Cheryl Bombshell

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Als ich aufwache, denke ich zwei süße Sekunden an nichts. Dann kehrt zu Erinnerung langsam zurück. Gemeinsam mit einem Schmerz an meiner Hüfte, der an einen riesigen blauen Fleck erinnert. Das Tattoo. Es ist passiert. Kein Traum. Es ist keine zwölf Stunden her, da stand ich halb nackt auf einer Bühne. Du bist jetzt eine von ihnen, Eden.

Während ich eine Banane in mein Mülsi schnipple, bemerke ich eine Bewegung auf der Veranda. Jughead drückt sich vor unserer Haustür rum und ringt offenbar damit, zu klingeln. Ich stelle die Schüssel auf den Tisch und öffne, bevor er es sich anders überlegen kann.

„Stehst du immer hinter der Tür?", er fasst sich theatralisch ans Herz.

„Ich dachte, ich nehme dir die Entscheidung ab. Komm rein."

Dave kommt für gewöhnlich erst am frühen Sonntagvormittag zurück. Das ich Besuch habe, würde ihn nicht stören, er würde sich nur darüber wundern, dass Jughead Jones in unserer Küche sitzt.

„Wie liefs?"

„Ich würde dir mein Tattoo ja zeigen, aber so nahe stehen wir uns nicht", ich lege meine Hand behutsam auf die schmerzende Stelle.

„Der Pulitzer-Preis ist dir sicher."

„Danke. Willst du was frühstücken?"

Er hebt die Augenbrauen.

„Zu Essen sage ich nie nein."

Ich stelle das Sammelsorium an Cornflakes auf den Tisch, reiche ihm Schale und Löffel und setze frischen Kaffee auf. Das wir in aller Eintracht beisammen sitzen, frühstücken und uns über die wichtigen Dinge des Lebens unterhalten ist neu.

„Dein Dad war nett zu mir."

„Können wir bitte nicht über ihn reden?", sagt er, „schlimm genug, dass er dich halb nackt gesehen hat."

„Kennst du Sweet Pea?", wechlse ich das Thema.

„Du meinst es wirklich verdammt ernst", stellt Jughead fest, „der Kerl aus dem Autokino, ja."

„Ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass sie dich nicht als Serpentsohn outen?"

„Sowas in der Art", sagt er, „hast du Sweet Pea zu deinem Informanten auserkoren?"

„Nein. Keine Ahnung, vielleicht. So weit sind wir noch nicht."

„So weit seid ihr noch nicht?", er runzelt die Stirn, „wie genau sieht dein Plan aus, Jamerson?"

„Er ist nett."

„Wenn du jetzt noch was mit einem von ihnen anfängst, muss ich Betty einweihen."

„Betty schickt mich ins Kloster."

„Das hier", Jug deutet mit seinem Löffel zuerst auf ihn und dann auf mich, „bleibt unter uns."


Zwei Tage später erwartet mich eine weniger freudige Überraschung in der Schule.

„Eden! Eine Minute", Cheryl lauert mir an meinem Spint auf und ich versuche, sie weitläufig zu umgehen, doch sie hängt sich an meine Fersen. Ich kehre um und gehe zu meinem Spint. Sie lässt nicht locker.

„Keine Minute."

„Ich muss mich bei dir entschuldigen, Eden", sagt sie. Cheryl Blossom entschuldigt sich bei niemandem. Und ich komme noch dahinter, bin das Schlusslicht der Nahrungskette. Hinter einer Entschuldigung steckt mehr als die Erkenntnis, dass man niemanden ohrfeigen sollte, von dem man bloß erwartet, dass er etwas Falsches tun wird.

„Ich verzichte."

Ich donnere die Spinttür ins Schloss und will gehen, aber sie stellt sich mir in den Weg. In ihren High Heels und dem roten Kleid, das wohl niemandem so steht wie ihr, würde sie auf jeden einschüchternd wirken. Ich werde nicht den Kopf senken und ihre Entschuldigung wie einen Segen empfangen.

„Ich wusste nicht, was ich tue", versichert sie mir, „Jason war mein Ein und Alles. Ich -"

„Ich weiß, okay? Jeder weiß das. Und es tut mir leid, dass er tot ist. Aber -"

„Kommst du zur Beerdigung?"

Im ersten Moment will ich ablehnen. Ich hasse Beerdigungen. Die meiner Eltern hat mir gereicht. Das Maß an Beerdigungen, die ich besuchen will, ist längst voll. Übervoll. Andererseits geht es hier um Jason und ich fühle mich ihm und der Wahrheit zu sehr verpflichtet, als das ich ablehnen könnte.

„Bitte!", ihre großen Augen füllen sich mit Tränen.

„Warum ich?"

„Du und deine Freunde. Betty Cooper, Archie Andrews, der Jones-Junge", sagt sie in flehendem Ton, „kommt alle. Bitte. Jason zu Ehren."

„Warum willst du uns dabei haben, Cheryl? Jason hat nie ein Wort mit uns gewechselt. Bis gestern konntest du uns alle nicht leiden."

„Ich möchte einfach nicht alleine sein", eröffnet sie mir. Cheryl ist nie wirklich alleine. Sie ist immer umgeben von einer Mädchenscharr. Das hier ist das erste Mal, dass ich sie ganz alleine erlebe. Bis auf das eine Mal, bei dem sie mich geohrfeigt hat. Aber ich verstehe, was sie meint.

„Okay. Von mir aus. Wir werden da sein."

„Am Samstag um zwölf auf Thornhill".

Sie dreht sich schwungvoll um und stolziert davon. Vielleicht ergibt sich dort die Gelegenheit, ein bisschen durchs Anwesen zu stöbern. Ihre Eltern werden damit beschäftigt sein, die Trauergäste zu begrüßen. Cheryl wird garantiert nicht sie selbst sein. Das könnte funktionieren.

Die anderen sind so überrumpelt wie ich. Wir standen Jason nicht besonders nahe. Die meisten von uns mochten ihn nicht und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Wir spielten nicht in seiner Liga.

„Ich habe ihn nie kennengelernt und soll jetzt auf seine Beerdigung gehen?", Veronica ist am verwirrtesten, „hat Cheryl keine Freundinnen, die ihr beistehen können?"

„Das ist doch alles nur Show", winkt Kevin ab, „sie beten sie an, aber würden sie sofort vom Thron stoßen, würden sie Schwäche wittern."

„Wir sollten hingehen", Betty, unsere gute Seele, ist sicher, „wir sollten sie an diesem schweren Tag unterstützen."

„Ich werde auf jeden Fall gehen", stimme ich ihr zu.

„Aber nicht, um sie zu unterstützen", fügt Jughead hinzu. Ich werfe ihm einen Blick zu.

„Ja, ich will mich umhören. Ich will wissen, was mit Jason passiert ist. Dennoch kann ich für Cheryl da sein, wenn sie mich braucht", gebe ich zu. Insgeheim brennen wir doch alle darauf, die Wahrheit zu erfahren. Archie schüttelt den Kopf.

„Ich halte das für keine gute Idee", sagt er, „die Blossoms sind unheimlich."

„Wir sind zu sechst", erwidere ich, „ich passe auf dich auf, Andrews."

Somit beschließen wir mehr oder weniger einstimmig, dass wir zur Beerdigung gehen werden. Vermutlich wird die halbe Schule dort sein. Einige um zu gaffen, andere aus aufrichtiger Trauer. Ein bisschen zerrt es an meinem Gewissen, das ich zur ersten Gruppe gehören werde. Alles für die Story. Alles für die Wahrheit.

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