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"Du hast ne halbe Stunde dann bist du hier draußen!" Ich erwarte schon gar kein guten Morgen von Wonho, aber dass er mir ne verdammte Knarre an den Kopf hielt war echt mehr als nur übertrieben, zumal ich noch nicht mal richtig wach war und nicht mal die Augen aufgemacht hatte. "Nimm den verdammten Lauf von meinem Kopf." knurrte ich und versteckte mich unter der Decke und bei Taehyung, dessen schnarchen zu hören war und mir in diesem Moment noch etwas trost gab. Wonho lachte auf. "Scherr dich aus dem Bett!" kommadierte er weiter und zog mir die Decke weg.
Jetzt schreckte ich hoch und riss die Augen auf. Ich hatte nichts an und saß hier wie auf dem Präsentierteller. Langsam und dämlich grinsend besah Wonho mich und ließ die Decke in seiner Hand fallen. Von Privatsphäre hatte er wohl noch nie gehört. "Achtundzwanzig Minuten Jiyeon." mahnte er gelassen und mussterte mich noch immer mit einem abartigen Funkeln in den Augen.

In mir staute sich die Wut und all der Hass gegen ihn an, doch zu weit könnte ich nicht gehen, er hatte die Waffe in seiner Hand nun auf Taehyung gerichtet und legte den Kopf schief. "Wonho verzieh dich, dass ist mein Zimmer." Knurrte ich und verengte die Augen. Er zuckte mit den Schultern. "Nun nicht mehr und jetzt zieh dich gefälligst an." wies er an und deutete mit dem Kinn auf meinen Schrank. "Ich bin sogar so großzügig und dreh mich extra weg." Bemerkte er hämisch und stellte sich mit den Rücken zu mir, die Pistole noch immer auf den schlafenden und in diesem Moment wehrlosen Taehyung gerichtet. Ohne dass ich es zugeben würde, war dies so ziemlich der einzige Grund, weshalb ich ihm folgte und mir eilig etwas anzog. Wonho hatte, anders als ich, schon Menschenleben auf dem Gewissen und würde sich garantiert nicht scheuen Taehyung genau vor meinen Augen zu erschießen.

Mit schweren Beinen stand ich angezogen im Zimmer und schlang die Arme um mich. Zu wissen Taehyung grade jetzt allein lassen zu müssen tat mehr weh, als jeder Schlag den ich jemals bekommen oder abgeblockt hatte. Es waren keine körperlichen Schmerzen, es waren seelische und meist saßen diese fester als ein Schlag in die Magengegend oder ins Gesicht. Wonho drehte sich zu mir und deutlich schien er die Macht zu genießen, die er ausübte. Er hatte uns alle an der Nase herum geführt. Tinashe, mich und vor allem aber meinen Bruder und die anderen drei. Allein das war ein schwerwiegender Grund endlich einen Mord zu begehen, keiner würde ihn vermissen, im Gegenteil Yongguk, Zelo und Changkyun würden mich dafür feiern und in den Himmel hoch heben.

"Du hast zwanzig Minuten mit ihm ist die Zeit vorbei komm ich ohne Vorwarnung rein und bring ihn um." machte Wonho mir mit beunruhigend kalter Stimme klar und verließ mit langen Schritten schließlich mein Zimmer. Ich raufte meine Haare und stand für einen Moment wie angewurzelt da, bevor meine erste Handlung darin bestand mich mit sämtlichen Waffen in meinem Zimmer auszustatten. Ich griff eine der Pistolen und versteckte sie an meiner Hose unter meinem Pullover, so wie ein Messer. In meine Hosentasche ließ ich einen, in einer Taschenuhr versteckten, Draht fallen, bevor ich Taehyung in Augenschein nahm.
Er schlief so friedlich wie ein Baby. Er hatte ein schwaches und unbekümmertes Lächeln im Gesicht, was mich innerlich anstrengte meine Tränen zurück zu halten. Zu gerne wäre ich neben ihm aufgewacht, in Frieden und nicht durch zwang und einem Knarrenlauf an meinem Kopf. Zu gerne hätte ich sein morgendliches Murmeln in meinen Ohren gehört sowie seine tiefe etwas wachere Tonlage, die mir immer wieder Schauder über den Rücken jagte, während er einfach nur sprach.

Taehyung drehte sich, die wunderschönen Augen noch immer geschlossen und auf den Lippen das sanfte, zufriedene lächeln, mit dem er in der Nacht eingeschlafen war. Er sah aus, als könnte ihm nichts in der Welt etwas antun, als wäre er ein Engel, so wie ihm die Haare im Gesicht lagen. Ich setzte mich auf die Bettkante bei ihm und strich ihm mit einer Hand die Strähnen aus der Stirn. Wie immer reagierte er und wollte mich im Schlaf zu sich ziehen, doch mit schwerem Herzen wich ich ihm aus. Es tat mir weh zu sehen, wie er ins nichts griff und einen murrenden Laut von sich gab. Plötzlich öffneten sich seine Augen ein Stück und er sah mich genau an. "Schon wach?" grummelte er und mich überkam ein Schauder. Gemischt aus Trauer und Erleichterung. Er hatte nicht mitbekommen, dass Wonho im Zimmer war.

be quietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt