Kapitel 4

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Was zuletzt geschah:

Nach einem gewaltigen Sprung über seinen Schatten, folgt Jonas Kolb in dessen Wohnung, um dort die Nacht mit ihm zu verbringen, muss aber bald einsehen, dass er mit dieser Aktion mehr abgebissen hat als er kauen kann. Kurz bevor er erstickt, bricht Kolb ab. Enttäuscht und gedemütigt flüchtet Jonas in die Nacht.

Kapitel 4

Die Mittagssonne stand hoch am Himmel, aber ein kalter Novemberwind fegte durch die Straßen und riss die letzten bunten Blätter von den Ästen.

Ungeduldig zog Jonas den Reißverschluss seines Anoraks höher, die Finger der Hand mit der er sein Handy hielt waren inzwischen steif und gerötet. „Und jetzt hat der Arsch auch noch meine Lederjacke!"

„Ich weiß, Jonas", entgegnete die geduldige Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. „Das hast du mir jetzt schon dreimal erzählt. Mindestens. Genaugenommen jedes Mal, wenn wir miteinander telefoniert haben und das haben wir ziemlich oft getan."

Jonas öffnete den Mund zu einer Erwiderung, schloss ihn aber rasch wieder. Wenn er es geschafft hatte, selbst Maria mit seiner Litanei über den schiefgelaufenen One-Night-Stand mit Kolb zu nerven, musste er das Thema tatsächlich arg breitgetreten haben. Während er an einer roten Ampel wartete, schielte er auf das Display seines Handys, um zu sehen, wie lange sie schon miteinander telefonierten. Die Antwort lautete: Lange. „Sorry. Ich hör jetzt damit auf." Die Ampel sprang auf Grün und er überquerte die Straße. „Wie läuft's denn bei dir?"

„Abgesehen davon, dass ich mich wie der dümmste Mensch der Welt fühle, die Leute im Wohnheim Dauerpartys schmeißen und meine Eltern keine Stunde brauchen, um hierher zu fahren und mich zu kontrollieren? Alles super!"

„Ich versteh' echt nich', warum du nich' mit mir nach Berlin gekommen bist. Mathe kannst du doch auch hier studieren."

„Jo", bestätigte Maria. „In der Zeit, die ich nicht damit beschäftigt bin, mich mit meinen Eltern um den Unterhalt zu streiten."

„Aber den müssten sie dir doch so oder so zahlen", widersprach Jonas, als hätten sie dieses Thema nicht schon hunderte Male durchgekaut. „Völlig egal, ob du jetzt in Berlin oder in München wohnst."

„Müssten sie. Aber davor würden sie mir so viele Steine wie nur möglich in den Weg legen. Sorry Jonas, ich vermiss dich auch total, aber das ist Stress, den ich mir nicht noch zusätzlich antun will. Außerdem ..." Maria seufzte. „Sie sind immer noch meine Eltern."

„Das weiß ich", gab Jonas leise nach. „Du fehlst mir einfach."

„Du mir auch. Sorry, dass ich nicht bei dir sein kann."

„Schon gut. Ist ja nicht deine Schuld."

Maria schnaubte. „Na schön. Du hast dir offiziell die Erlaubnis erarbeitet, mich weiter mit diesem Typen zu nerven, über den du offensichtlich immer noch nicht hinweg bist."

„Bitte? Scheiße, ich bin sowas von über den Typen weg! Ich muss noch nich' mal über ihn wegkommen, weil ich gar nich' erst an ihm interessiert war!"

„Klar." Jonas konnte Marias Augenrollen hören.

„Fuck. Okay, ich war an ihm interessiert. Er sieht geil aus. Aber das is' vorbei, weil der Kerl 'n übles Arschloch is', das ich im ganzen Leben nich' mehr wiedersehen will."

„Hält dich nicht davon ab, über ihn zu reden."

„Das is' ja das Problem!", rief Jonas aufgebracht. „Ich kann mich nich' von ihm ablenken! Es reicht ja nich', dass er grad mal zehn Minuten von meiner Wohnung entfernt arbeitet und das ausgerechnet im verfickten Lieblingsclub der anderen, sondern der wohnt auch noch scheißnah an der Uni. Ständig denk ich, ich steh in seiner Straße! Jetzt schon wieder! Hier sieht alles gleich aus, ich find das verfickte Restaurant nich', in das die anderen gehen wollten und ich könnt schwören, ich steh direkt vor seiner Tür." Jonas stoppte und sah sich um. „Fuck! Fuck, fuck, fuck!"

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt