Ich bin wie ohnmächtig. Die ganze Zeit über. Ich lasse die Untersuchung über mich ergehen, während mich nur interessiert, was außerhalb dieses Zimmers passiert. Dr Wallace, eine nette dunkelhaarige Frau, die mich gewissenhaft untersucht, lässt sich Zeit.
„Ich würde dir gerne etwas zur Beruhigung geben", sagt sie. Ich schüttle den Kopf.
„Ich brauche nichts."
„Das ist das Adrenalin", versichert sie mir, „du solltest zur Ruhe kommen."
Adrenalin. Zehn Jahre. Sweet Pea. Der Fremde.
„Wie geht es den anderen?", frage ich. Sie sieht mich nachdenklich an.
„Ich mache dir einen Vorschlag", sagt sie, „du lässt mich dir eine Spritze zur Beruhigung geben und ich sehe nach deinem Freund und dem anderen Fahrer."
Ich gebe mit einem Achselzucken nach. Ich fühle mich nicht, als müsse man mich beruhigen, aber wenn sie meint ... Außerdem muss ich wissen, wie es ihnen geht. Ich bezweifle, dass das Mittel in der Spritze, die sie füllt, mich davon ablenken wird, aber für eine Diskussion bin ich nicht fit genug.
Als sie das Zimmer verlässt, um sich zu erkundigen, lasse ich mich auf die Untersuchungsliege sinken. Ich wünsche mich in mein Bett. In meins, nicht in das in Alice Gästezimmer. Das wird nie mein Zuhause werden. Aber was wird jetzt? Ich will in meinem Haus leben, nicht bei den Nachbarn. Ich will mein altes Leben leben. Wieso werden mir alle weggenommen, die ich liebe?
Als sie zurückkehrt, richte ich mich ruckartig auf.
„Ist jemand tot?", frage ich. Es ist nicht das erste Mal, dass ich jemandem diese Frage stelle. Nachdem meine Eltern ermordert worden waren, fragte ich meine Großeltern und Dave andauernd, ob jemand gestorben sei, wenn sie mit einem gewissen Gesichtsausdruck nach Hause kamen.
„Nein, keine Sorge", sagt sie lächelnd, „es geht beiden gut."
„Kann ich zu ihm? Zu Sweet Pea?", frage ich, „und können Sie vielleicht allen im Wartezimmer Bescheid sagen?"
„Natürlich. Ich bringe deinen Freund gleich rüber", verspricht sie. Ich lege mich wieder hin. Ich bin müde und überanstrengt. Mir fallen die Augen zu, doch ich kämpfe dagegen an. Jetzt noch nicht. Jetzt noch nicht.
Als sich die Tür endlich wieder öffnet und Sweet Pea das Zimmer betritt, kann ich das erste Mal seit unserer Ankunft im Krankenhaus wieder richtig durchatmen. Er ist in wenigen Schritten bei mir. Unverletzt, augenscheinlich, aber mitgenommen.
„Gehts dir gut?", will er wissen.
„Du hättest ... der Mann ... ihr hättet sterben können."
Wir hätten alle sterben können. Das hätte Dave nicht überlebt. Ich muss auch für ihn stark sein. Kämpfen.
„Sind wir aber nicht. Es war ein Unfall", er greift nach meiner Hand.
Ein Unfall, der nicht hätte passieren dürfen. Ich lehne mich nach vorne, falle gegen seine Brust und schlinge meine Umarme um seinen starken Oberkörper. Er hält mich fest. Ich lasse mich für einen Moment in die Geborgenheit fallen, schiebe mein quälendes Schuldbewusstsein von mir. Ihm geht's gut. Uns geht's gut.
Es klopft. Dr Wallace steckt den Kopf in den Raum und informiert mich darüber, dass die Polizei mit mir sprechen möchte. Ich löse mich widerwillig von Sweet Pea, der noch immer meine Hand hält, und nicke.
Ich führe nur ein kurzes Gespräch mit Kevins Dad.
„Ich erinnere mich nicht an ein zweites Auto", sage ich, „werde ich verhaftet?"
„Ich denke nicht", sagt er, „der Fahrer besteht darauf, dass dich keine Schuld trifft."
„Aber -"
Wie? Wie sonst sollte der Unfall passiert sein? Natürlich bin ich schuld. Nur ich. Ich will nicht von einem Wilfremden in Schutz genommen werden. Ich muss mich zumindest persönlich entschuldigen.
„Dr Wallace sagte, du musst jetzt zur Ruhe kommen", er lächelt mich an, „das war kein leichter Tag für dich."
Nein, bestimmt nicht. Ich will nur zu Dave. Aber das geht jetzt nicht mehr. Für eine ewig lange Zeit. Der Gedanke ist zermürbend. Ich will ihn nicht denken.
„Ich will nach hause", sage ich müde.
„Das musst du mit Dr Wallace abklären. Aber ich denke nicht, dass das ein Problem sein wird."
Er tätschelt mir die Schulter. Unbeholfen. Ich nehme die Geste des Mitgefühls regungslos hin und warte darauf,dass die Ärztin zurückkommt und meine Entlassung veranlassen kann. Ich muss wirklich nicht über Nacht im Krankenhaus bleiben. Es geht mir gut. Wenn man die Umstände ignoriert.
Schließlich bekomme ich die Erlaubnis, nach hause zu gehen. Ich bekomme Tabletten mit, von denen ich nicht weiß, was sie bewirken sollen. Beruhigung wahrscheinlich, aber ich weiß genau, wie es sich anfühlt, wenn man ruhig gestellt wird. Wenn alles schwammig und wie Watte ist. Man kann keinen klaren Gedanken fassen. Bevor ich den ganzen Tag benommen auf der Couch liege, stelle ich mich lieber meinem Kopf.
Alice schirmt mich während des Verlassens des Krankenhauses ab, als würden Paparazzi auf mich lauern. Dabei sind es nur meine Freunde, die sich unbedingt versichern wollen, dass es mir gut geht und sie nichts weiter tun können, als nach hause zu fahren und sich hinzulegen.
„Eden!", Jughead fängt uns vor dem Auto ab und Alice lässt mich los, damit wir uns ein paar Minuten ungestört unterhalten können.
„Es geht mir gut", nehme ich seine Frage vorweg, „ich bin nur müde."
„Fünf Minuten", sagt er, „das Urteil -"
„Darüber will ich jetzt wirklich nicht reden!"
Betty räuspert sich und öffnet auffordernd die Beifahrertür.
„Komm morgen vorbei, Jug", sagt sie zu ihm, doch er überhört es absichtlich.
„Ich kann verstehen, wie du dich fühlst, aber ... ich wollte nur sagen, dasses mir leid tut."
„Ist nicht deine Schuld", nuschle ich. Hält er das hier für den richtigen Ort und die richtige Zeit? Ich weiß nicht, wo Sweet Pea ist. Wer bringt ihn nach hause? Wieso können wir ihn nicht mitnehmen? Ich schaue zu Alice.
„Wo ist Sweet Pea?", frage ich.
„Die Serpents haben ihn mitgenommen", antwortet sie, „aber er meldet sich morgen bei dir."
Wieso erst morgen? Wieso? Es geht mir alles zu langsam und gleichzeitig zu schnell. Betty greift nach meinem Arm und befördert mich sanft auf den Beifahrersitz. Ich sehe Jug durch die geschlossene Scheibe an und versuche, seinem Blick standzuhalten, auch wenn es mir schwer fällt. Ich will nicht, dass wir uns voneinander entfernen, aber das Urteil hat sich längst zwischen uns gedrängt.
„Mach dir darum jetzt keine Gedanken", Betty steckt den Kopf zwischen den Sitzen nach vorne und lächelt mich aufmunternd an, „morgen sieht die Welt schonwieder ganz anders aus."
Das tut sie. Immer. Aber wer sagt uns, dass das etwas Gutes ist?

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News Of The Day
Fiksyen PeminatEden Jamerson geht auf die Riverdale High und arbeitet mit Jughead und Betty bei der "Blue & Gold". Als Jason Blossom ermordet aufgefunden wird, wittert Eden die große Story. Sie setzt alles daran, den Mörder zu finden und gerät auf eine falsche Spu...