Kapitel 28

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Was zuletzt geschah:
Jonas harrt weiterhin in seinem Elternhaus in Bayern aus, ohne sich dort wirklich zuhause zu fühlen. Genervt von seiner Passivität beschließt er, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und verabredet sich mit seiner Jugendliebe Clemens zum Skifahren, um eine fast vergessene Freundschaft neu aufleben zu lassen. Der Tag verläuft nicht völlig schmerzfrei, aber glücklicherweise ohne Knochenbrüche. Gut gelaunt lässt sich Jonas überzeugen, den Abend zusammen mit Clemens bei ein paar Bier ausklingen zu lassen. Dabei wagt er sich an eine Herausforderung, gegen die sich eine Schwarze Piste wie der Kinderhügel anfühlt – er erzählt Clemens von Erik und wird für seinen Mut mit Akzeptanz und Freundschaft belohnt.

Kapitel 28
Schnuppernd hielt Jonas die Nase ins Esszimmer, dicht gefolgt von Christine und Maria.

Der berühmte Schweinebraten in Dunkelbiersoße seines Vaters duftete himmlisch, grüne Bohnen und mit geröstetem Weißbrot gefüllte Kartoffelknödel rundeten das Bild ab. Der wenige freie Platz, den der Küchentisch noch bot, wurde von gegrilltem Wurzelgemüse, Blaukrautsalat und Semmelknödelauflauf besetzt. Gedämpftes Licht, das sich in den Gläsern brach, sorgte für einige urige Atmosphäre, mit der Jonas' Meinung nach kein noch so schickes Berliner Lokal mithalten konnte.

„Fuck, wer soll'n das alles essen?", fragte er.

„Challenge accepted!", rief seine Schwester grinsend und ließ sich auf ihren Stuhl fallen.

„Du fängst erst an, wenn alle an ihrem Platz sitzen!", schimpfte ihre Mutter aus der Küche.

„Jawohl, Mutter!", brüllte Christine – deutlich lauter als nötig – zurück.

„Und Jonas, nochmal so ein Wort und du brauchst dir keine Gedanken mehr machen, wer das alles isst. Du bist es dann nämlich sicher nicht!"

„'Tschuldige, Mama", murrte Jonas über das Kichern seiner beiden Begleiterinnen hinweg. Er nutzte die Gelegenheit, um einen Blick auf sein Handy zu werfen und konnte nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken. Erik hatte ihm das Foto einer Tiefkühlpizza geschickt, auf deren Karton ein mit einem traurigen Smiley bekritzeltes Post-It klebte. Zur Antwort schoss Jonas ein Foto des aufwändig gedeckten Esstischs.

„Hast du kleiner Hipster gerade wirklich dein Essen fotografiert?", fragte Christine entsetzt.

„Jonas, leg dein Handy weg!", forderte sein Vater, während er die Getränke von der Küche ins Esszimmer trug. „Wir wollen essen."

„Mit wem schreibst du überhaupt die ganze Zeit?", fragte seine Mutter.

„Einem, ähm, Freund."

„Der, von dem du mir schon erzählst hast?", bohrte sie weiter. „Der bei dir ums Eck arbeitet?"

„Jaah. Genau der." Jonas konnte Marias und Christines Blicke auf sich spüren. „Und ich hab ihm nur gezeigt, wie toll ich hier bekocht werd."

„Was soll der Aufwand eigentlich?", fragte Christine. „Man sollte meinen, ihr wüsstet euren einen freien Tag in der Woche besser zu schätzen."

„Wir müssen es doch ausnutzen, wenn mal wieder die ganze Familie versammelt ist", erklärte ihr Vater lächelnd und zwinkerte Maria zu. Ein kalter Schauer jagte über Jonas' Rücken und dem Gesichtsausdruck seiner Schwester nach zu urteilen, war er nicht er einzige, der einen größeren Plan hinter diesem Essen witterte.

„Ihr werdet verkuppelt", wisperte sie hinter vorgehaltener Hand.

„Bitte nicht", seufzte Maria und Jonas schloss sich ihrem Flehen still an.

„Worüber redet ihr?", fragte Vroni; entrüstet, dass sie wie so oft von ihren älteren Geschwistern ausgeschlossen wurde.

„Darüber, wie lecker das Essen ist", sagte Jonas schnell. Das stimmte zwar, aber allzu oft konnte er diese Ausrede am heutigen Abend nicht mehr verwenden. Irgendwann würden sogar seine Eltern misstrauisch werden.

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt