Of All Girls

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„Eden Jamerson!"
Ich schrecke zusammen, als der Lichtkegel einer Taschenlampe mich trifft. Dahinter erscheint Alice Cooper, die sich mit schwungvollen Bewegungen durchs Gebüsch schlägt.


„Was zum Teufel machst du hier mitten in der Nacht?"
Sie leuchtet in Sweet Peas Richtung, der sich schützend die Hand vor die Augen hält. Ich würde gerne im Boden versinken, aber ich begnüge mich damit, mir die Schuhe zuzubinden und meinen dünnen dunkelgrünen Parka vom Boden aufzuheben.


„Betty sagte, dir ging es nicht gut und du bist früher nach hause gegangen", sagt Alice gereizt, „wir haben uns wirklich Sorgen gemacht."
Ich hätte Betty eine kurze SMS schreiben müssen, aber ich habe es vorgezogen, die Zweisamkeit nicht zu gefährden. Sie hätte mich gedeckt. Ich schlinge fröstlend die Arme um mich und sehe zu Sweet Pea, der mir einen entschuldigenden Blick zuwirft. So, als könne er irgendetwas dafür. Ich schüttle leicht den Kopf und schenke ihm ein Lächeln.


„Ich nehme dich mit nach hause", sagt Alice harsch und widmet sich dann Sweet Pea, „und auf dich wartet sicher auch jemand."
Ich weiß sofort, dass es nicht so ist. Das niemand auf ihn wartet, schon gekocht hat, ihn nach seinem Tag fragt. Er hat es mir selbst erzählt und ich denke nicht gerne darüber nach, weil es mich traurig macht. Und wütend. Er hätte etwas anderes verdient.
Wir folgen Alice in einigem Abstand zum Parkplatz und ich überwinde mich dazu, die Hand auszustrecken und sie in seine zu legen. Auch wenn es nur für ein paar Meter ist. Ein paar Schritte. Er drückt sie.


„Fahr vorsichtig", weist Alice ihn in mütterlicher Besorgtheit an, während ich ihm einen letzten Blick über Alice Wagen hinweg zuwerfe.


„Gute Nacht", sagt er bloß und setzt sich seinen Helm auf. Er startet den Motor und der Lärm zerreißt die nächtliche Stille, die im Wald viel lauter ist als in der Stadt.


„Steig ein."
Ich tue es. Viel lieber würde ich mich an Sweet Pea festklammern und mein Gesicht gegen seinen Rücken drücken. Die Kälte auf den Wangen spüren und nichts denken. Aber ich sinke in den Beifahrersitz, schnalle mich an und drehe das Radio leiser.


„Ich respektiere dein Privatleben", sagt Alice, als wir vom Parkplatz rollen. Ich dachte, sie würde sich mehr Zeit lassen. Mir mehr Zeit lassen. Ich sehe aus dem Fenster.


„Aber ich bin für dich verantwortlich und wenn du mitten in der Nacht mit einem Serpent -"


„Damit hat das nichts zutun!", widerspreche ich ihr, „du kennst ihn nicht, er ist ein netter Junge."


„Das habe ich nicht bezweifelt. Es geht mir darum, dass du ehrlich zu mir bist. Das ich weiß, wo du bist. Ich mache mir einfach Sorgen."


„Du musst dir keine Sorgen machen."
Ich sehe an mir herab. Mein Hemd ist falsch zugeknöpft und Wassertropfen glänzen auf meiner Haut. Was wäre wohl passiert, wenn Alice nicht gekommen wäre? Ich hätte ihn mit Sicherheit geküsst. Vielleicht hätte ich auch das gesagt, was ich eigentlich hatte sagen wollen. Ich hätte noch ein bisschen Zeit gebraucht.


„Ich weiß", sagt sie und lässt den Kopf kreisen, „ich war mal an deiner Stelle, Eden."

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