Sorry

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„Jemand zuhause?"

„Ich bin hier. Komm bitte rein, Eden."

Mit mulmigen Gefühl betrete ich das Wohnzimmer. Das ist der Tag. Der Tag, an dem mein Onkel alles herausgefunden hat. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass gleich die Hölle losbrechen wird und ich mich mittendrin befinde. Es wird passieren. 

„Was gibt's?", frage ich zögernd. 

„Setz dich."

Dave nimmt auf der Couch Platz und nickt in Richtung Sessel. Ah, ein Verhör. Ich lasse mich darauf sinken und weiß nicht recht, in welcher Position ich sitzen soll. Ich bin nervös. Wir könnten das ernste Gespräch abhaken und gleich zu den Bestrafungen übergehen.

„Bitte versuch nicht, mir etwas vorzumachen", sagt er streng, „ich weiß, wann du lügst."

Ja, tut mir leid, dir die Illusion zu rauben, aber das stimmt nicht. Aber ich lasse ihn gerne in dem Glauben und nicke artig.

„Dein Direktor hat mich telefonisch darüber informiert, dass du nicht mehr für die Schülerzeitung schreibst."

Ich nicke verhalten. Mr Weatherbee muss mich wirklich abgrundtief hassen. Warum muss er das mit Dave besprechen?

„Die Southside Serpents gehen neuerdings auf die Riverdale High. Und du sollst eine von ihnen sein."

Dieses Gespräch werde ich  auf keinen Fall ohne Tränen überstehen. 

„Es ist also wahr."

Ich nicke mit gesenktem Kopf.

„Ist es, weil ich nie zuhause bin?", fragt er, „fühlst du dich einsam?"

Ich kann seine sorgenvolle Miene kaum ertragen.

„Es tut mir leid!", schreie ich und Speicheltröpfchen fliegen durch die Luft, „es hat wirklich nichts mit dir zu tun."

„Warum hast du es dann getan?"

„Ich ...", ich muss ihn anlügen. Und damit es glaubhaft klingt, muss ich auf eine Lüge zurückgreifen, die uns beiden weh tut.

„Ich hatte Angst", sage ich, „Jason Blossom wurde ermordet und ich bin nachts oft alleine. Ich ... wollte mich nur sicher fühlen."

Treffer versenkt. 

„Es tut mir leid", murmle ich niedergeschlagen. Ich meine es ernst. Ich erinnere mich an die Anfangszeit, in der Dave mit mir heillos überfordert war und den Tod seiner Schwester verkaften musste. Niemand kann einen jemals auf soetwas vorbereiten. Niemand.

„Ist noch irgendetwas vorgefallen? Außer Jasons Tod?"

Cliff Blossom war hier und hat mich bedroht. Es liegt mir auf der Zunge. Aber weil ich mich an ihr Gespräch in unserer Küche erinnere und Dave auf keinen Fall in Gefahr bringen will, schüttle ich den Kopf. Dave atmet geräuschvoll aus.

„Ich gehe davon aus, dass das nicht rückgängig zu machen ist", sagt er angespannt, „aber ich will, dass du dich von der Southside fernhältst."

Da sie Southside jeden Tag im Unterricht hinter mir sitzt, wird das schwer, aber ihm zu widersprechen würde es nur schlimmer machen. Das ist alles? Ich kann es nicht rückgängig machen, deshalb soll ich Abstand halten? Wirklich?

„Okay."

„Und ich will, dass du mit mir redest. Mir von deinem Tag erzählst."

Ich hatte mit einem komplett anderen, sehr viel lauteren Gespräch gerechnet. Das hier hat etwas von Therapie.

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