Kapitel (71)

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; "Ist die Vergangenheit etwas, was man hegen oder doch lieber zurücklassen sollte?"

15. März, 1862

"Kommst du, Jimin? Das Essen ist gleich fertig", bat meine Mutter liebevoll, woraufhin ich nur stumm nickte. "Ich bin wirklich froh über deine Rückkehr. Und wenn dein Vater morgen zurück kommt, wird auch er das sein. Bitte hau nie wieder ab."

"Das werde ich nicht, versprochen", versicherte ich ihr ruhig.

Kaum hatte ich ihre immer weiter entfernten Schritte in meinem Gehör vernommen, setzte ich mich sofort wieder auf um vor lauter Zweifel mein Gesicht in meine Hände zu vergraben.

Ich mochte es hier nicht. Nicht mehr. Der dunkle Raum in dem ich mich befand entsprach metaphorisch meiner Welt: schwarz und weiß, farblos, verblassen. All jene Farbe, die einst in meinem Leben existierten hinterließ ich bei Yoongi.

Und dort würden sie auch immer bleiben.

Ein kaum hörbares Knarren entstand zu meiner Rechten, welches mich kurz aufzucken ließ. Mein Blick landete eventuell auf einem rothaarigen Jungen, welcher mich undefiniert musterte. Haechan, mein Bruder.

Mit einem sanften Lächeln hieß ich ihn willkommen, erwartete dabei nach Hoseoks Erzählungen eine warme, offene Begrüßung, doch anstelle von dieser wurde ich mit kalten Augen empfangen.

Keiner getraute sich etwas zu sagen und mit der Zeit fühlte auch ich mich ziemlich unwohl. Zögerlich bewegte ich meine Lippen mit dem Bedacht Haechan anzusprechen, doch Worte verließen meinen Mund dabei allerdings nicht.

"Hattest du eine schöne Zeit?", brachte er irgendwann gequält heraus. "War es toll uns alle im Stich gelassen zu haben, während du Sklave für diesen Nichtsnutz von Prinzen gespielt hast?"

"Haechan", warnte ich bittend. "So ist das nicht, bitte verstehe das nicht falsch."

"Nein, ist schon gut, ich habe es ganz genau verstanden. Ob es sein musste ist eine andere Frage."

Seufzend kratzte ich mich an meinem Haaransatz, versuchte die passenden Formulieren zu finden, jedoch war mein Verstand mittlerweile ganz woanders.

"Du bist noch zu jung dafür, du würdest das nicht-"

"Ich bin deiner Meinung nach immer zu jung für alles! Für jeden bin ich zu jung! Immer muss ich in Schutz genommen werden, was soll das eigentlich?"

"Ich kann dir nicht erklären, wie-"

"Auch ich kann es mir nicht erklären, Jimin", unterbrach er mich ein weiteres Mal ernst. "Aber wenn ich etwas verstehe, dann ist es die Tatsache, dass du ein elender Feigling bist. Du rennst immer nur vor deinen Problemen weg, anstatt dich ihnen gegenüber zustellen."

"Haechan, ich bitte dich."

"Und dann nistest du dich auch noch bei der Königsfamilie ein, lässt es dir dort gutgehen, während Vater und Mutter sich alltäglich sorgen machen müssen und nicht einmal fähig dazu sind sich selbst zu versorgen."

"So war das nicht", flüsterte ich unter Tränen. "Ich wäre dort niemals freiwillig hingegangen."

"Wie war es denn dann?", fragte er mit eiserner Stimme. "Na komm schon, erzähl mir deine beste Ausrede, ich will sie hören."

Nicht im Stande dazu diese Situation und diesen lästigen Druck länger zu ertragen, stürmte ich aus dem beengten Zimmer und flüchtete runter in das Gemeinschaftszimmer.

Wie auch bei meiner ersten Begegnung zuvor stand Mutter alleine in der Küche,  versuchte aus den letzten Resten irgendein essbares Gericht herzustellen. Ich stieß einen langen, verzweifelten Atem aus. Das Essen war knapp.

Røyal Highness ㅡ; YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt