Was zuletzt geschah:
Zurück in Berlin, kehrt Jonas nahezu nahtlos in den Großstadtalltag zurück. Er studiert, zieht mit seinen Freunden um die Häuser und genießt heißen Telefonsex mit Erik. Zugegeben, Letzteres ist eine eher neue Erfahrung und dazu eine, die abgesehen von einem Höhepunkt, in eine Verabredung zum Kaffeetrinken gipfelt. Aus dem Kaffee werden Kakao und Tee und die sonntägliche Verabredung zum Vögeln verwandelt sich in eine Einladung ins Theater, der Jonas nur zu gerne folgt, auch, wenn ihn der Gedanke, Eriks Freunde kennenzulernen, schon jetzt in Schweiß ausbrechen lässt.Kapitel 14
„Fuck, fuck, fuck!"
Atemlos und wild um sich blickend, hetzte Jonas die Straße entlang, in der Hoffnung, endlich das erlösende Schild zu entdecken. Er war schon zehn Minuten zu spät und hatte noch immer keine Ahnung, ob er sich auch nur ansatzweise am richtigen Ort befand. Sein GPS blinkte nutzlos und versetzte den kleinen Punkt, der seinen Körper markieren sollte, ruckartig in einen Tümpel, der vermutlich nicht einmal in Berlin lag. Das wäre der passende Zeitpunkt gewesen, seine Niederlage einzugestehen und Erik anzurufen, um ihn um Hilfe zu bitten, aber noch brachte Jonas das nicht über sich.
Die Erleichterung, die seinen Körper durchflutete, als er das niedrige Gebäude vor der nächsten Kreuzung als Theater erkannte, wurde rasch durch Unbehagen ersetzt. Sie hatten verabredet, sich vor dem Haupteingang zu treffen, aber keine Menschenseele war in Sichtweite. Wahrscheinlich hatte Erik die Warterei sattgehabt und sich ins Innere verzogen. Falls das so war, konnte Jonas ihm daraus kaum einen Vorwurf machen.
Mit jedem Schritt, den er sich der Eingangstür näherte, wurde Jonas langsamer. Eigentlich hatte er geplant, einen guten ersten Eindruck auf Eriks Freunde zu machen. Sich zu verspäten und sie in der Kälte stehen zu lassen, konnte man nur bedingt als solchen bezeichnen. Vielleicht sollte er einfach wieder umkehren und Erik schreiben, dass er sich nicht gut fühlte.
‚Mach keinen Scheiß!', schalt er sich selbst. Erik hatte seine Karte bezahlt. Gar nicht erst aufzutauchen, war weitaus dreister als sich zu verspäten. Jonas atmete einmal tief durch und ging auf die Tür zu. Erst kurz davor bemerkte er das pfeilförmige Schild mit dem Vermerk ‚Haupteingang ums Eck'.
Schüchtern lugte Jonas um das Gebäude herum und entdeckte Erik in dem Moment, in dem dieser ihn entdeckte und mit einem breiten Lächeln zu sich und den beiden Männern neben ihm winkte.
„Sorry", krächzte Jonas verlegen, als er die kleine Gruppe erreicht hatte. „Irgendwie hab ich wohl den falschen Bahnaufgang erwischt, jedenfalls sah alles ganz anders aus als auf dem Plan, den ich mir davor angesehen hab und ..."
„Alles gut", beruhigte Erik ihn. „Wir haben mehr als genug Zeit."
„Du musst dann wohl Jonas sein."
Jonas richtete seinen Blick auf den Mann neben Erik, der ihn angesprochen hatte. „Ähm, ja. Hi."
„Ich bin Marco!" Grinsend reichte er Jonas die Hand. Obwohl Marco fast einen Kopf kleiner als Jonas war, trug er gefühlt dessen doppeltes Gewicht an Muskelmasse mit sich herum und hätte durchaus einschüchternd gewirkt, wären da nicht sein offenherziges Lachen und die dunklen, freundlichen Augen gewesen, die Jonas neugierig musterten. „Kommt nicht oft vor, dass Erik uns jemanden vorstellt."
„Und jetzt frag dich mal, warum das so ist", erwiderte dieser mit einem schmalen Lächeln.
„Och, ich denke, das wissen wir beide."
„Marco", raunte dessen Nebenmann kaum hörbar, bevor er sich an Jonas wandte. „Mein Name ist Drago." In seinen Worten schwang ein für Jonas' Ohren ungewohnter Akzent mit. Weich und melodisch, mit einer ganz eigenen Art das ‚R' zu rollen. Im Gegensatz zu Marco, war Drago groß und drahtig, mit aschblondem Haar, hohen Wangenknochen und harten Gesichtszügen. Im ersten Augenblick fürchtete Jonas, er hätte sich mit seiner Verspätung doch bei wenigstens einer Person unbeliebt gemacht, aber als er Drago die Hand reichte, schenkte dieser ihm ein warmes Lächeln. „Schön, dich kennenzulernen."
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Raupe im Neonlicht
Roman d'amourDas Abitur frisch in der Tasche, entschließt sich Jonas, das beschauliche Dorfleben gegen die flitternden Lichter der Großstadt zu tauschen. In Zukunft soll Berlins Luft seine Lungen mit Feinstaub und Freiheit füllen. Zum ersten Mal auf sich selbst...