Was zuletzt geschah:
In einem Versuch seinen Eltern entgegenzukommen, verbringt Jonas Weihnachten getrennt von Erik. Während er am heimischen Tisch sitzt und sich bemüht, eine dünne Schicht Familienglück zu erschaffen, genießt Erik in Stuttgart ein Wiedersehen mit seinen Freunden. So sehr, dass er nicht wie abgemacht noch am selben Abend zurückfährt, sondern Jonas auf den nächsten Tag vertröstet. Eine Entscheidung, die bei diesem alle Alarmglocken läuten lässt. Hat Erik endgültig genug von all dem Stress?Kapitel 54
„Boah Jonas, geh endlich an dein Kackhandy!" Christines Kissen traf zielsicher seinen Kopf.„Is' ja gut. Sorry." Jonas lag bereits eine Weile wach, aber die Flasche Wein, die er sich mit Christine geteilt hatte zeigte Wirkung. Blinzelnd starrte er auf sein blinkendes Display, wurde schlagartig fit, als er den Namen erkannte. Dummerweise zu spät – Erik hatte bereits aufgelegt. „Ich bin mal unten." Das Handy ans Ohr gepresst, rollte Jonas von dem übergroßen Sitzsack und fiel die Speichertreppe eher runter als dass er kletterte.
„Hauptsache, ich kann weiterschlafen", murrte Christine ihm hinterher.
Noch bevor Jonas die relative Ungestörtheit der Küche erreicht hatte, hörte er eine vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. „Hey. Habe ich dich mal wieder geweckt?"
„Nee. Und selbst wenn, wär's nich' schlimm." Jonas versuchte gar nicht erst sein Lächeln zu unterdrücken. Dann stand er eben im T-Shirt seiner Schwester in der Küche seines Elternhauses und grinste wie ein Depp. Wenigstens war er ein glücklicher Depp. „Christine könnt's dir vielleicht übelnehmen, aber die is' bestechlich."
„Lass es uns trotzdem lieber nicht zur Tradition machen."
„Einverstanden." Jonas' Blick folgte den vereinzelten Schneeflocken vor dem Fenster, die träge ihren Weg zum Boden fanden. „Erinnerst du dich an unser Telefonat letztes Weihnachten? Ich weiß grad nich', ob ich's schräg finden soll, dass seitdem erst oder schon ein Jahr vergangen is'."
„Mhm. Ist eine ganze Menge passiert."
Eine der Flocken landete auf der Scheibe und schmolz zu einem winzigen Tropfen. „Bist du bei Marco?"
„Vor einer halben Stunde sowas angekommen. Er und Drago sind aber in ihrem Zimmer verschwunden, sobald die Tür hinter uns ins Schloss gefallen ist."
„Is' ja auch ziemlich spät."
„Irgendwie bezweifle ich, dass die beiden schlafen." Erik klang amüsiert. „Tut mir übrigens leid, dass ich nicht auf mein Handy geschaut habe. Im Tässchen waren ein paar Leute, mit denen ich seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte und wir sind anschließend noch was Trinken gegangen."
„Is' okay. War bestimmt ganz nett für dich, mal wieder mit Leuten zu quatschen, die dir nich' die Schuld am moralischen Verfall ihres Sohns geben." Hatte er bitter geklungen? Jonas war sich nicht sicher.
„Ist bei dir alles in Ordnung?"
Alles klar, er hatte bitter geklungen. „Jaah. Alles gut. Bin bloß müde."
„Entschuldige, ich hätte so spät nicht mehr anrufen sollen. Ich wollte nur ..."
„Meine Stimme hören?" Jonas' Lächeln kehrte zurück. Exakt dasselbe hatte Erik ihm vor einem Jahr schon einmal gesagt. „Ich wollt deine auch hören", gab er zu. „Weißt du schon, wann du morgen zurückkommst?"
„Ah, noch nicht so genau. Falls ich Sophia mit nach München nehmen soll, muss ich warten, bis das Weihnachtsessen bei meiner Tante gelaufen ist. Dann wird es ziemlich sicher auf zehn zugehen."
„Okay."
„Soll ich früher kommen?"
„Nee, Quatsch. Das passt schon so. Ich bleib dann einfach 'n bissl länger bei meinen Eltern. Glaub, die haben sich richtig gefreut, dass ich heut hier übernachte. Jedenfalls bevor sie gemerkt haben, dass ihr Wein weg is'."

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Raupe im Neonlicht
RomanceDas Abitur frisch in der Tasche, entschließt sich Jonas, das beschauliche Dorfleben gegen die flitternden Lichter der Großstadt zu tauschen. In Zukunft soll Berlins Luft seine Lungen mit Feinstaub und Freiheit füllen. Zum ersten Mal auf sich selbst...