Kapitel 12

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Was zuletzt geschah:

Wichtige Gespräche finden immer in der Küche statt. Dieser Regel folgend, nutzt Jonas eine nächtliche Begegnung mit seiner Schwester für sein Comingout und erntet entgegen seiner Befürchtung keine Ablehnung, sondern eine rippenbrechende Umarmung.
Damit hat er eine Sorge weniger, doch ein paar andere bleiben. Ist seine Beziehung zu Erik wirklich rein sexuell? Und was zur Hölle ist eigentlich mit Maria los?

Kapitel 12

„Und du trinkst keinen Schluck Alkohol!"

„Natürlich nicht, Mama", versprach Jonas etwa zum fünfzigsten Mal.

„Und du hast deine Schwester im Blick!"

„Ja, Papa." Das hatte er sicher schon sechzig Mal versprochen.

„Und du rufst an, wenn etwas sein sollte."

„Aber ja."

„Denk daran, dass Christine minderjährig ist."

„Christine steht übrigens neben euch und hört jedes Wort", maulte diese ihre Eltern an. „Ich werde mich nicht abfüllen, schwängern oder entführen lassen. Jonas wird in der Rolle des verantwortungsvollen Fahrers und großen Bruders völlig aufgehen. Können wir jetzt, da sich alle über die Bedingungen im Klaren sind, endlich los?"

„Fahrt vorsichtig." Jonas' Mutter zog ihre beiden Kinder in eine rippenzermalmende Umarmung.

„Aber ja", versicherte Jonas. „Is' doch bloß München. Die Fahrt dauert nich' mal 'ne Stunde."

„Denk immer daran, dass alle anderen Volltrottel sind und fahr entsprechend", mahnte sein Vater.

„Daran musst du mich wirklich nich' erinnern."

„Okay, ich erkläre das hier jetzt offiziell für beendet!" Christine ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und schloss die Tür mit einem lauten Knall.

„Wir sehen uns morgen." Jonas beeilte sich, seiner Schwester zu folgen, bevor seine Eltern ihre Belehrungen fortsetzen konnten. Es war wundervoll, wieder hinter dem Steuer seines geliebten, kleinen Autos zu sitzen, das er bei seinem Umzug nach Berlin schweren Herzens Christine vermacht hatte.

„Schade, dass du zu jung bist, um meinen Begleiter zu spielen", sagte diese. „Sonst könnte ich jetzt fahren."

„Und mir den ganzen Spaß verderben?" Jonas tippte gegen seine Schläfe. „Vergiss es!"

„Dann hoffe ich mal, dass du das Fahren mit der alten Rostlaube noch nicht verlernt hast. Ist ja doch schon eine Weile her, seit du das letzte Mal damit unterwegs warst."

„Jetzt fang du nich' auch noch an!" Auch diesen Vortrag hatte Jonas bereits von seinen Eltern zu hören bekommen. Zu seiner Erleichterung, erinnerte sich sein Körper genau an die kleinen Macken und Bedürfnisse des Wagens und bald brausten sie entspannt über die Landstraße.

„Was treiben du und Maria heute?", fragte Christine, nachdem eine ganze Weile nur das Radio zu hören gewesen war.

„Keine Ahnung. Ich treff' mich erst mal mit ihr im Wohnheim und dann sehen wir mal weiter."

„Langweilig!"

„Will ich fragen, was du und dein ... ähm ... Freund? ... so plant?"

„Mein Freund. Sprich es ruhig aus." Glücklicherweise schien Christine über Jonas' Zögern eher amüsiert als verstimmt. „Und ich bezweifle, dass du die Antwort darauf hören willst."

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt