„Du gehst nicht auf diese Beerdigung!"
Dave und ich sitzen beim Abendessen und ich stochere in meinem Tomatensalat herum. Diese Unterhaltung dreht sich seit einer Stunde im Kreis. Die Blossoms sind keine guten Menschen, du kanntest Jason gar nicht, du gehst nicht in dieses Haus. Wieso habe ich ihm überhaupt von Cherlys Bitte erzählt? Angesichts des Hasses, der mir entgegenschlägt, wundere ich mich noch mehr über Clifford Blossoms abendlichen Besuch, von dem Dave bisher nichts erwähnt hat. Was hatten sie so dringendes zu besprechen?
„Es ist seine Trauerfeier! Er ging auf meine Schule!"
„Das ist mein letztes Wort, Eden. Du wirst dieses Haus nicht betreten."
„Aus welchem Grund?", ich fordere eine Erklärung, wohlwissend, dass ich keine bekommen werde. Dave ähnelt meinem Vater, obwohl er der jüngere Bruder meiner Mutter ist. Mein Vater konnte auch nicht diskutieren. Das heißt, er wollte es einfach nicht. Ich musste mich an Regeln halten, die früher keinen Sinn ergaben. Im Nachhinein weiß ich, dass er mich nur schützen wollte, was angesichts der Tatsache, dass er sich selbst nicht schützen konnte, doppelt weh tut.
„Ich verbiete es dir."
Wie üblich ist die Sache für ihn damit erledigt. Ich räume meinen Teller ab und belasse es dabei. Wenn ich zu aufmüpfig werde, muss ich das nächste Wochenende bei den Coopers verbringen. Es hat ewig gedauert, bis ich allein im Haus bleiben durfte. Dieses Privileg aufs Spiel zu setzen wäre unklug. Ich muss strategisch vorgehen, um Dave nicht skeptisch zu machen. Am Ende findet er die Lederjacke in meinem Kleiderschrank, gut verstaut in einer rosa Schachtel, und dann bin ich wirklich in Erklärungsnot.
„Kann ich zu Archie?", frage ich, „wir müssen noch was für die Schule erledigen."
Ich werfe beiläufig einen Blick in den Terminkalender am Kühlschrank und stelle fest, dass Dave auch über das kommende Wochenende nicht zuhause sein wird. Das „nicht auf die Beerdigung gehen" beruht also auf Vertrauen. Ich hätte nicht davon anfangen und einfach hingehen sollen.
„Du bist vor Mitternacht wieder da", sagt er mahnend. Dank Jasons Tod ist Riverdale plötzlich voller besorgter Helikopter-Eltern. Ein Überwachungsstaat. Kein Mörder wäre so dumm, jetzt erneut zuzuschlagen. Alle sind wachsam, alle verdächtigen einander insgeheim und spähen hinter zugezogenen Gardinen die Nachbarn aus.
„Wie lange war ich nicht mehr hier?", ich strecke mich auf Archies Bett aus und ignoriere die Unordnung, obwohl es mich in den Fingern juckt, das Zimmer aufzuräumen. Archie rollt auf seinem Schreibtischstuhl zu mir herüber und legt die Beine aufs Bett.
„Willst du über etwas bestimmtes sprechen?", fragt er in bester Therapeuten-Manier. Ich verschränke die Hände unterm Kopf und überlege. Da gäbe es wohl genug, was ich ihm erzählen könnte, aber ich bin aus einem bestimmten Grund hier. Bettys deprimierende SMSen mitten in der Nacht nehmen langsam aber sicher Überhand. Sie befindet sich in einem Zwiespalt und zieht mich, solidarisch wie sie ist, mit in den Abgrund. Ich kenne mich mit Beziehungen nicht gut aus. Besonders nicht mit jenen, die nur einseitig existieren. Aber ich kenne meine Freunde.
„Ich bin wegen dir hier, Arch."
Er seufzt.
„Du solltest echt mal mit Betty reden, bevor es zwischen Veronica und dir zu ernst wird", bitte ich ihn, „ich finde, dass bist du ihr schuldig."
Und mir irgendwie auch. Seit Jahren höre ich mir die Schwärmerei an und bestärke sie darin, endlich mit offenen Karten zu spielen und plötzlich taucht Veronica auf und drückt den „Reset"-Button. Alles auf Anfang. Betty ist zu lieb, um Veronica darauf anzusprechen, aber ich bin es nicht. Trotzdem setze ich lieber zuerst bei Archie an.
„Ich rede mit ihr", verspricht Archie, „direkt morgen, okay?"
Ich nicke besänftigt. Kevin und ich werden gefordert sein, Betty zu trösten, aber besser, er reißt das Pflaster jetzt endgültig ab. Es wird ernst zwischen Veronica und ihm.
„Versprichs mir."
„Versprochen", bestätigt er, „was läuft da neuerdings zwischen Jughead und dir?"
Ich richte mich auf und bemühe mich um einen neutralen Gesichtsausdruck.
„Gar nichts, wieso?"
„Ihr giftet euch nicht mehr an, unterhaltet euch unter vier Augen ... wurde das Kriegsbeil begraben?"
„Wir haben einige Sachen für die Zeitung zu besprechen, mehr nicht", sage ich.
„Hat er auch gesagt", Archie klingt enttäuscht, „ich warte auf den Tag, an dem ihr erkennt, dass ihr eure Zeit verschwendet, indem ihr euch ignoriert. Ihr könntet gute Freunde werden."
„Das wird nicht passieren, Archie."
Lustig, dass wir auf die selbe Erklärung zurückgreifen, um Archie abzuwimmeln. Was verbindet uns sonst noch? Ein gemeinsamer Kochkurs? Filmrezensionen schreiben? Über Serienkiller diskutieren? Ja, es gäbe ein paar Dinge, mit der wir unsere Freizeit verbringen könnten, aber ich lege keinen Wert darauf, mit Jughead Jones durch die Bücherei zu streifen, um psychologische Werke zu wälzen.
„Du verhältst dich komisch in letzter Zeit."
„Was meinst du?", frage ich.
„Du zerbrichst dir über etwas den Kopf."
„Ich arbeite an etwas. Und die Jason-Sache lässt mir keine Ruhe", das stimmt. Ich grüble ständig darüber nach, wer als Mörder in Frage kommen könnte. Selbst FP steht auf der Liste der Verdächtigen. Ich kann niemanden ausschließen.
„Du kommst doch zu mir, wenn du Probleme hast, oder?"
„Welche Probleme sollte ich haben?", hake ich nach.
„Nach dem Artikel über das Autokino und der Aktion mit den Serpents ..."
„Ich habe ihnen gesagt, dass sie zu laut sind. Das ist keine Aktion, sondern mein gutes Recht."
Wenn er das schon für eine Aktion hält, dann habe ich ganz schön viel in Petto.
„Naja", er sieht das scheinbar anders, „ist es wegen der Sache mit Cheryl?"
„Meinst du die Antichrist-Sache oder die Ohrfeige?"
Ja, Cheryl und ich haben in den letzten Wochen mehr miteinander erlebt als in den ganzen Schuljahren zuvor. Scheint, als habe sie es auf mich abgesehen, aber ich glaube, sie hat vor allem Angst, dass ich über Jason und ihre Familie schreibe. Davon hält mich aber auch keine Ohrfeige ab. Sie sollte mir dankbar sein, dass ich als Einzige versuche, die Wahrheit zu finden. Ich sehe nirgendwo Polizisten, keine Fortschritte, nichts.
„Ich halte das aus", sage ich zuversichtlich, „sie braucht ein Ventil für ihre Wut und die Trauer. Wenn ihr ihr damit helfen kann, bitte."
„Zu gütig von dir."
„Betty hat mich wohl infiziert", achselzuckend sehe ich zum Fenster. Von hier aus hat man den perfekten Blick in ihr rosa Zimmer. Oh Betty. Ich wünschte, wir könnten über all das reden, was in den letzten Wochen geschehen ist. Aber das geht nicht. Noch nicht.
![](https://img.wattpad.com/cover/134759365-288-k473066.jpg)
DU LIEST GERADE
News Of The Day
FanficEden Jamerson geht auf die Riverdale High und arbeitet mit Jughead und Betty bei der "Blue & Gold". Als Jason Blossom ermordet aufgefunden wird, wittert Eden die große Story. Sie setzt alles daran, den Mörder zu finden und gerät auf eine falsche Spu...