Kapitel 49

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Was zuletzt geschah:
Marco und Drago laden zur Hochzeit und auch, wenn das rauschende Fest aus finanziellen Gründen eine Nummer kleiner ausfällt, als sie (okay, Marco) sich vielleicht gewünscht hätten, sind ihre Freunde festentschlossen, den Frischvermählten einen traumhaften Abend zu bescheren. Auch Jonas und Erik sind mit von der Partie, doch obwohl sie von allen Seiten von Ausgelassenheit und Liebe umgeben sind, bröckelt ihre harmonische Zweisamkeit sichtlich.

Kapitel 49
Im Haus herrschte Grabesstille, selbst die Musik verkam zum Hintergrundrauschen. Wie am Boden festgenagelt starrte Marco zu der jungen Frau, die halb verdeckt von Dragos hochgewachsenem Körper im Türrahmen verharrte. „Francesca, was machst du hier?"

„Ich habe sie gebeten, zu kommen." Giulia war neben ihren Bruder getreten, die Arme in die Hüften gestemmt, als erwartete sie eine Diskussion, die sie zu gewinnen plante. „Ich wollte dir vorab nichts davon erzählen, weil ich mir nicht sicher war, ob sie auftaucht."

Die Sekunden zogen sich. Drago blickte zwischen Francesca und Marco hin und her, ohne Anstalten zu machen, sie ins Haus zu bitten. Bevor jemand eine Entscheidung treffen konnte, ergriff Francesca das Wort. „Sorry, dass ich unangemeldet reinplatze. Und auch noch zu spät." Sie versuchte sich an einem Lächeln, blinzelte jedoch auffallend oft. „Etwa zehn Jahre ..."

„Francesca ..." Marco schob seinen Mann aus dem Weg und schlang die Arme um die junge Frau. In seinem Eifer hob er sie beinahe von den Füßen, erntete aber keinen Protest dafür, sondern ein ersticktes Lachen.

Unauffällig stellte sich Jonas neben Erik, wisperte: „Wer is' das?"

„Marcos kleine Schwester", antwortete Erik ebenso leise. „Die beiden hatten noch eine Weile Kontakt, nachdem er schon zuhause rausgeflogen war, aber der Einfluss ihrer Eltern wohl doch zu groß. Soweit ich weiß, haben sie seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen."

Inzwischen hatte sich die gesamte Hochzeitsgesellschaft um die Geschwister versammelt und versuchte, dem Drama auffallend unauffällig beizuwohnen. Irgendwann ließ Marco von seiner Schwester ab, behielt jedoch eine Hand auf ihrer Schulter, als hätte er Angst, sie könnte so unvermittelt wieder aus seinem Leben verschwinden, wie sie gekommen war. Die andere legte er auf Dragos Unterarm. „Francesca, das ist Drago. Mein Mann."

„Äh, ciao." Francesca schüttelte Dragos Hand, allerdings recht zurückhaltend. Vielleicht, weil sie trotz allem Berührungsängste hatte, vielleicht aber auch, weil Drago noch immer aussah, als könne er sich nicht entscheiden, ob ihr spontaner Besuch ihn ausreichend rührte, um ihr zu vergeben, wie sehr sie seinen Mann verletzt hatte, oder er sie doch lieber vor die Tür setzen sollte. Nach einem ziemlich eindeutigen Seitenstoß von Marco, rang er sich ein Lächeln ab. „Schön, dass du hier bist."

„Oh, und das hier sind Manni und Hugo." Marco manövrierte Francesca um Drago herum und deutete auf die beiden Männer, die ihr aufmunternd zulächelten. „Sie haben mich nach meinem Rausschmiss bei sich aufgenommen, bis ich mir eine eigene Wohnung leisten konnte."

Das war auch für Jonas neu. Er hatte gewusst, dass der von Manni geleitete Jugendtreff eine wichtige Anlaufstelle für Marco gewesen war, aber nicht, wie nahe sie sich tatsächlich standen. Kein Wunder, dass Marco ihn als Trauzeugen ausgewählt hatte.

„Es tut mir so leid, was damals passiert ist!", platzte es aus Francesca heraus. „Und, dass ich ni–"

„Mach dich nicht lächerlich!", fuhr Marco dazwischen. „Du warst zwölf. Ein Baby! Ich habe dir nie einen Vorwurf gemacht. Und jetzt komm." Resolut zog er Francesca hinter sich her. „Wir versorgen dich erstmal mit was zu Trinken und dann stelle ich dir alle anderen vor."

Ein dumpfer Aufschlag, gefolgt vom ohrenbetäubenden Brüllen eines Kinds lenkte die Aufmerksamkeit auf einen anderen Teil von Marcos Familie. Seine jüngste Nichte, Arianna, war beim Spielen von der Treppe gestürzt und hatte sich das linke Knie aufgeschlagen. Weinend saß sie auf der untersten Stufe, ihre besorgten Eltern neben sich. Winzige Bluttropfen rannen ihr Schienbein herab.

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt