Feeling Down

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„Was machst du denn schon zuhause? Bist du krank?"
Dave sitzt an seinem Schreibtisch und dreht sich verwundert zu mir. Ich stehe mit hängenden Schultern da, zu schwach, um eine vernünftige Erklärung abzugeben. Ich bin nie krank. Und wenn, dann muss ich schon 40 Grad Fieber haben, um die Schule zu verlassen.


„Du siehst blass aus. Ist das dein Schlafanzug?"


„Kannst du mich bitte einfach nur in den Arm nehmen?", schluchze ich. Er wird wissen wollen, was los ist. Er wird nicht aufhören, zu fragen, ehe er eine befriedigende Antwort erhalten hat. Aber darum geht es jetzt noch nicht. Jetzt rollt er seinen Schreibtischstuhl bereitwillig zurück und umarmt mich.


„Ich glaube, ich habe mich irgendwo angesteckt", etwas Besseres fällt mir nicht ein.


„Ich mache dir meine weltberühmte Hühnersuppe und du legst dich ins Bett. Du hättest nicht in die Schule gehen sollen, du siehst wirklich nicht gesund aus."
Er glaubt mir. Fühlt meine Stirn und schickt mich ins Bett. Eingerollt in meine Decke brauche ich keine zehn Minuten, um tief und fest zu schlafen. Traumlos.
Ich werde erst wieder wach, als es an meine Zimmertür klopft. Ich setze mich auf. Nassgeschwitzt.


„Ja?"


„Besuch für dich", Dave tritt zur Seite und eine wirklich besorgte Betty erscheint hinter ihm.


„Ich lasse euch mal alleine", Dave tätschelt Betty im Weggehen freundlich die Schulter und sie setzt sich mit sorgenvoller Miene auf meine Bettkante.


„Gehts dir besser?", fragt sie. Ich antworte mit einem schwachen Achselzucken.


„Hat das was mit dem Jungen zutun? Der, mit dem du schreibst?"


„Ich bin krank."


„Ich kenne dich nicht erst seit gestern", widerspricht sie kopfschüttelnd, „du bist nicht krank. Dich bedrückt etwas."
Ich ziehe die Decke bis unters Kinn und drehe ihr den Rücken zu. Sie krault mir eine Weile stumm den Rücken. Schlimm, wenn man mit Hobbyermittlern befreundet ist, die einen auf hundert Meter durchschauen.


„Du kannst mir alles sagen."
Ich wünschte, das könnte ich. Aber ich stecke zu tief drin. Ich habe mich in einem Spinnennetz verfangen, nicht weit genug gedacht. Wie konnte das passieren? Normalerweise plane ich in alle Richtungen, ziehe sämtliche Eventualitäten in Betracht. Aber wie hätte ich damit rechnen können? Wieso hätte ich das tun sollen?
Ich würde ihr so gerne sagen, was ich getan habe. Ich würde nur zu gerne beichten. Aber ich sehe das Entsetzen in ihrem unschuldigen Gesicht jetzt schon. Die riesigengroßen runden Augen, angefüllt mit Angst und Ekel. Ich setze diese Freundschaft nicht aufs Spiel. Nicht für die Serpents! Ich habe es getan, jetzt muss ich auch damit klar kommen.


„Bleibst du heute nacht hier?", frage ich weinerlich.


„Nicht nur ich", eröffnet sie mir freudestrahlend, „Veronica kommt vorbei. Ich habe ihr gesagt, dass du Liebeskummer hast, weil mir nichts Besseres eingefallen ist. Und weil es, soweit wir wissen, ja auch stimmen könnte."


„Ich habe keinen Liebeskummer", bestreite ich kraftlos. Veronica und sie nähern sich jeden Tag ein Stückchen an. Wenigstens einer von uns geht in die richtige Richtung. Während sie unsere Freundesgruppe zusammenhalten, bin ich kurz davor, sie zu sprengen.


Veronica, Betty und ich sitzen mit unseren Schüsseln voller Suppe auf meinem Bett und löffeln vor uns hin. Dave hat eine halbe Apotheke auf meinem Nachttisch ausgebreitet und eine Jahresration an Taschentüchern bereit gelegt. Er ist hilflos, wenn ich krank bin. Wahrscheinlich ist er ganz froh über meinen Besuch.


„Kevin hat recht. Dein Onkel ist echt heiß", grinst Veronica.


„Wenn ich für diesen Kommentar jedes Mal einen Dollar bekommen würde, wäre ich mittlerweile reich", seufze ich.


„Denkt ihr, Jasons Mörder wird bald gefunden?", fragt Betty mit gedämpfter Stimme.


„Ich frage mich, ob wir ihn kennen", erwidert Veronica, „stellt euch mal vor es war jemand aus der Schule."


„Das glaube ich nicht", sage ich kopfschüttelnd.


„Du denkst, es hat was mit der Southside zutun", folgert Betty, „gibts dafür Beweise?"


„Die finde ich noch."
Ich habe das Ziel aus den Augen verloren. Zeitweise. Habe mich mehr auf Sweet Pea konzentriert als darauf, Beweise zu finden. Aber nach dem, was gestern passiert ist, muss ich ständig an Jason denken. Was, wenn er so gestorben ist? Wenn er sich auf Serpents eingelassen hat?


„Aber du bringst dich nicht in Gefahr", mahnt Betty ernst. Ich nicke.


„Ich bewundere deinen Ehrgeiz", Veronica nimmt uns die mittlerweile leeren Schüsseln aus der Hand und stellt sie neben Medikament- und Taschentücherstapel. Ehrgeiz. Würde man mich nach meinen drei signifikantesten Eigenschaften fragen, wäre Ehrgeiz nicht darunter. Aber es ist ein Kompliment. Ein ernst gemeintes.


„Es geht mir nur um die Wahrheit", wiegele ich verlegen ab, „ich will, dass die Leute wissen, in welcher Stadt sie leben. Und die Southside gehört zu Riverdale."


„Weißt du, was dein Dad aus dem Autokino machen wird?", hakt Betty nach. Veronica zuckt mit den Schultern.


„Keine Ahnung. Ich wusste nicht, dass er vor hat, hier zu investieren", sagt sie, „ich dachte, wenn er frei kommt, gehen wir zurück nach New York."
Das hätte Archie das Herz gebrochen. Und vielleicht würde sie mir auch ein bisschen fehlen. Sie ist ein Teil unserer Gruppe geworden, das arme reiche Mädchen, das fehlende Puzzleteil. Wir haben alle mehr oder weniger größere Probleme, die wir untereinander totdiskutieren oder totschweigen können. Das schätze ich so an ihnen. Sie sind bereit, zuzuhören, aber auch, stundenlang zu reden, damit ich meine eigene Stimme nicht hören muss.


„Schön, dass ihr bleibt", spricht Betty aus, was ich ich denke.


„Ich bin auch froh", Veronica greift nach unseren Händen und so sitzen wir eine Weile da. Froh darüber, uns zu haben.

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