truth or dare

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Sweet Pea folgt mir. Ich will keine Diskussionen, aber er will nur eine simple Frage stellen.

„Wieso hast du wirklich einen Rückzieher gemacht?", fragt er. Ich sehe ihm in die Augen.

„Willst du auf was bestimmtes hinaus?", gehe ich in den Gegenangriff über.

„Hast du das alles nur für die Story gemacht?"

„Was alles? Mir eine Kugel einfangen und meinen eigenen Onkel in den Knast bringen?", zische ich. Mein Herz zieht sich zusammen. Er antwortet nicht.

„Das glaubst du?", frage ich, „das ich das alles nur für eine Geschichte gemacht habe, die in einer Gratis-Zeitung erscheint, für die sich niemand interessiert?"

„Könnte dein Durchbruch sein."

„Was?!", fassungslos greife ich mir ins Haar, „was ist los mit dir? Ich will es einfach nicht, okay? Ich muss mich um andere Dinge kümmern, um Dave, um mich. Jug ist die bessere Wahl. Und wenn du nicht so blind wärst, würdest du mir zustimmen."

Jedenfalls kann ich das nur hoffen. Von außen betrachtet, mit genug Weitblick, würde das jeder erkennen. Doch er gibt nicht nach. Im Gegenteil, er hat sich festgebissen. Wie kann er ernsthaft glauben, dass ich das alles nur für die Story auf mich genommen habe? Ich wäre fast gestorben. Ich habe alles verloren. Selbst ich, die vieles opfern würde, um einen Missstand aufzuklären, wäre nie freiwillig so weit gegangen. Wir wurden alle in einen Strudel hineinsogen. In eine Geschichte, aus der wir uns hätten raushalten können. Früher oder später wäre sie ans Licht gekommen. Und sie hätte mein Leben zerstört.

„Wenn du wirklich glaubst, dass ich so falsch bin, warum lässt du mich dann nicht in Ruhe?", schlage ich ihm verbissen vor. Als er wirklich verschwindet, bin ich nicht überrascht, aber dennoch verletzt. Super. Ich habe mit jeder möglichen Reaktion gerechnet, nur mit dieser nicht. Offenbar hat er mir die ganze Zeit über misstraut.

Ich bin deprimiert, aber nicht am Boden zerstört. In Anbetracht unserer Vorgeschichte bin ich nicht überrascht, dass es sich so entwickelt. Wir waren von Anfang an so verdammt verschieden. Ich gönne mir ein bisschen Selbstmitleid bei einem Milchshake mit Betty.

„Also hat er Schluss gemacht?", fragt sie verwirrt.

„Nein", ich verdrehe die Augen, „ich meine, muss er das überhaupt? Es hat nicht mal richtig angefangen."

„Er liegt falsch, oder? Du hast das alles nicht nur für einen Artikel gemacht", ich sehe den kleinen verborgenen Zweifel, der in ihren Augen aufflackert. Traut mir eigentlich irgendjemand zu, menschlich zu handeln? Ich tue viel, aber nicht alles.

„Natürlich nicht!", ich sehe es nicht ein, mich weiter zu verteidigen. Ich hätte die Story längst an die nächstgroße überregionale Zeitung verkauft, wenn mir daran etwas läge.

„Aber du schreibst sie."

„Ja, ich schreibe sie. Das habe ich schon immer getan."

„Und wie endet sie?"

„Damit, dass Riverdale endlich einsehen muss, dass es nicht nur die eine oder die andere Seite geben kann und sich zusammenraufen muss", sage ich, „das hätte alles nie passieren müssen."

„Hm", Betty runzelt die Stirn.

„Ich weiß. Manche Dinge lassen sich nicht verhindern. Und niemand bedauert das mehr als ich. Aber man kann es in Zukunft wenigstens besser machen. Ich habe es geschafft, sämtliche Vorurteile abzulegen und mich mit den Serpents anzufreunden. Es ist also möglich."

„Du hast uns alle davon überzeugt", sagt sie, „die ältere Generation wird sich schwer tun."

„Wir fangen klein an. Als gute Vorbilder."

„Und was ist mit Sweet Pea?"

„Was soll mit ihm sein? Der kriegt sich wieder ein. Spätestens, wenn Jug die Serpents regiert und ich den Artikel veröffentliche. Entweder, es überzeugt ihn, oder er ist ein noch größerer Idiot als ich bisher angenommen habe."

Sie schmunzelt. Wir wissen beide, dass ich nicht so hart bin, wie ich gerne tue, aber es ist Selbstschutz. Ich will ihn nicht zu nahe an mich heranlassen, ihm noch nicht alles von mir zeigen. Wobei ich das ja eigentlich längst getan habe.

„Ich glaube nicht, dass er ein Idiot ist. Er hat Angst, dass du ihn als Mittel zum Zweck benutzt haben könntest."

„Lächerlich", brumme ich, auch wenn sie Recht hat, „wir haben viel durchgemacht, viel mehr, als manche in 10 Jahren Beziehung. Was erwartet er?"

„Naja, die Serpents bedeuten ihm so viel wie wir dir", sagt sie, „du wolltest auch, dass sie uns respektieren."

„Hier!", ich drücke meinen Zeigefinger durch den Stoff auf das Tattoo, „ich respektiere sie nicht nur, ich habe direkt einen Mitgliedsvertrag unterschrieben."

„Und das war unüberlegt und überstürzt", erinnert sie mich tadelnd, „und ich bin froh, dass du es halbwegs überstanden hast."

Halbwegs. Ein paar Kolerteralschäden musste ich in Kauf nehmen, aber als ich später am Tag auf die Southside zurückkehre und Jughead in die Arme laufe, fühlt es sich okay an.

„Na, woran arbeitest du jetzt wieder?", fragt er.

„Ich sollte langsam anfangen, Die nächste Schülerzeitung soll doch was besonderes werden", ich zwinkere ihm zu.

„Bitte bring nicht die ganze Stadt gegen dich auf."

„Ist heute der wir-trauen-Eden-alles-zu-Tag?", gebe ich genervt zurück, „was muss ich tun, damit ihr mir vertraut?"

Vielleicht hätte ich FPs Amt annehmen sollen, aber das ist nicht der richtige Weg. Ich finde, es zeugt von mehr Vertrauen und Verständnis, Jughead den Vortritt zu lassen. Es fühlt sich an, als würde ich dem richtigen Gesetz folgen.

„Was ist los?"

„Ich muss jetzt arbeiten", sage ich im Weggehen, „und ich werde hoffentlich niemanden gegen irgendwen aufbringen."

Ich schließe mich in meinem Zimmer ein und versuche, mich auf den Artikel zu konzentrieren. Angefangen von meinem wahnwitzigen Plan, mich als Undercoveragentin unter die Serpents zu mischen und Insiderinfos über den Drogenhandel in Riverdale und den Mord an Jason Blossom zu sammeln, was von vorneherein schief ging und sich in ungeahnte Richtungen entwickelte. Die Missstände der Southside High, unerwartete Freundschaften, der lange Weg zum erlösenen Video. Dann ein Absatz über meine Familiengeschichte und weshalb es so wichtig war, die Wahrheit zu finden. Und das Dave im Herzen ein guter Mensch ist, der nie wollte, dass ein Kind stirbt. Das wollte niemand außer Jasons eigener Vater. Ein Verbrechen, das weitaus mehr Opfer forderte. Der Prozess, der Autounfall, meine besondere Freundschaft zu Sweet Pea. Ich erwähne ihn nicht namentlch, aber sie müssen schon blind und taub sein, um nicht zu wissen, um wen es sich handelt. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Werk. Es ist schonungslos ehrlich und es ist traurig, aber es gibt auch Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Es gibt immer Hoffnung. Das ist im Endeffekt die Message, die ich rüberbringen will. Und ich will, dass allen bewusst wird, welchem Konstrukt Jason zum Opfer fiel und das das nie hätte passieren dürfen. Das wir alle ein bisschen offener und aufmerksamer sein müssen. Das wir aufeinander aufpassen sollten. Ein bisschen fühlt es sich so an, als würde ich es nur für Sweet Pea schreiben. Reiß dich zusammen, Eden, es geht hier nicht um eine Beziehung, zumindest nicht um eure. Das ist mehr als nur du und er.

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