Kapitel 52

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Was zuletzt geschah:
Für Jonas beginnen die Weihnachtsferien alles andere als besinnlich. Die Ferienwohnung, die ihm seine Eltern zur Verfügung stellen ist genauso kalt wie der Empfang, den ihm seine Mutter zu teil werden lässt und auch, wenn sich der Rest der Familie redlich Mühe gibt, Jonas und Erik gebührend willkommen zu heißen, ist die Anspannung deutlich spürbar. Wird eine Tasse Kaffee helfen Brücken zu bauen, oder ist am Ende alles so trostlos wie zuvor?

Kapitel 52
Das Frühstück verlief beinahe so schweigsam wie das Abendessen am Tag zuvor. Gedankenverloren starrte Jonas auf sein Frühstücksei, unfähig die Erinnerung an das Gesicht seiner Mutter abzuschütteln. Diese grässliche Enttäuschung in ihren Augen, als hätte er ihr durch seine bloße Existenz das Leben versaut. Sein Handy vibrierte und sorgte so für kurzfristige Ablenkung. „Maria fragt, ob wir uns heute mit ihr treffen wollen."

„Wir beide?", hakte Erik nach.

„Klar. Wer sonst?"

„Ich dachte nur, dass ihr euch seit Monaten nicht mehr gesehen habt. Maria will dich doch sicher wenigstens ein paar Stunden für sich allein."

Jonas schluckte seinen Protest herunter. Erik lag nicht völlig falsch, schließlich hatte Maria bereits eingestanden, dass ihre anfängliche Abneigung ihm gegenüber wenigstens teilweise auf Eifersucht gründete. Das würde kaum besser, wenn Jonas Erik zu jedem ihrer Treffen mitschleppte. Trotzdem ... „Ich kann dich doch nich' hier alleinlassen."

„Warum nicht? Dank dir weiß ich ja jetzt, wie ich den Ofen warmhalte und da warten auch noch ein paar Bücher auf mich, die seit Wochen gelesen werden wollen."

„Bist du s–"

„Ja, Jonas, ich bin sicher." Aufmuntert lächelte Erik ihm zu. „Wir haben noch fast zwei Wochen, um auch mal etwas zu dritt zu unternehmen. Da könnt ihr ruhig einen Tag alleine miteinander verbringen."

Noch immer nicht völlig überzeugt, aber auch nicht in der Lage ein Gegenargument zu finden, nahm Jonas sein Handy, um Maria zu antworten.

Schneeflocken bedeckten Baumwipfel wie Konfetti und Jonas' Atem verband sich mit Marias zu einer weißen Wolke, während der gefrorene Boden unter ihren Stiefeln knirschte.

Er hob seine Kamera und blickte durch den Filter ihres Suchers. „Manchmal denke ich, dass das hier der einzige Fleck auf der Welt is', der sich nie verändern wird."

Warte mal noch ein bisschen", erwiderte Maria gewohnt nüchtern, „in zehn Jahren führt hier wahrscheinlich eine Autobahn durch."

„Jetzt lass mich das doch genießen!" Jonas' Objektiv fing Felder, Wälder und das rote Ziegeldach des Hauses, in dem Marias Eltern lebten ein. Weit entfernt rauschte Verkehr über die einzige Straße, die zum Dorf führte.

„Euer Urlaub läuft bisher nicht so, wie du es dir vorgestellt hast, oder?"

Jonas war klar gewesen, dass er Maria nichts vormachen konnte, er hatte allerdings nicht damit gerechnet, schon so schnell durchschaut zu werden. „Nich' wirklich", räumte er ein, leugnen war ohnehin zwecklos. „Oder sagen wir, er läuft nich' so, wie ich's gehofft hatte. Meine Mum ..." Etwas in seiner Kamera knackte und er zwang sich, seinen Griff um sie zu lockern. „Es is' schwer für sie. Das weiß ich. Und ich versuch wirklich, Verständnis dafür aufzubringen. Aber fuck, es tut echt scheißweh so abgelehnt zu werden. Ich hab so lang gebraucht, um zu kapieren, dass ich nix dafür kann, dass ich auf Männer steh. Und nochmal länger, um zu checken, dass es nich' nur nich' meine Schuld is', sondern, dass auch nix dran falsch is'. Aber, wenn ich mir anseh, was grad in meiner Familie abgeht, dann ... dann komm ich ins Zweifeln, verstehst du?"

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt