Verrat unter Spielmännern

244 23 58
                                    

Geschockt und gebannt starrten drei der Spielleute auf die Flasche. Am schlimmsten traf es Jean, der kurz davor stand, die Flucht zu ergreifen, auch wenn er dann womöglich auf ewig als ‚Feigling' bezeichnet werden würde. Er wollte schlicht und einfach keinen Mann, abgesehen natürlich von Luzi, küssen. Apropos Luzi, der war doch überhaupt erst Schuld an der ganzen Sache. Hätte er nicht warten oder anders auf sich aufmerksam machen können? Was sollte das denn auch?

Derweil biss sich ein gewisser Fruchtzwerg auf die Unterlippe und starrte böse auf die Flasche. Da hatte er sich nur um wenige Zentimeter verkalkuliert. So ein Mist aber auch. Und wie kamen sie jetzt aus der Affäre wieder herauf? Er sah es nämlich gar nicht ein, dass jemand Anderes, SEINEN Jean küssen würde. Vor allem nicht Alea. Die Beiden waren sich ja so schon sehr nahe und vielleicht war es die Eifersucht, die da aus ihm sprach, aber er hatte Angst, dass daraus irgendwie etwas werden könnte und es dann er war, der das Nachsehen hatte. Vermutlich völlig irrational, aber das Gefühl wurde er dennoch nicht los.

„Na auf geht's!" grölte Till und auch Lasterbalk gab seinen Senf dazu. Sie wollten jetzt Action haben.

„Ist ja gut", der Sänger hatte lange genug auf die Flasche geblinzelt. Auch hatte er einen raschen Blick auf Jean geworfen, der alles Andere als erfreut ausgesehen hatte. Es war ihm aber auch nicht zu verübeln. Besonders dann nicht, wenn er immer noch unter seinem Gefühlschaos leiden musste. Zur Not, musste er den Franzosen dann einfach abfüllen und ihn die ganze Sache vergessen lassen.

Pfiffe ertönten, als Alea sich endlich von seinem Platz erhob. Er ließ die Schultern nochmal kreisen und kaum war er zwei Schritte auf einen überfordert dreinblickenden Halbfranzosen zugegangen, sprang hinter ihm Luzi von seinem eigenen Platz auf.

Ohne groß darüber nachzudenken, hatte das L sich von seinem Platz erhoben. Er eilte schnurstracks an einem verblüfften Sänger vorbei, schubste ihn sogar ganz leicht auf Seite, damit er überhaupt vorbei kam und warf sich wortwörtlich auf einen unvorbereiteten Halbfranzosen. Und während der schwarzhaarige Dudelsackspieler die Lippen seines Freundes mit den Seinen einfing, purzelten sie gemeinsam zu Boden. Glücklicherweise besaß Jean die Geistesgegenwärtigkeit, sie Beide mehr oder weniger gut aufzufangen, sodass sie nicht ungünstig aufkamen und sich so auch nicht wehtaten. Erst dann erlaubte er sich eine Hand, mit der Anderen stützte er sich und somit im Prinzip auch Luzi auf dem Boden ab, an den Hinterkopf des schwarzhaarigen Dudelsackspielers zu legen und somit den Kuss noch zu verstärken.

Bald schon waren es nicht nur ihre Lippen, die aufeinander lagen, es waren auch ihre Zungen, die spielerisch miteinander fochten, in einem heißen Reigen. Denn Alles um sie herum, hatte die beiden Spielmänner verdrängt. Für sie zählte gerade nur der Besitzer des Lippenpaares, welches auf ihrem lag.

Erst als sie sich auf Grund von Sauerstoffmangel voneinander lösen mussten, wurden sich die beiden Spielmänner langsam über ihr stummes und starrendes Publikum bewusst.

„Was war das?" Frank klang teils entsetzt, teils interessiert.

„Alter Luzi... die Flasche lag nicht auf dir, das ist dir bewusst, ja?" Till hob eine Augenbraue.

„Tja Sänger, eiskalt abserviert würde ich sagen", flötete Elsi fast schon gutgelaunt in die Runde.

Luzi war mittlerweile so rot wie eine Tomate angelaufen und auch Jean erging es nicht wirklich besser. Nur bei ihm war es nicht so deutlich zu sehen, auf Grund seines dunklen Bartes.

„Luzi..." knurrte er gerade mal so laut, dass nur der Angesprochene ihn auch hören würde.

„Ups?" dieser sah zu ihm hinauf und sah dabei aus, wie ein getretener Hund. Da hatte er, nicht zum ersten Mal an diesem Abend, gesprochen und gehandelt bevor er nachgedacht hatte. Hatte er seinen Freund jetzt so verschreckt, dass dieser zukünftige Liebesbekundungen nicht mehr zulassen würde? Oder nur noch, wenn sie wirklich ganz alleine waren?

Nüchtern BetrachtetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt