Kapitel 46

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Was zuletzt geschah:
Erik heißt Jonas nach dessen Bayernbesuch gebührend willkommen. Teil ihres Wiedersehens ist ein Handel, den Jonas gerne annimmt – Halsband gegen Freiheit. Für ein paar Stunden legt Jonas jede Verantwortung in Eriks Hände. In Hände, die selbst dann umsichtig sind, wenn sie grob werden. In Hände, die zu dem Mann gehören, der ihn liebt. Zu dem Mann, der Jonas liebt. Der Zauber gipfelt in zwei Höhepunkten und endet erst, als sich Jonas an den anstehenden Besuch seiner Eltern erinnert.

Kapitel 46
„Jonas? Jonas!"

Erschrocken blickte dieser auf und direkt in Eriks Augen, die ihn mit einer eigentümlichen Mischung aus Sorge und Belustigung musterten, als wäre er sich nicht sicher, ob diese geistige Abwesenheit noch witzig oder schon kritisch war.

„Sorry. Was hast du gesagt?"

„Ich habe die Couch im Büro ausgezogen und Bettzeug bereitgelegt, falls deine Eltern sich nach der langen Fahrt etwas ausruhen wollen."

„Oh. Okay. Danke."

„Kann ich sonst noch etwas tun?"

Langsam schüttelte Jonas den Kopf. „Nee. Sei ... Sei einfach da, wenn wir zurückkommen."

„Natürlich."

Jonas' Plan sah vor, sich mit seinen Eltern in einem kleinen Restaurant am Stadtrand zu treffen, sie zu füttern und danach zu einem Spaziergang einzuladen. Bis er ihnen die neue Wohnung zeigte, hatten Sonne, Essen und Bewegung hoffentlich ihre Wirkung entfaltet und die beiden in ausreichend gute Stimmung versetzt, um größere Katastrophen zu verhindern. Wie üblich hatte der Plan besser geklungen, als er noch nicht kurz vor der Umsetzung stand.

„Ich sollt dann wohl langsam mal los, wenn ich die Bahn erwischen will. Bis nachher."

„Warte!"

Fragend drehte sich Jonas zu Erik, der wortlos auf seine Lippen deutete. Mit einem schmalen Lächeln hauchte Jonas einen Kuss darauf. Nichts konnte ihn wirklich erschüttern, solange Erik an seiner Seite blieb.

„Eine Viertelstunde!" Aufgebracht wedelte Jonas' Vater mit der Speisekarte, die man ihm gerade gereicht hatte.

Entgegen Jonas' Hoffnung, konnten sich seine Eltern nicht besonders für das Lokal begeistern, in das er sie gelotst hatte. Sie waren blind für die kunstvollen Malereien an den Wänden und taub für das Brummen der Hummeln, die das Blumenmeer auf der Terrasse anlockte. Auch die kühle Brise und das zwischen den Tischen umherwuselnde Personal besänftigten sie nicht.

„Wir haben eine Viertelstunde nach einem verfluchten Parkplatz gesucht!", wiederholte Jonas' Vater, nachdem die erwünschte Reaktion seitens seines Sohnes ausgeblieben war. „Und der Gestank in dieser Stadt! Grauenhaft! Kein Wunder, dass die Leute an Lungenkrebs verrecken! Aber Hauptsache, das Rauchen in Kneipen wird verboten!"

„Papa, ich hab euch doch gesagt, dass das Restaurant einen Kundenparkplatz direkt ums Eck hat, ihr hättet nich' irgendwo in 'ner Gasse parken müssen. Und anders als in Bayern, darf man hier in Berlin in vielen Kneipen noch rauchen."

Dafür hatte sein Vater nur ein entnervtes Schnauben übrig.

„Jonas, Spatz", schaltete sich seine Mutter ein. „Was kannst du denn empfehlen? Ich weiß ja gar nicht, was ich nehmen soll."

„Was du willst", antwortete Jonas achselzuckend. „Es is' 'n Italiener, also bieten sich wohl Pasta oder Pizza an."

„Warst du etwa noch nie hier?", fragte sie kritisch.

„Doch, vor ein paar Wochen." Mit Erik. „Aber das heißt ja nich', dass ich die ganze Karte kenn."

„Was hast du denn gegessen, als du das letzte Mal da warst?"

Raupe im NeonlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt