Kapitel 36

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Was zuletzt geschah:
Eriks und Jonas' Beziehung wächst und gedeiht, aber wie bei jedem zarten Pflänzchen besteht ihr Leben nicht nur aus Sonnenschein. Manchmal stürmt und regnet es. Jonas lässt sich davon aber nicht – okay kaum – verunsichern und schafft es, einen gemeinsamen Tag zu einem wesentlich besseren Ende zu bringen, als der Anfang versprochen hatte.

Kapitel 36
Panisch schreckte Jonas hoch. „Ich hab meine Zahnbürste vergessen!"

„Kaufen wir, wenn wir in Stuttgart angekommen sind."

Eriks ruhige Stimme und das rhythmische Tuckern des Zugs lullten Jonas ein und verlockten ihn, den Kopf an die Schulter seines Freunds zu lehnen. Nur die Anwesenheit der anderen Fahrgäste hielt ihn davon ab. Und eine jähe Erkenntnis. „Scheiße, mein Ladekabel liegt auch noch daheim!"

„Du kannst meins mitbenutzen."

„Sorry, ich bin echt 'n Chaot."

„Du bist süß", flüsterte Erik unhörbar für ihre nächsten Sitznachbarn.

„Wie lang hab ich überhaupt gepennt?"

Erik warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Nicht lange. Vielleicht eine Stunde. Du hast also noch gute vier vor dir."

„Bist du nich' müde? Du warst doch arbeiten."

„Mhm. So langsam merk ich das auch."

Erik war natürlich nicht pünktlich aus dem Tix gekommen und selbstverständlich hatte sich dann auch noch die Suche nach einem Taxi beeindruckend schwierig gestaltet, insbesondere, wenn man bedachte, dass der nächtliche Berliner Straßenverkehr üblicherweise aus nichts anderem zu bestehen schien. Bis sie endlich erschöpft in ihre Sitze hatten sinken können, war einiges an Rennerei, Gefluche und Koffergezerre vorangegangen. Jonas konnte nur hoffen, der restliche Kurzurlaub würde nicht dem Bespiel dieses hektischen Anfangs folgen.

Nach seinem kurzen Nickerchen fühlte er sich deutlich fitter – im Gegensatz zu Erik hatte er sich allerdings schon vor ihrem Aufbruch eine Mütze Schlaf gegönnt – und war bereit, in den Tag zu starten. Neugierig spähte er aus dem Fenster. Sonnenstrahlen krochen über das flache Land, spielten die Vorboten eines heißen Sommertags. „Was is' denn jetzt eigentlich unser Plan für die nächsten Tage?"

„Jetzt sehen wir erst mal zu, dass wir heil in Stuttgart ankommen", antwortete Erik. „Zum Glück müssen wir nicht umsteigen, also sollten wir, wenn es keine Verspätung gibt gegen Mittag im Hotel einchecken können. Dann haben wir den restlichen Freitag für uns, morgen holt uns Marco irgendwann am frühen Nachmittag ab, am Sonntag ist das Abendessen mit meiner Tante und der restlichen Familie geplant und am Montag geht es so pünktlich zurück, dass du noch rechtzeitig in dein Seminar kommst und ich in meine Vorlesung." Erik hatte die einzelnen Tage an seinen Fingern abgezählt und Jonas seufzte bei dem vollen Programm.

„Ich glaub, danach brauch ich erstmal Urlaub."

„Ich auch." Tatsächlich hatte Erik alles andere als glücklich gewirkt, als er nach einem kurzen Telefonat von den Essensplänen seiner Tante berichtet hatte und auch jetzt sah er aus, als würde er sich gerne vor diesem speziellen Termin drücken. Jonas musste allerdings zugeben, dass er mehr als gespannt war, Eriks Familie kennenzulernen.

Dieser gähnte herzhaft und schloss die Augen. „Ich werde mal versuchen, ein wenig zu schlafen."

Jonas entschied, die Fahrtzeit mit einem Buch zu überbrücken, bedauerte aber noch einmal, nicht den Mut aufzubringen, sich dabei an Erik zu kuscheln.

Eine frische Brise bauschte die babyblauen Vorhänge, fegte über das mit geblümter Wäsche bezogene Doppelbett hinweg und zerzauste Jonas' Haar. An der Wand gegenüber hing ein Flachbildfernseher, eine schlichte Tür neben dem Eingang führte in ein weißgefliestes Badezimmer mit Toilette und Duschkabine.

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt