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Dying Drive-In

„Eden Jamerson, bitte komm sofort in mein Büro."

Für eine Sekunde verstummt das unterschwellige Gemurmel meiner Mitschüler, die, anstatt den von Mrs Edwards geforderten Versuch aufzubauen, lieber das anstehende Wochenende planen. Was zur Hölle soll an dieser winzig kleinen Stadt so spannend sein? Alle großen Veranstaltungen haben mit der High School zu tun. Wir kommen zusammen, um unsere Helden zu feiern, Footballer in gelb-blauen Bulldogs-Jacken, die Sexismus promoten als sei es ein nicht zu vermeidender Nebeneffekt ihrer lächerlichen Männlichkeit.

Mir wird kaum Aufmerksamkeit geschenkt, als ich gemächlich meine Sachen zusammenraffe und das Klassenzimmer unter dem mahnenden Blick unserer Klassenlehrerin verlasse. Es überrascht mich, dass sie sich noch wundern kann, nach all der Zeit, die wir gemeinsam in dieser Hölle verbracht haben, die sich Riverdale High nennt. Ja, ich weiß. Das Schuljahr hat gerade erst begonnen und das ist das siebte Mal, dass ich zum Direktor gerufen werde. Berücksichtigt man all die kleinen Fehltritte die ihm durchgegangen sind, ist das ein ganz passabler Schnitt.

Ich grüße die Sekretärin mit einem überschwänglichem Lächeln und öffne ohne großes Anklopfen die Tür zu Mr. Weatherbees Büro. Fast wie Nach-Hause-kommen. Der mit dunklen Holzmöbeln ausgestattete Raum, der immer nach alten muffigen Akten und starkem Kaffee riecht, hat vielleicht zu Anfang meiner Schülerzeitungkarriere einschüchternd auf mich gewirkt, aber die Zeiten gehören längst ver Vergangenheit an.

„Setz dich", fordert er mich auf. Ich lasse mich lässig auf einen der knautschigen Ledersessel fallen und werfe meine Tasche auf den anderen.

„Was kann ich für Sie tun?", frage ich höflich. Natürlich weiß ich sehr genau, was er von mir will. Es hat sich mittlerweile zu einer Art Spiel entwickelt. Er sagt mir, ich müsse dringend an meinem reißerischen Schreibstil arbeiten und weniger aufreibende Themen auf die Titelseite bringen und ich verteidige meinen investgativen Journalismus. Wir einigen uns darauf, dass ich meine Artikel von Betty korrigieren lasse, was ich aber nie tue. Betty und ich haben eine vollkommen andere Herangehensweise. Wir sehen die Dinge anders. Es ist doch nicht Sinn der Sache, das einText klingt wie der andere. Ich will polarisieren. Ich will zu Diskussionen anregen. Menschen meines Alters ziehen sich viel zu leicht aus der Affäre, in dem sie ein Bild liken und vor dem Rest beharrlich die Augen verschließen. In diesem Land laufen zu viele Dinge schief, auf dieser Welt passieren täglich zu grausame Dinge, als das ich guten Gewissens über das Wochenangebot in der Cafeteria, das übrigens nie alle Ernährungsweisen abdeckt, oder die Pep Really schreiben könnte.

Direktor Weatherbee greift in eine offene Schublade zu seiner Linken und wirft mir die neuste Ausgabe der Schülerzeitung auf den Tisch. Zufrieden betrachte ich das Titelblatt.

The Dying Drive-In

„Das geht zu weit!", er deutet mit dem Finger auf das schwarz-weiße Foto von der Anzeigentafel des Autokinos. Trotz Handykamera ist es mir wirklich gut gelungen. Vielleicht rahme ich es und hänge es über meinen Schreibteil. Ein Mahnmal und Antrieb.

„Aber es ist wahr, und darum geht's doch, oder?", sage ich trocken.

„Du bist weder Polizistin, noch bist du Journalistin, Eden", wiegelt er ab, „du bist Schülerin dieser Schule."

„Und als solche sehe ich mich in der Pflicht, meine Mitschüler über die Gefahren dieser Stadt aufzuklären."

Ich habe nächtelang an diesem Artikel gearbeitet. Habe mich etliche Nachmittage und Samstagabende im Autokino herumgedrückt, um Belege für meine Thesen zu finden. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass alles, was in diesem Text steht, wahr ist. Natürlich will Weatherbee nichts davon hören. Niemand hier interessiert der Aufwand, der hinter ein paar lächerlichen Zeilen in der Schülerzeitung steckt. Mein gesamtes Geld ist für das Kino draufgegangen und von den Filmen habe ich so gut wie nichts gesehen. Ich bin umhergeschlichen und habe Serpents beobachtet. Das ist aufrichtige Anerkennung wert, keinen Ärger. Ich streiche meine Haare zurück und sehe gelangweilt aus dem Fenster. Die folgende Moralpredigt kann ich fast auswendig mitsprechen.