Kapitel 8

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Was zuletzt geschah:

Ein weiteres Treffen zwischen Erik und Jonas enthüllt viel Neues. Dinge, von denen Jonas nie dachte, sie mögen zu können, Beichten, mit denen er nicht gerechnet hatte und Gefühle, auf die er lieber verzichten würde. Der Abschied verläuft allerdings weniger leidenschaftlich als die Begrüßung und ein Schal ist nicht dort wo er sein sollte.

Kapitel 8

Die Sonne war schon lange hinter den Dächern der Hochhäuser verschwunden und ein eisiger Wind fegte Regentropfen wie Geschosse durch die Straßen. Jonas schlug den Kragen seiner Jacke nach oben, fluchte über seinen nutzlos an Eriks Garderobe hängenden Schal und schleppte seinen müden Körper die letzten Meter zu seiner Wohnung. Den Vormittag in der Uni zu verbringen, um anschließend bis Ladenschluss im Café zu arbeiten, war eine dämliche Idee gewesen. Er war jung, aber selbst ihn schlauchte so ein Zwölfstundentag. Nicht einmal zum Einkaufen war er gekommen, dabei hing ihm sein Magen bereits in den Kniekehlen. Hoffentlich konnte er die Schicht in der kommenden Woche tauschen.

Jonas' Briefkasten war leer, doch an der Außenseite war ein Zettel befestigt, der ihn darüber informierte, dass ein Paket für ihn bei den Nachbarn abgegeben worden war. Er überprüfte den Namen und ja, natürlich waren es die reizenden Leute gegenüber, die ihn zu den unmöglichsten Zeiten an ihrem grässlichen Musikgeschmack teilhaben lassen mussten. Lustlos klopfte er, sah ein, dass er damit nicht gegen den dröhnenden Bass ankam und benutzte die Klingel. Oft.

Als sich die Tür endlich öffnete, blickte Jonas in das Gesicht eines schlechtgelaunten Glatzkopfs, dessen muskelbepackte Arme durch das schlichte weiße Shirt unnötig betont wurden.

„Ähm, hi ..."

„Was willst du?"

„Ihr, ähm, ihr habt 'n Paket für mich."

„Ach ja?"

„Ja, ähm, hier ..." Jonas hielt den Zettel hoch. „Muss irgendwann heute abgeben worden sein."

„Davon weiß ich nichts."

Der Typ streckte die Hand nach dem Zettel aus, doch Jonas zog ihn instinktiv weg und trat einen Schritt zurück. „Hör zu, ich weiß bloß, dass ich mein Päckchen haben möchte und auf dem Zettel hier dein Name steht. Wenn du jetzt also einfach–" Die zuschlagende Tür schnitt Jonas das Wort ab. Fluchend stand er im Gang und überlegte fieberhaft, wie er die Situation auflösen konnte, ohne einen riesigen Aufriss deshalb veranstalten zu müssen. Schließlich setzte er sich – nach einem sehnsüchtigen Blick zu seiner eigenen Wohnungstür – noch einmal in Bewegung und suchte die nächstbeste Tankstelle.

Wieder dauerte es einige Zeit, bis Jonas' Nachbar dem penetranten Klingeln seiner Türglocke nachgab und öffnete. Bevor er ein Wort sagen konnte, hielt Jonas ihm seinen Einkauf vor die Nase. „Bier gegen Paket."

Der Nachbarn schüttelte nur den Kopf und seine Lippen zogen sich über seine Zähne zurück als versuchte er zu knurren. „Denkst du echt, ich mach mir was aus dieser Plörre? Hau endlich ab!" Er war bereits im Begriff, die Tür zu schließen, als eine zierliche, junge Frau hinter ihm auftauchte und sich an seinen Rücken schmiegte.

„Na komm, sei nicht so fies zu dem Kleinen." Sie lächelte Jonas an. „Ich tausch mit dir. Warte kurz." So schnell wie sie gekommen war, verschwand sie wieder, nur, um gleich darauf mit Jonas' Paket zurückzukehren.

Jonas kontrollierte, ob es ungeöffnet und intakt war, bevor er ihr im Austausch das eben erstandene Sixpack überreichte. „Danke."

„Jederzeit", flötete sie und knallte die Tür zu.

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt