Kapitel 38

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Was zuletzt geschah:
Der erste Tag in Stuttgart bringt Höhen und Tiefen. Erik erfüllt Jonas' Wunsch und zeigt ihm ‚seine' Stadt, angefangen mit dem Bunten Tässchen und dessen Besitzern, fortgesetzt mit einer Führung zu seinem ehemaligen Elternhaus. Dachte Jonas schon, Erik hätte ihm dort einen Teil seines Ichs offenbart, das er bisher verborgen gehalten hatte, legt der anschließende Abstecher in den Park nochmal eine ordentliche Schippe Emotionen obenauf.

Kapitel 38
Entfernter Verkehrslärm und nahes Kindergeschrei drangen durch das geöffnete Fenster, Eriks Haar kitzelte Jonas' Nase, der Duft nach Sonne, Holz und frischem Weichspüler umhüllte ihn. Sie hatten sich irgendwann vormittags aus dem Bett gequält, nur, um nach einem reichhaltigen Frühstück sofort wieder in die weichen Kissen zu sinken.

„Wann holt Marco uns ab?", nuschelte Jonas verschlafen.

„In etwa einer Stunde."

„Fuck, ich wollt noch duschen." Schwerfällig versuchte er, sich aus dem Bett zu rollen, aber Erik hielt ihn zurück, hauchte zarte Küsse auf seinen Nacken.

Jonas lachte. „Womit hab ich denn die viele Aufmerksamkeit heute verdient?"

„Fürs Dasein und Zuhören", antwortete Erik schlicht. „Ganz besonders für gestern. Ich habe da einiges bei dir abgeladen und du hast einfach nur zugehört. Das tat ziemlich gut."

Perplex drehte sich Jonas um. Sie hatten die Nacht eng umschlungen verbracht und auch nach dem Aufstehen war Erik ihm kaum von der Seite gewichen, hatte aber bisher eisern über den vergangenen Abend geschwiegen. Daher wählte Jonas seine nächsten Worte mit Bedacht. „Das is' doch echt selbstverständlich, oder nich'? Ich mein, wenn du mir jetzt erzählt hättest, dass du 'nen illegalen Welpenhändlerring führst, heimlich Speed an altersschwache Omis vertickst, oder Superman cooler als Batman findest, wüsste ich nich' wie ich reagiert hätte, aber das tust du ja alles nich'."

„Also, eigentlich mag ich Superman lieber als Batman." Jonas' entsetzter Blick ließ Erik auflachen. „Na gut, nicht wirklich."

Erleichtert wischte sich Jonas über die Stirn. „Echt, ich glaub, dann hätte ich schlussmachen müssen." Er hüpfte aus dem Bett, streckte die Hand nach Erik aus. „Lass uns voll ökologisch Wasser sparen und zusammen duschen!"

Marco eilte durch die Hotellobby auf Jonas und Erik zu. „Scusate, ich bin zu spät. Hat ewig gedauert, einen Parkplatz zu finden." Beim Anblick der beiden schmunzelte er. „Aber ich glaube, ihr wart ganz froh um die zusätzlichen Minuten."

Verlegen fuhr sich Jonas durch seine noch feuchten Haare und betete, dass Marco den tomatenroten Schleier, der sich mit Sicherheit gerade über seine Wangen legte nicht bemerkte. Glücklicherweise ritt Marco nicht weiter darauf herum, sondern zog erst Erik und anschließend Jonas in eine herzliche Umarmung.

„Ich bin echt gespannt, was ihr vom Haus haltet", rief er über die Schulter hinweg, auf dem Weg zu seinem Auto, einem silbernen Minivan mit schlichtem, in Erdtönen gehaltenem Firmenlogo.

Jonas deutete darauf. „Du hast 'ne eigene Firma?"

„Fünf Jahre schon." Und Marco war sichtlich stolz darauf. „Der Anfang war ein wenig holprig, aber inzwischen läuft sie ziemlich stabil. Stabil genug jedenfalls, um einen Bankfuzzi zu überzeugen, uns einen Kredit für ein Haus zu geben. Für eines in der Stadt hat es dann aber doch nicht ganz gereicht, also müssen wir ein Stück fahren."

Zusammen mit Erik machte es sich Jonas im geräumigen Rückraum des Wagens bequem und war binnen Minuten so in ein Gespräch mit Marco über das Für und Wider eines Gartenteichs versunken, dass die Zeit zwischen ihren Händen zerrann und Marco beinahe an seinem eigenen Haus vorbeigefahren wäre.

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt