News Of The Day

The Good Girl

Bei den Blossoms zu übernachten ist die perfekte, und möglicherweise letzte, Gelegenheit, sich auf Thornhill umzusehen. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass ich nicht darauf eingehe. Veronica dient als Alibi. Alle schlafen bei ihr, warum sollte ich nicht auch dort sein?
Cheryl erwartet mich am Ende der ewig langen Einfahrt und nimmt mir meine Tasche ab.

„Schön, dass du da bist", sagt sie. Sie klingt, als habe sie das auswendig gelernt. Ich versuche, nicht nervös zu wirken, aber als die massive Eingangstür sich hinter uns schließt, läuft mir ein Schauer über den Rücken. Augen zu und durch, Eden. Einen Rückzieher zu machen wäre schlecht für deinen Ruf. Und für die Ermittlungen.

„Mein Zimmer kennst du ja schon", sagt sie, „ich brauchte eine neue Matratze, nachdem ich von Mami erfahren habe, dass der hobo und du euch hier vergnügt habt."
Haben wir nicht, will ich sagen. Das war alles andere als Vergnügen. Das war der peinlichste Moment meines Lebens. Dagegen war der Serpent Dance ein schöner Wochenendausflug.

„Sorry", murmle ich verlegen.

„Du scheinst dich von beklagenswerten Männern angezogen zu fühlen", stellt sie fest, „wenn man sie denn so nennen kann."

„Kann schon sein", ich spiele mit, weil ich keine Wahl habe. Normalerweise würde ich mich aufregen und verschwinden, aber ich habe den leisen Verdacht, dass sie mich tatsächlich gerne hier haben will.

„Es gibt gleich Abendessen", verkündet sie und wirft meine Tasche auf einen Sessel.

„Mit deinen Eltern?", ich spüre einen dicken Kloß im Hals.

„Natürlich mit meinen Eltern!", sie sieht mich an als sei ich schwer von Begriff. Na super. Ein Abendessen mit allen Blossoms hat mir gerade noch gefehlt. Immer positiv denken. Vielleicht hat Clifford Blossom ja schon vergessen, dass er mich bedroht hat. Und das ich mich von seiner Familie fernhalten soll. Oder es besänftigt sie, dass ich nicht für mehr die Schülerzeitung schreibe. Mir fällt schon etwas ein.

„Du bist Familienessen sicher nicht gewöhnt", sagt Cheryl kühl, „dein Onkel ist oft unterwegs, oder nicht?"

„Woher weißt du das?", frage ich verwirrt. Sie antwortet mit einem gelangweilten Schulternzucken. Ich bin froh, dass Dave so oft weg ist. Er weiß immernoch nicht, dass ich eine Serpent bin. Es scheint, als habe das die Schule noch nicht verlassen. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit, dass weiß ich selbst, aber ich kann es ihm nicht von mir aus sagen. Er wäre so verdammt enttäuscht.

Mit den Blossoms an einem Tisch zu setzen ist unangenehmer, als ich es mir je hätte ausmalen können. Der Tisch ist viel zu groß für vier Personen und Mr und Mrs Blossom sitzen jeweils an den Kopfenden, während wir in der Mitte sitzen und in unserem Essen herumstochern. Ich kann nicht erkennen, was es ist, aber ich weiß,dass ich es nicht essen werde. Seit ich für den Bruchteil einer Sekunde darüber nachdenken musste, ob sie mich vergiften würde, habe ich sogar Angst, aus meinem Glas zu trinken.

„Schön, dass Jasons Platz nicht mehr leer ist", sagt Cheryl freudig. Ich sehe gequält auf. Das macht es nur noch befremdlicher.