Kapitel 16

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Was zuletzt geschah:
Ein eigentlich netter Abend mit Erik und zwei Freunden lässt Jonas verunsichert darüber zurück, wo er und Erik nun eigentlich stehen. Zweifel, Alkohol und der Wunsch nach Ablenkung ergeben eine gefährliche Mischung und plötzlich findet sich Jonas im Bett mit einem Fremden wieder. Sein rebellierender Magen beendet die Sache vorzeitig, aber noch schafft es Jonas nicht, ihm dafür wirklich dankbar zu sein.

Kapitel 16
Beißende Kälte war das Erste, das Jonas nach dem Aufwachen wahrnahm. Das Zweite war sein flauer Magen. Nicht schlimm genug, um sich noch einmal zu übergeben, aber definitiv ausreichend, um ihm jeden Appetit zu verderben. Kein großer Verlust. Jonas war sich ohnehin nicht sicher, ob ihn seine steifen Gliedmaßen sicher bis zur Küche tragen würden. Er hoffte nur, wenigstens seinen Badschrank erreichen zu können. Eine Kopfschmerztablette war jetzt lebensnotwendig.

Erst, nachdem Jonas die Tablette geschluckt und die Bestandsaufnahme seines physischen Zustands beendet hatte, holten ihn die Erinnerungen der vergangenen Nacht ein. Stöhnend sank er zurück auf den Boden. Das war wahrlich nicht sein erster Kater und mehr als einmal hatte er im Suff etwas angestellt, worauf er nüchtern gut hätte verzichten können, aber das war ein neuer Tiefpunkt.

Die Füße an die Brust gezogen, den schmerzenden Kopf in den Händen, suhlte er sich in Selbstmitleid, bis er entschied, diese Tätigkeit seiner Gesundheit zuliebe in seinem warmen Bett fortzusetzen. Auf dem Weg dorthin hob er sein Handy auf, das im Laufe der Nacht aus seiner Hosentasche gerutscht sein musste. Er war beinahe überrascht, das Display heil vorzufinden. Angesichts seines bisherigen Tagesverlaufs hatte er etwas Anderes erwartet.

Abgesehen von Larissa, die sich erkundigte, ob er noch eine gute Nacht gehabt hatte – der Zwinkersmiley dahinter sprach dafür, dass seine nächtliche Eskapade nicht völlig unbemerkt geblieben war – warteten keine Nachrichten auf ihn. Erik hatte sich schlicht nicht mehr gemeldet.

Jonas biss sich auf die Lippe. Er schämte sich, wollte seine Sorgen mit jemandem teilen, sich Rat und Beistand holen oder einfach ordentlich ausheulen, bis er bereit war, den Dreck von seinen Klamotten zu klopfen und erhobenen Hauptes weiterzumachen. Aber an wen konnte er sich schon wenden?

Larissa? Sie kamen gut miteinander aus, aber Jonas hatte nicht das Gefühl, sich ihr schon weit genug öffnen zu können, um ihr von Erik zu erzählen. Davon abgesehen, war sie mit Dominik befreundet. Es war schlimm genug gewesen, die Enttäuschung in ihrem Gesicht zu sehen, als er ihr erzählt hatte, dass das zwischen ihnen nichts werden würde. Jetzt noch zu gestehen, die ganze Zeit mehr oder minder zweigleisig gefahren zu sein, schien ihm mehr als unklug.

Maria wollte er nicht mit seinen Problemen belasten, sie hatte genug mit ihren eigenen zu tun. Bei jedem ihrer Telefonate, hörte er die erzwungene Heiterkeit in ihrer Stimme, fühlte er ihren ständigen Kampf, sich nicht aufzugeben. Sie brauchte wirklich niemanden, der über sein verkorkstes Liebesleben jammerte.

Und seine Schwester Christine? War es nicht schlimm genug, täglich mit ihren Eltern konfrontiert zu sein, ohne ein Wort über Jonas' Comingout verlieren zu dürfen? Musste er ihr wirklich ein weiteres Geheimnis aufbürden?

Einen Augenblick lang dachte Jonas an Clemens. Wie einfach es doch wäre, ihn anzurufen und sein Leid zu klagen, wenn ... tja, wenn Erik ein Mädchen wäre.

Wütend auf sich und die ganze Welt, warf sich Jonas Kopf voraus in seine Kissen. Ein vager Geruch nach Alkohol und fremdem Deo stieg in seine Nase, doch bevor er auch nur darüber nachdenken konnte, das Bett neu zu beziehen, war er bereits eingeschlafen.

Als Jonas die Augen das nächste Mal aufschlug, beherrschten lange Schatten sein Zimmer; Kopfschmerz und Übelkeit waren zu einem Gefühl diffusen Unwohlseins zusammengeschmolzen. Stöhnend tastete er nach seinem Handy. Ein Blick auf die Uhrzeit ließ ihn hochfahren. „Fuck!"

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt