Kapitel 47

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Was zuletzt geschah:
Das erste Kennenlernen zwischen Erik und Jonas' Eltern verläuft denkbar schlecht. Während Jonas daran scheitert, Mut und die richtigen Worte zu finden, treibt die Enttäuschung über die fortgesetzte Heimlichtuerei Erik aus der Wohnung. Am Ende verabschieden sich Jonas' Eltern so ahnungslos wie zuvor und lassen ihren Sohn mit der Erkenntnis zurück, dass er unmöglich so weitermachen kann.

Kapitel 47
„Bloß noch eine Folge!"

„Nein." Hastig brachte Erik die Fernbedienung außerhalb der Reichweite von Jonas' gierigen Fingern.

Dieser weigerte sich allerdings, so schnell kleinbeizugeben. „Eine einzige!"

„Morgen wieder."

„Aber du hast versprochen, dass wir Downton Abby zusammen bingen!"

„Was wir auch tun werden. Nur nicht jetzt. Wenn du willst, dass deine Eltern etwas zu Essen haben, wenn sie ankommen, sollten wir jetzt anfangen zu kochen."

„Quatsch, wir haben noch mehr als genug–" Jonas blinzelte, als Erik ihm seine Armbanduhr unter die Nase hielt. Dann sprang er von der Couch. „FUCK! So spät schon?"

„Mhm."

„Die sin' in 'ner Stunde da!"

„Mhm."

„Fuck, fuck, fuck, fuck, fuck!" Fluchend stürmte Jonas in die Küche und durchwühlte sämtliche Schränke nach den passenden Zutaten. „Fuck!" Er wirbelte zu Erik herum. „Jetzt hilf mir doch mal!"

Ohne weitere Diskussionen nahm Erik Zwiebeln und Knoblauch entgegen, um sie in kleine Würfel zu verwandeln, während Jonas Mehl, Eier und Milch für zu einem Pfannkuchenteig zusammenrührte, der unter seinen nervösen Fingern immer wieder über den Schüsselrand schwappte. Diese Nervosität speiste sich aus derselben Quelle wie sein Gequengel nach noch einer Folge Downton Abby und die kaum gezügelte Reizbarkeit: Nackte Panik bei der Aussicht, in weniger als einer Stunde erneut seinen Eltern gegenüberzustehen.

Die vergangene Woche hatte sich wie Kaugummi gezogen und war dennoch viel zu schnell vergangen. Wieder und wieder waren Jonas' Gedanken zu dem anstehenden Gespräch gewandert, hatten Kreise darum gezogen, bis er nicht mehr Schlafen, Essen oder Lachen konnte. Er versuchte sich einzureden, dass er sich unmöglich noch schlechter fühlen konnte, völlig egal, wie dieser Tag endete, aber auch das brachte keine Erleichterung. „Ich hab ihnen 'nen Brief geschrieben."

Erik sah von seiner Arbeit auf. „Einen Brief?"

Heißes Fett schlug Blasen um den Teigklecks, den Jonas probeweise in die Pfanne gegeben hatte. Rasch fügte er mehr hinzu, verteilte eine dünne Schicht über den Pfannenboden. „Hab alles reingeschrieben, was ich bisher nich' sagen konnte. Als Übung für mich. Und ... Und als Absicherung. Falls ich's heute nich' schaff, ihnen die Wahrheit zu sagen, dann ... dann geb ich ihnen den Brief mit. Aber ich brauch vielleicht 'nen Stups in die richtige Richtung."

Knoblauch und Zwiebeln verströmten ihren würzigen Duft in einem weiteren Topf. Erik machte sich daran, Spinat zu verlesen. „Wo ist der Brief?"

„In meiner rechten Hosentasche." Jonas konzentrierte sich etwas zu sehr auf die Tomaten, die unter seiner Messerklinge zerfielen, doch Erik sorgte gewohnt zuverlässig dafür, dass der unbeachtete Pfannkuchen nicht anbrannte.

„Notfalls greife ich dir also einfach vor den Augen deiner Eltern in die Hose?"

„Japp und wenn sie bis dahin noch nich' begriffen haben, dass wir nich' nur Mitbewohner sind, kann ich ihnen auch nich' mehr helfen. Oder doch, weil dann haben sie ja immer noch den Brief."

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt