Nüchtern Betrachtet

Verrat unter Freunden

Die vergangenen letzten paar Tage waren überraschend ruhig gewesen, jedenfalls um das elendige Luzi-Thema herum. Die Proben an sich waren selten ruhig und entspannt, meistens passierte immer Etwas. Dieses Mal hatte sich das aber auch in Grenzen gehalten.

Auf jeden Fall hatte es keine Wiederholung der ersten Nacht gegeben. Luzi hatte nicht wieder kurz vorm Exitus getrunken und war auch nicht mehr zu Jean ins Bett gekrochen. Und auch wenn der Halbfranzose eigentlich froh darüber war, hatte er dennoch kaum ein Auge zugemacht.

Selbst als es dann endlich nach Hause ging, waren die Nächte viel zu kurz für seinen Geschmack gewesen, weswegen er nicht nur todmüde war, sondern auch leicht reizbar. Seine Kollegen hatte er aber insofern schon vorgewarnte, dass er gesagt hatte, er hätte bei Weitem nicht genug geschlafen. Damit waren im Prinzip alle Unklarheiten beseitigt und Jean hatte seinen Standpunkt klargemacht. Dementsprechend wunderte er sich also nicht, als er dann in den Nightliner gestiegen war, um zum nächsten MPS zu fahren, warum man ihn gänzlich in Ruhe ließ. Er hatte sich sogar hinlegen können, ohne blöden Kommentar. Gebracht, hatte es ihm trotzdem nicht viel.

Es lag noch nicht einmal NUR an den Gedanken, die wie immer wild in seinem Kopf umher spukten und geisterten. Er hatte seit Neuestem auch noch das Gefühl, dass ihm irgendetwas fehlte. Das war natürlich reiner Quatsch. Was bitte sollte ihm den fehlen?

Etwas Erfreuliches gab es dann jedoch auch. Und zwar hatte der Franzose beobachten können, nur ganz kurz, aber er hatte ja auch nicht lauschen wollen, dass Luzi und der Sänger sich mal separat zusammengesetzt hatten. Da lag die Vermutung nahe, dass der schwarzhaarige Dudelsackspieler sich dem Blonden anvertraut hatte und Jean war der festen Überzeugung, dass ihm dieses Gespräch guttun würde. Und vielleicht hatte Alea auch noch einen netten, kleinen Rat für das Kleine L auf Lager, man konnte ja nie wissen.

Andererseits hatte der Tambour aber auch ein wenig Angst davor zu erfahren, was der Sänger ihrem Kollegen raten würde. Er hatte bei der ganzen Sache so ein unangenehmes Kribbeln im Bauch, so eine Art Vorahnung, die nicht weggehen wollte. Dazu kam dann auch noch, dass er ja schließlich auch nichts Anderes tun konnte, als still zu sitzen, zu warten und zu hoffen.

Beziehungsweise hoffte er, dass das anstehende MPS, auf welchem sie später auftreten würden, ihn wenigstens ein paar Stunden ablenken würde. Das hätte er eigentlich mal bitter nötig.

„Alles okay?" wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Verwirrt blickte er in das Gesicht des ‚Störenfriedes', der ihn ein wenig besorgt ansah.

„Na klar..." beeilte er sich zu antworten. Dennoch schien es seinen Gegenüber nicht wirklich zu überzeugen, denn er setzte sich prompt neben ihm, etwas abseits der Anderen, die laut lachten oder Sprüche klopften.

„Sieht aber nicht danach aus", behauptete das Kleine L weiter. Freundschaftlich stieß er mit seiner Schulter gegen Jeans und meinte dann weiter, „Weißt du, ein guter Freund von mir meinte mal, dass es helfen kann, wenn man mit Jemandem darüber redet." Er zuckte die Schultern und blickte unschuldig drein.

Der Halbfranzose wusste sofort, dass er damit gemeint war. „Guter Freund also..." murmelte er und hob eine Augenbraue. „Hört sich nach einem schlauen Burschen an, erzähl mir mehr von ihm."

„Also..." das L brauchte nicht lange zum Überlegen, „er ist... Halbfranzose... hat Musik und Französisch studiert. Er ist der Trommler einer geilen Band..."

„Hört sich nach einem heißen Kerl an", nickte Jean.

Luzi blinzelte verwundert, fing dann aber an zu lachen. „Kann man so sagen ja..." Er wurde wieder ruhiger. „Willst du vielleicht darüber reden?"

Eigentlich hatte er gehofft den Dudelsackspieler mit dieser Aussage aus der Reserve zu locken und das eigentliche Thema dieses Gespräches nicht weiter zu vertiefen. Aber da hatte er wohl nicht hoch genug gepokert.