Die Stimmung zwischen uns ist komisch, aber ich genieße es dennoch, mit ihm alleine zu sein. Früher oder später wird er wieder über Cheryl reden und ich werde zuhören und wir werden uns beide fragen, was das soll.
„Tuts sehr weh?", fragt er und sieht auf meine Hand, auf der ich einen Beutel gefrorene Möhren platziert habe. Der Anblick macht mich traurig. Dave hat sie in die Gefriertruhe gepackt und dort vergessen. Es ist Monate her. Er hat sie unnötigerweise beschriftet und mit Datum versehen und ich streiche mit dem Finger über seine unverkennbare Handschrift.
„Geht so", murmle ich, „warum macht ihr sowas andauernd? Hat sich angefühlt, als hätte ich mir die Hand gebrochen."
Er beantwortet mir meine Frage nicht. Wahrscheinlich, weil es keine vernünftige Antwort darauf gibt. Man tut es einfach. Ich habe es heute am eigenen Leib erfahren. Ich strecke mich auf meinem Bett aus und Sweet Pea, der sich ans Fußende gesetzt hat, lässt sich ebenfalls nach hinten sinken und starrt, die Hände hinterm Kopf verschränkt, die Decke an. Mein Zimmer riecht nicht mehr nach mir. Es fühlt sich nicht mehr nach mir an.
Wir verharren eine Weile in unseren Denkerpositionen und ich könnte auf der Stelle einschlafen und wer weiß wann wieder aufwachen. Doch ich wage lieber einen zweiten Versuch in Sachen ernstes Gespräch.
„Ich habe das Gefühl, dich schon ewig zu kennen", setze ich an, „nicht mal an Zeit gemessen."
Weshalb auch immer ich jetzt in philosophische Tiefen abdrifte, Sweet Pea stört sich nicht daran. Ist mal ganz gut, die Oberfläche eine Zeit lang zu verlassen und im Trüben zu fischen.
„Liegt vielleicht daran, dass wir uns ziemlich ähnlich sind", erwidert er und sieht mich so durchdringend an, dass ich wegsehen muss. Jeder Unwissende würde das für einen wütenden Blick halten, aber das ist keine Wut. Das ist hohe Intensität.
„Das sind wir, oder?", ich lächle, „besonders in den schlechten Eigenschaften."
„Interpretationssache", sagt er.
„Fang jetzt keine Diskussion an", bitte ich ihn, „das letzte Mal, das wir uns ernsthaft unterhalten haben, endete damit, dass du einfach nicht mehr da warst."
Ich erinnere ihn nicht gerne daran. Weil ich selbst nicht gerne darüber nachdenke. Allerdings hat sein Auftritt nichts an meiner Meinung geändert. Ich halte ihn für einen guten Menschen, der zu sehr damit beschäftigt ist, seine Fehler zu suchen, als das er das jemals erkennen könnte. Ich werde es ihm nicht erneut sagen.
„Jughead passt besser zu dir."
Wow. Mit dieser vollkommen frei erfundenden Erkenntnis habe ich nicht gerechnet. Will er mich testen? Ich setze mich auf und verschränke die Arme vor dem Bauch.
„Jughead passt besser zu mir?", wiederhole ich ungläubig, „schön, dass du das so siehst."
Er setzt sich ebenfalls auf. Ungelenker als ich.
„Wir sind nicht zusammen."
„Ich weiß, dass ihr das nicht seid", sagt er. Worüber reden wir dann hier?
„Er heitert mich auf, okay? Er versteht mich. Wir machen das selbe durch", es hört sich an, als würde ich mich um Kopf und Kragen reden. Ich rechne fast damit, dass er sofort aufspringt und mich sitzen lässt, aber er lehnt sich nur auf seinen Arm und blickt mich an.
„Ich bin ein Idiot."
„Hör auf, sowas zu sagen!", flehe ich wütend, „ich hasse das! Du bist kein Idiot und eigentlich weißt du das auch, du willst es nur nicht zulassen! Weißt du, wie wütend mich das macht?"
Wir haben beide nicht mit diesem Gefühlsausbruch gerechnet.„Du hältst dich auch nicht für eine von den Guten", erwidert er. Ich knirsche mit den Zähnen.
„Dann sind wir eben beide Idioten", schlage ich vor, „wie wärs damit?"
Ich kann sehen, dass er sich ein Grinsen verkneift. Ich habe meine Gesichtsmuskeln nicht derart gut unter Kontrolle und breche ich alberndes Gelächter aus. Dann sind wir eben beide Idioten. Auch okay. Niemand auf dieser Welt ist perfekt und es ist lächerlich, es überhaupt versuchen zu wollen. Man sollte sein Bestes tun, ein guter Mensch zu sein, aber man muss es nicht übertreiben.
„Von mir aus", sagt er.
„Lass uns was unternehmen."
„Und was?"
Seltsamerweise habe ich wirklich eine Idee. Ich bin zwar spontan, aber manchmal überrasche ich mich noch selbst.
Stunden später sind wir am „See". An dem gleichen Ort, an dem wir Cheryls eisigen Körper aus dem Wasser gefischt haben. Ich zögere nicht, aus meinen Klamotten zu schlüpfen und ins Wasser zu laufen, obwohl es mich beunruhigt, den Boden nicht sehen zu können. Oder überhaupt irgendetwas. Gut, dass er im Dunklen nicht viel erkennen kann. Ich schäme mich nicht für meine Nacktheit, sondern für meine unfassbar hässliche Unterwäsche. Ich hätte heute morgen eine bessere Entscheidung treffen können, aber da wusste ich auch noch nicht, dass ich Reggie ins Gesicht schlage und mit Sweet Pea baden gehe. Nachts.
Ich entferne mich schwimmend von ihm. Kräftige Züge durchs kalte Wasser, dass meinen Körper betäubt und gleichzeitig zum Kribbeln bringt. Als ich mich umdrehe, kann ich gerade so erkennen, dass er knapp hinter mir ist. Ich spritze ihm Wasser entgegen.
„Wir sind uns wirklich ziemlich ähnlich."
Ich schaffe es, mich auf dem Rücken treiben zu lassen, zu angespannt, um zu tief zu atmen. Das dunkle Wasser um mich herum macht mir eigentlich Angst, aber ich muss nur die Hand ausstrecken und Sweet Pea ist da. Alles über mir ist genau so schwarz wie alles unter mir. Es ist nicht nur beängstigend, sondern irgendwie beruhigend.
Er streift sich sein Shirt über und es klebt an seiner nassen Haut. Okay. Vielleicht solltest du nicht so sehr darauf starren, Eden, sondern dein Flannellhemd zuknöpfen, das aussieht, als hätte Jug es bei dir vergessen.
„Der Sommer ist vorbei", er streckt sich und ich fummle an den kleinen schwarzen Knöpfchen herum, die mir immer durch die Finger flutschen.
„Ich hätte dich aufheitern sollen."
Wieder ein Satz, der aus dem Nichts kommt. Er hat meine Aussage falsch aufgefasst und jetzt ist die Stimmung kaputt. Ganz sicher. Das kann ich nicht mehr mit einem lockeren Spruch retten. Ich meine, ich habe nicht mal vor, es zu versuchen.
„Du bist immer für mich da", ich ekle mich selbst vor meinen Worten, „das weiß ich. Und du hast uns wirklich geholfen."
Uns. Kein guter Moment für dieses Wort. Uns. Wen beinhaltet das? Jug und mich? Vielleicht. Niemand wird mich zwingen, das genauer zu definieren. Er hat etwas anderes erwartet. Etwas, dass mehr nach mir und weniger unaufrichtig klingt. Aber ich kann nichts anderes sagen. Ich schlüpfe in meine Jeans, die sich komisch anfühlt, und taste den Sand nach meinen Schuhen ab. Plötzlich habe ich Angst. Angst davor, auszublicken und er ist weg. Also richte ich mich hastig auf und stelle fest, dass er sich gar nicht bewegt hat. Er streicht sich seine nassen Haare zurück. Ich kann mir ein schweres Seufzen nicht verkneifen.
„Siehst du, ich bin eine Idiotin. Ich kann sowas einfach nicht. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Dabei sollte es doch viel einfacher sein, oder? In Filmen und Büchern ist das immer alles viel einfacher. Ich ..."
Mich trennt nur ein Satz von der Wahrheit und sie auszusprechen wäre vermutlich befreiend, aber wie mit so vielen Dingen, die man sagen sollte, ... kann ich es nicht.

DU LIEST GERADE
News Of The Day
FanfictionEden Jamerson geht auf die Riverdale High und arbeitet mit Jughead und Betty bei der "Blue & Gold". Als Jason Blossom ermordet aufgefunden wird, wittert Eden die große Story. Sie setzt alles daran, den Mörder zu finden und gerät auf eine falsche Spu...