselte Masamoto, bevor Tinashe die Tür laut hinter sich zu schmiss und wir zurück zum Auto stracksten.

be quietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt