Sweet Pea taucht nicht mehr auf. Dafür stattet Archie mir einen Besuch ab.
„Wir wurden unterbrochen", sagt er, in der Hand eine Tüte von Pop's. Ich lasse ihn rein und wir setzen uns auf den Boden zwischen Sofa und Couchtisch. Kratzige Teppichstoppeln kratzen über die Unterseite meiner Oberschenkel.
„Hast du dich schon entschieden?", fragt er.
„Nein", ich runzle die Stirn, „ja, wahrscheinlich schon. Ich habe Jug viel zu verdanken."
„Das ich diesen Satz ausgerechnet aus deinem Mund höre", erwidert er grinsend, „also lehnst du ab?"
„Ja. Ich gehöre nicht wirklich in diese Welt. Ich meine, ja, ich fühle mich wohl hier, aber das ist nicht meine Welt. Ich bin mit euch aufgewachsen und wäre all das nie passiert, wäre ich nicht hier."
„Willst du zurückkommen?", fragt er, „du kannst jederzeit bei uns wohnen."
„Nein, ich bleibe hier. Ich werde Jugs rechte Hand oder sowas."
„Langsam wirst du mir unheimlich."
„Alles hat sich geändert, Arch, Riverdale ist nicht mehr das, was es mal war und wir sind es auch nicht."
„Und ist das was Gutes?"
„Vielleicht", achselzuckend wende ich mich meinem Burger zu. Wir essen schweigend, aber ich bin froh, dass er sich nie abschütteln lässt. Archie ist nicht der Typ, der aufgibt. Aber er ist der Typ, der jede Entscheidung restlos akzeptiert und sie unterstützt. Hin und wieder fällt das auf ihn zurück und oft habe ich gehofft, er würde sich mehr Zeit zum nachdenken geben, aber letztlich bin ich froh, dass er da ist, wenn er da sein muss. Ein doppelter Boden, ein Sicherheitsnetz. Ich habe das Gefühl, dass wir uns in letzter Zeit etwas aus den Augen verloren haben, aber das ändert nichts an unserer Verbundenheit.
„Und wie geht's dir jetzt?", fragt er nach dem Essen.
„Naja, Sweet Pea wird enttäuscht sein, aber er wird es überleben. Und ich bin erleichtert. Irgendwie. Ich kann die Last im Moment nicht gebrauchen. Ich will mich wieder aufs Schreiben konzentrieren. Jemand muss der Welt sagen, was in dieser Stadt vor sich geht."
„Was ist mit Dave und FP? Schreibst du auch über sie?"
„Sie sind Teil der Geschichte."
„Was wird dein Onkel dazu sagen?", will er wissen.
„Naja, alles für die Wahrheit. Pressefreiheit."
Er wurde verurteilt und sitzt seine Strafe ab. Mehr kann man nicht verlangen. Diese Stadt ist voller Menschen, die Fehler begangen haben. Voller Geheimnisse. Ich habe mich ihnen verschrieben, will sie jagen und aufklären. Sie nach und nach ans Licht zerren. Ohne Rücksicht auf Verluste. Auf dem Weg hierher habe ich das das ein oder andere Mal vergessen, aber im Grunde geht es nicht anders. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Ich ziehe nur kurz in Erwägung, Jughead erst bei der Versammlung zu sagen, dass ich nicht gegen ihn antreten werde, aber ich halte das eisige Schweigen nicht weiter aus. Ich warte an seinem Spint auf ihm. Er verdreht die Augen, als er mich sieht, dreht aber nicht auf halber Strecke um. Das wäre lächerlich.
„Lauerst du mir jetzt ständig auf?"
„Ich mache es nicht."
„Du machst was nicht?", hakt er nach. Da will mich jemand über heiße Kohlen laufen lassen. Bitte. Ich spiele das Spiel mit.
„Ich werde sie nicht anführen. Ich will, dass du das machst."
„Wieso?"
„Weil es richtig ist", sage ich, „die einzig richtige Entscheidung, die ich in letzter Zeit getroffen habe."
„Du bist so dramatisch", er grinst mich an, „hast du kalte Füße bekommen?"
„Teste mich nicht", erwidere ich, „du wirst das gut machen. Besser als ich. Und dein Dad kommt vor Dave aus dem Knast, danach läuft alles wieder in einigermaßen normalen Bahnen."
Denn es ist sicherlich nicht normal, dass ein Teenager eine Motorradgang anführt. Was ist schon normal?
„Wehe, du versaust es", ich kneife die Augen zusammen und fixiere ihn eindringlich, „ich behalte dich im Auge, Jones."
Er ist FP Jones Sohn. Er macht das schon.
„Weiß dein Freund von deinem Rückzug?"
„Er wird damit klarkommen."
„Er ist für seine Toleranz bekannt."
„So schlimm ist er nicht", versichere ich Jughead, aber wir beide wissen, dass er nicht begeistert sein wird. Insgeheim vermute ich, dass er eifersüchtig auf jede Minute ist, die ich mit Jughead verbringe. Dabei sehe ich ihn eher als einen großen Bruder, den ich die meiste Zeit unseres Lebens nicht leiden konnte.
Ich habe erst in der Pause die Möglichkeit, mit Sweet Pea zu reden. Ich könnte ihn um ein Vier-Augen-Gespräch bitten, aber ich fühle mich im Schutz meiner Freunde sicherer. Das die meisten von ihnen gar nichts von meinen aberwitzigen Plänen gewusst haben, ist jetzt auch egal.
„Ich überlasse es Jug", sage ich. Aus dem Kontext gegriffen können Kevin, Betty und Veronica nur mit verwirrten Gesichtern reagieren, während Archie mir bekräftigend zunickt.
„Okay?", Sweet Peas Brauen ziehen sich düster zusammen.
„Was überlässt du ihm?", hakt Betty nach.
„Die Führung der Serpents", antwortet Archie an meiner Stelle.
„Was?", Kevin legt sein Handy zur Seite, um dem Gespräch aufmerksamer zu folgen.
„Sollen wir uns vielleicht in einen Stuhlkreis setzen und das besprechen?", fragt Sweet Pea genervt, „ich denke nicht, dass ihr betroffen seid."
„Jughead und Eden sind quasi Familie", widerspricht Archie, „ich glaube schon, dass uns das was angeht."
Dich geht doch alles etwas an, Archie. Nicht, dass ich ihm nicht zustimme. Ich bezeichne sie ja selbst als meine Familie. Jug und ich sind eben die abtrünnigen Sprosse der Northsider.
„Wieso solltest du eine Gang anführen?", fragt Betty verwundert, „wieso sollte das überhaupt ein Kind tun?"
„FP sitzt im Knast, jemand muss seine Aufgaben übernehmen. Zumindest, bis er wiederkommt."
„Jemand in seinem Alter, der nicht erst seit gestern ein Serpent ist?", schlägt Kevin vor, „ich wusste nicht, dass es dir so ernst ist."
Ich wünschte, er würde Sweet Pea nicht provozieren. Er merkt gar nicht, dass er das tut, aber ich sehe Sweet Pea an, dass er mit dem Gedanken spielt, sich auf Kevin zu stürzen. An der gegenseitigen Akzeptanz und dem nötigen Respekt müssen wir noch arbeiten, aber wir sind kaum ein Jahr zusammen auf einer Schule.
„Das soll keine Diskussion werden", sage ich entschieden, „ich machs nicht, okay? Hakt es ab."
Ich bediene mich an Bettys Thunfischsandwich und suche nach einem unverfänglicheren Thema. Als gäbe es eines. Aus dem Augenwinkel sehe ich Cheryl. Ich frage mich, ob sie längst meine vollständige Auslöschung plant. Oder ob es ausreicht, dass ich ihr quasi das Leben gerettet habe. Um mich herum herrscht betretenes Schweigen. Sie tun so, als hätte ich verkündet, die Stadt zu verlassen oder etwas ähnlich einschneidendes, dabei könnten sie sich ja freuen, dass ich so an meinen Werten festhalte.
„Okay", ich sehe auf und in fragende Gesichter, „ich gehe in die Redaktion. Ich muss noch einen Artikel für die neue Ausgabe schreiben."
„Einen Insidejob?", fragt Kevin mit leuchtenden Augen, „behind the scenes?"
Sweet Pea wirft mir einen Blick zu, den ich nicht deuten kann.
„Nein", sage ich. So schließt sich der Kreis. Im Endeffekt ist es ein Insidejob und ich werde alles preisgeben, was ich so hart erkämpft habe. Die Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren, was passiert ist. Und weshalb es passiert ist. Die Wahrheit geht vor.
![](https://img.wattpad.com/cover/134759365-288-k473066.jpg)
DU LIEST GERADE
News Of The Day
FanficEden Jamerson geht auf die Riverdale High und arbeitet mit Jughead und Betty bei der "Blue & Gold". Als Jason Blossom ermordet aufgefunden wird, wittert Eden die große Story. Sie setzt alles daran, den Mörder zu finden und gerät auf eine falsche Spu...