Was zuletzt geschah:
Jonas hat turbulente Monate hinter sich. Sein Studium lockt ihn vom verschnarchten bayerischen Hinterland in die Hauptstadt und bald darauf findet er sich in den Armen eines Mannes, den er inzwischen nie wieder loslassen möchte. Nicht alles läuft rosig und viele Hürden müssen gemeistert werden, um Jonas an den Punkt zu bringen, an dem er heute steht. Aber er ist glücklich. Wenn doch nur seine Mutter über ihren Schatten springen könnte.Kapitel 55
Weihnachten war vergangen, doch der nächste Feiertag stand bereits in den Startlöchern: In dieser Nacht läutete der Mitternachtsgong nicht nur den nächsten Tag, sondern ein neues Jahr ein. Derzeit zog jedoch noch feiner Kaffeeduft durch die Gassen und hinter verschlossenen Türen ließ sich gelegentliches Gähnen erahnen.„Christine hat grad geschrieben." Jonas streifte ein paar Brotkrümel von seinem Kapuzenpulli und kuschelte sich zu Erik aufs Sofa. „Sie hat noch irgendwas in München zu tun und trifft sich dann direkt dort mit uns."
„Hm, was treiben wir denn dann den halben Tag?"
„‚Treiben' find ich schon mal 'n ganz gutes Stichwort." Nun überwältigte allerdings auch Jonas das allgegenwärtige Gähnen. Halb auf Erik liegend, das Gesicht in dessen Halsbeuge gedrückt, schloss er die Augen. Nur kurz dösen, in ein paar Minuten war er sicher fitter.
Das Handy musste lange und laut klingeln, um ihn aus seinem Tiefschlaf zu reißen. Blind tastete er danach, beantwortete den Anruf, ohne auf den Namen zu sehen. „Hallo?"
„Hallo."
Schlagartig saß Jonas aufrecht. „Hallo, Mama." Er hatte seit ihrem Abschied zu Weihnachten nichts mehr von ihr gehört.
„Ich wollte fragen, ob du zum Essen kommst, bevor du nach München fährst."
„Mama, du weißt, dass ich–"
„Ob ihr zum Essen kommt", verbesserte sich seine Mutter. „Natürlich kann ... Erik ... mitkommen."
„Oh, okay, ähm ... Ich frag ihn mal."
Erik saß neben Jonas, ein Buch in der Hand, doch seine Augen bewegten sich nicht. Vermutlich hatte er dem Gespräch wesentlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt als den Zeilen vor ihm.
„Ähm, meine Mum fragt, ob wir zum Essen vorbeikommen wollen."
„Willst du?"
Jonas dachte an ihre letzte Begegnung, seine Hoffnung, ihre Tränen. „Ich glaub, es könnt ganz gut sein."
„Dann gehen wir."
Mit einem knappen Nicken hielt Jonas sein Handy wieder ans Ohr. „Okay, wir kommen vorbei. Aber macht euch keinen Aufwand, wir gehen dann in München Abendessen, brauchen also mittags nich' so viel."
„Wir hatten ohnehin nur eine Brotzeit geplant. Seid um halb eins da."
„Halb ei–?" Aber seine Mutter hatte schon aufgelegt. „Toll, das gibt uns", er sah auf sein Display, „zwanzig Minuten. Duschquickie?"
Wortlos sprang Erik auf, entledigte sich seiner Klamotten an Ort und Stelle und zog Jonas mit sich ins Badezimmer.
Eine halbe Stunde später standen die beiden gestriegelt und geschniegelt vor Jonas' Elternhaus. Sie wechselten einen nervösen Blick, bevor Jonas die wie immer unverschlossene Tür öffnete. „Hallo-o! Wir sin' da-a!"
„Kommt rein, kommt rein", drang die Stimme seines Vaters aus dem Wohnzimmer zu ihnen. Er stand mit dem Rücken zur Tür, drehte sich aber um, als er die beiden hinter sich den Raum betreten hörte und lächelte breit. „Schön, dass ihr's so kurzfristig geschafft habt."
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Raupe im Neonlicht
RomansaDas Abitur frisch in der Tasche, entschließt sich Jonas, das beschauliche Dorfleben gegen die flitternden Lichter der Großstadt zu tauschen. In Zukunft soll Berlins Luft seine Lungen mit Feinstaub und Freiheit füllen. Zum ersten Mal auf sich selbst...