„Du machst es?", sein abfälliges Lachen gefällt mir nicht, „wer bist du?"
Ich verkneife mir ein zufriedenes Grinsen. Auf der Northside habe ich mir längst einen Namen gemacht. Auf der Southside beginnt der Siegeszug erst.
„Du hast mich angeworben", erinnere ich ihn trotzig, „jetzt leb damit."
„Oh, ich werde damit leben. Sehr gut sogar. In der ersten Reihe."Mein Augenrollen entlockt ihm ein kurzes Lachen. Ich mache das nicht, um ihm etwas zu beweisen. Ich kenne ihn gar nicht. Ich mache das, um Antworten auf meine Fragen zu bekommen. Hin und wieder erfordert ein Artikel eine lange Vorbereitungszeit. Eine Menge Arbeit. Das ist einer davon.
„Dein ... dieser Serpent hat doch gesagt, du sollst mich vorher rauslassen."Ich merke erst, dass wir in meine Straße einbiegen, als mir unser Vorgarten ins Auge fällt, der dringend mal wieder gemäht werden müsste.
„FP. Er ist der Boss. Und ich muss nicht alles tun, was er sagt", antwortet er mit einem gleichgültigen Achselzucken. Wir werden langsamer. Schon von Weitem sehe ich, dass in der Küche Licht brennt.
„Halt hier an", bitte ich ihn schnell, „mein Onkel ist schon zuhause."
„Du wohnst bei deinem Onkel?"Habe ich ja noch nie gehört. Ich würdige die Frage keiner Antwort. Je weniger er über mich weiß, desto mehr wird es ihn interessieren und desto mehr wird er von sich selbst preisgeben. Er hält an und ich steige aus dem Wagen. Er steigt ebenfalls aus.
„Was machst du?", frage ich leise, „du musst mich nicht bis zur Haustür bringen."„Ich bin ein Gentleman."
Ich verkneife mir ein spöttisches Grinsen, aber halte ihn nicht davon ab. Wir laufen auf das kleine renovierungsbedürftige Haus zu, in dem ich jetzt seit fast sieben Jahren lebe. Die Schatten in der Küche verraten mir, dass Dave nicht alleine ist. Vorsichtig schleiche ich unter das Fenster und erhasche einen kurzen Blick auf die zweite Person.
„Das ist Clifford Blossom", ich kann ihn zwar nur schemenhaft erkennen, aber die roten Haare sind eine Hilfe, „Jason Blossoms Vater."
Sweet Pea schweigt. Normalerweise würde mich das beunruhigen, aber viel mehr berunruhigt mich dieser Mann in unserer Küche. Er unterhält sich hitzig mit Dave, der wild gestikulierend antwortet.
„Ich verstehe nichts", nuschle ich enttäuscht, „ich muss wissen, worüber die beiden sich unterhalten."
„Musst du wirklich alles wissen?", raunt Sweet Pea dicht an meinem Ohr, „manche Dinge vergisst man lieber."„Überlass das mir", ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um besser ins Haus spähen zu können, aber Sweet Pea zieht mich unsanft zurück, indem er mich an der Jacke packt.
„Lass das! Sie sehen dich", zischt er.
„Was geht dich das an? Warum bist du überhaupt noch hier?"
„Scheinbar, um dich vor dummen Fehlern zu bewahren", antwortet er überzeugt, „geh rein, aber geh ihnen aus dem Weg."
„Warum?"
„Dein Fragenlimit ist für heute erreicht. Los."An jedem anderen Abend wäre ich nicht bereit gewesen, seiner Aufforderung ohne lange Diskussionen Folge zu leisten, aber ich spüre, dass es sein muss. Das ich mich in einer diffusen Gefahr befinde. Ich weiß nur nicht, von wem sie ausgeht.
Ich schleiche über die Veranda und schließe die Haustür so leise auf wie nur möglich. Bevor ich sie wieder schließe, sehe ich Sweet Pea noch einmal an. Ich kann seinen Blick genauso wenig deuten wie diesen ganzen Abend.
Erst, als ich in meinem Zimmer bin und den Schlüssel im Schloss gedreht habe, atme ich auf. Ich setze mich aufs Bett und versuche, all die neuen Informationen zu verarbeiten, die ich heute bekommen habe. Jugheads Vater ist der Serpent-Boss. Ich habe mich zum Strippen bereiterklärt, um eine von ihnen zu werden. Was für eine hirnrissige Idee. Clifford Blossom steht unten und diskutiert mit meinem Onkel. Alles ein bisschen viel. Ich setze meine Kopfhörer auf und drehe die Musik auf Anschlag. Ich muss dringend nachdenken.
Am nächsten Morgen bin ich wesentlich früher auf dem Weg zur Schule als sonst. Ich hole Betty und Archie ein, die seit Menschengedenken zusammen gehen und greife gierig nach dem Sandwich, das Archie mir vor die Nase hält.
„Habt ihr irgendetwas Neues von Jason gehört?", frage ich aufgeregt. Die beiden tauschen einen eindeutigen Blick.
„Wir sind nicht so auf dem Sherlock-Holmes-Trip wie du", sagt Archie, „wie laufen die Ermittlungen?"
„Ich ermittle nicht", sage ich mit gespielter Verletztheit, „wir sind mit ihm zur Schule gegangen. Ich finde, es ist nur natürlich, sich zu fragen, was mit ihm passiert ist."Betty lässt ihren blonden Zopf um ihre Fingerspitze kreisen. Bitte halt mir jetzt einen moralischen Vortrag, Betty, nicht auf nüchternen Magen.
„Cheryl tut mir leid. Sie hat ihn so sehr geliebt", seufzt sie, „ich hoffe, sie finden denjenigen, der es getan hat, schnell."
„Kommt ihr heute zum Spiel?", wechselt Archie schnell das Thema, „wir spielen Jason zu Ehren."
„Natürlich!", strahlt Betty. Jetzt ist es an mir, zu seufzen.
„Klar", sage ich. Aus der anderen Richtung sehe ich Jughead auf die Schule zulaufen. Seit meinem Cameoauftritt im Whyte Wyrm denke ich über seinen Dad nach. Niemand außer mir weiß, dass er der Serpentboss ist. Das muss ich mir irgendwie zu Nutze machen. Aber das ist nicht der richtige Zeitpunkt.
Die Schule wirkt wie ein anderer geisterhafter Ort. Vor Jasons Spint türmen sich Blumen und Kerzen, Teddys und Beileidskarten. Freunde hängen Fotos von ihm auf und ich starre lange auf ein Bild von ihm und seinem Footballteam. Er strahlt mir voller Stolz entgegen. Tut mir leid für dich, Jason. Ich würde so gerne wissen, was mit dir passiert ist.
Kevin kann mir keine Antworten geben, auch wenn er direkt an der Quelle sitzt.
„Dein Dad hat doch ein Arbeitszimmer", schmolle ich enttäuscht, „kannst du da nicht mal einen Blick reinwerfen?"
„Wir hatten das doch geklärt, Eden. Sowas mache ich nicht mehr."Damit ist die Sache für ihn erledigt. Wir hatten diese Diskussion wirklich schon mehr als einmal. Jedes Mal bettle ich um ein paar Minuten alleine im Arbeitszimmer und Kevin droht mir an, mich nie mehr in sein Haus zu lassen. Das ist es mir nicht wert.
Die Mittagspause verbringe ich ausnahmweise in der Redaktion. Nicht, weil ich etwas zu schreiben hätte, sondern weil ich die Stille brauche. Clifford Blossom in unserer Küche hat mich aus der Bahn geworfen. Das kann kein Zufall sein. Was hat er mit Dave zu tun?
„Hey! Oh, stören wir?"Betty und Veronica platzen in meine wirren Gedanken. Ich schüttle den Kopf.
„Nein, schon gut."Sie setzen sich auf die dreckig gelbe Couch, deren fleckiger Cordbezug bestimmt seit zwanzig Jahren keine Waschmaschine von innen gesehen hat. Ich rolle auf meinem Stuhl zu ihnen und drehe mich so, dass ich die Arme auf die Rückenlehne stützen kann.
„Was machst du hier so ganz alleine?", fragt Veronica interessiert.
„Nachdenken", antworte ich, „ich hatte keine Lust auf die Spekulationen und Verdächtigungen."
Jeder Unterricht hat sich heute insgeheim darum gedreht, wie Jason ermordet worden ist und viel wichtiger, von wem. Nicht nur einmal habe ich Anschuldigungen gegen die Serpents vernommen und Jug dabei beobachtet, wie er versuchte, es zu ignorieren. Jetzt macht plötzlich alles einen Sinn. Es ist etwas Persönliches.
„Wirklich schrecklich", Veronica streicht sich durchs Haar, „er sah echt gut aus."Was für ein unpassender Kommentar. Die beiden erzählen mir, dass sie von Cheryl zu einer Party eingeladen worden sind, die nach dem heutigen Spiel stattfinden soll, um ihren Bruder zu ehren.
„Und wir sollen dir ausrichten, dass du mitkommen darfst", fügt Betty hinzu.
„Perfekt!", erfreut klatsche ich in die Hände. Eine Fügung des Schicksals. Wenn ich schon auf dem Anwesen der Blossoms bin, kann ich mich dort vielleicht mal umsehen. Um sich in diesem riesigen Haus nicht zu verlaufen, braucht man vermutlich eine Karte, aber ich muss einfach wissen, was Clifford und Dave miteinander zu tun haben. Scheint, als sei es nicht nur etwas Persönliches für Jughead.
„Findet ihr es nicht merkwürdig, dass sie eine Party veranstaltet? Jasons Leiche wurde vor kaum einer Woche gefunden", murmelt Betty nachdenklich.
„Vielleicht will sie nicht alleine sein", antwortet Veronica, „jeder Mensch trauert anders."Sie sieht mich irgendwie entschuldigend an, was mich stört. Aber ich sage nichts. Nicht jeder kann gut damit umgehen, dass ich keine Eltern mehr habe. Teilweise sind die Leute betroffener als ich selbst. Mit den Jahren habe ich meinen Frieden damit geschlossen.
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News Of The Day
FanfictionEden Jamerson geht auf die Riverdale High und arbeitet mit Jughead und Betty bei der "Blue & Gold". Als Jason Blossom ermordet aufgefunden wird, wittert Eden die große Story. Sie setzt alles daran, den Mörder zu finden und gerät auf eine falsche Spu...