Years Ago

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Im Morgengrauen verschwindet er. Ich bin nur halb wach und beobachte, wie sein Schatten umherläuft. Er beugt sich zu mir herunter, drückt mir einen sanften Kuss auf die Stirn und schleicht sich dann aus dem Haus. Ich wälze mich auf den Bauch und presse mein Gesicht ins Kissen. Das flaue Gefühl in der Magengegend nimmt von Minute zu Minute mehr zu.
Um sieben Uhr klingelt mein Wecker. Ich genehmige mir eine kurze Dusche, stecke mir die Haare hoch und schlüpfe in die schwarze Bluse und eine enge Jeans. Alice zwingt mich zu einem kleinen Frühstück, das ich herunterwürge und mit einem halben Liter Kaffee herunterspüle. Schwarzer Tee ist nicht stark genug für diesen Tag.


Sie sind alle da. Cheryl. Ihre Mutter. FP. Dave. Sweet Pea. Toni. Und die Presse. In Riverdale gab es seit Jahrzehnten keinen so aufsehenerregenden Prozess. Die Zeitungen und Nachrichten werden voll damit sein. Ich wünschte, wir wären nicht Teil davon, sondern höchstens neugierige Zuschauer. Ich sitze zwischen Jug und Archie und versuche, Zuversichtlichkeit auszustrahlen. Ich bin zwischen ihnen eingemauert. Der Moment, in dem sie Dave und FP hereinführen, ist der Moment, in dem ich entgültig realisiere, dass es passiert. Das es jetzt losgeht. Dave sieht furchtbar aus. Er ist dünner geworden und die Augenringe könnte ich aus 500 Metern Entfernung erkennen. Wir schlafen wohl beide nicht gut.



Der von Betty ausgearbeitete Plan sieht vor, dass Archie heute und morgen dabei ist und Betty und Veronica die nächsten beiden Tage übernehmen. Und dann kommt, wie er es selbst formuliert, Kevins „großer Tag". Sie hat sich wirklich Gedanken darüber gemacht, wie sie uns am besten unterstützen können, aber ich fühle mich dennoch alleine. Keiner von ihnen muss eine Aussage machen. Keiner von ihnen wird befragt. Sie sind mein emotionaler Rückhalt, aber ich werde alleine dort oben sitzen und Fragen beantworten.
Der Montag ist gefüllt mit Fakten. Eine Beschreibung des Tathergangs, der nicht nur mir die Tränen in die Augen treibt. Jedes einzelne Gesicht, in das ich blicke, sieht schockiert und mitgenommen aus. Getroffen. Jason Blossom wurde hingerichtet. Hineingezogen in einen Strudel aus Kriminalität und dem unbrechbaren Wunsch, nicht so zu werden wie seine Eltern. Er wollte etwas Besseres. Und er hätte es verdient. Das Eröffnungsplädoyer des Anwalts, der die Blossoms vertritt, ist ohne Zweifel darauf ausgelegt, uns all das in Erinnerung zu rufen. Mitleid zu haben, das kaum zu ertragen ist. Ich sehe in die starren Gesichter meiner Freunde. Ihre Augen glänzen glasig. Archie wischt sich verstohlen übers Gesicht. Ich blicke zu Sweet Pea, der mit hängenden Schultern dasitzt und zu Boden schaut. Dann heftet sich mein Blick wieder an Daves Rücken, wo er den Rest des Verhandlungstages verweilt.


Dienstag ist der Tag, an dem es ernst für mich wird. Und an dem ich einen bühnenreifen Nervenzusammenbruch bekomme, bevor ich überhaupt den Zeugenstand betreten habe.


„Ich schaffe das nicht!", die Erkenntnis trifft mich selbst am härtesten. Wie eine Faust in die Magengegend. Ich schaffe das nicht.


„Du schaffst das", widerspricht mir Archie und nimmt mich in den Arm. Ich komme mir in seiner Umarmung vor wie in einer sicheren Höhle. Ich drücke mich fest an ihn. Archie streicht mir über den Rücken und legt seinen Kopf auf meinen.


„Du kannst das. Du bist stark."
Nein, bin ich nicht. Aber schön, dass er nach all der Zeit immernoch so an mich glaubt. Ich bin ein Mensch, der weint, wenn er wütend ist. Der nicht cool und bestimmt auftreten kann. Ich werde mich versprechen und rumheulen und am Ende bin ich keine glaubwürdige Zeugin von irgendetwas.


„Ich will aber nicht."


„Du kannst Dave helfen. Du bist die Einzige, die das kann, Eden", erinnert er mich unnötigerweise, „antworte einfach auf die Fragen und guck zu uns. Wir sind da."
Ich habe keine Wahl. Wie so oft in letzter Zeit wurde die Entscheidung bereits für mich getroffen.

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