Flucht ins Ungewisse

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Jean hatte kaum ein Wort mit ihm gewechselt, als sie zurück im Hotel angekommen waren und spätestens jetzt machte Luzi sich ernsthafte Sorgen. Zumal sein Liebster auch nur auf dem Bett saß und sich die Kommentare durchlas, die man unter das Foto stellte.

„Jetzt lass sie sich doch ihr Maul zerreißen", langsam wurde es ihm zu bunt, weswegen er sich auch leicht im Ton vergriff. Aber wenigstens sahen die dunkelbraunen Augen von dem Handy auf und fixierten sich, wenn auch nur kurz, auf ihn. „Oder hast du schon vergessen, wofür wir stehen? Als Spielmänner! Uns interessiert nicht, was man über uns sagt und was sie über uns denken!"

Scheinbar hatte er genau die falschen Worte gewählt, denn in Jeans Augen schlich sich ein seltsamer Ausdruck und ohne ein Wort zu verlieren, wandte er sich wieder seinem Handy zu und starrte weiter auf das erhellte Display.

Es reichte dem kleinen Spielmann. Er konnte ja verstehen, dass es seinem Freund nicht gefiel, aber sie konnten es jetzt auch nicht mehr ändern. Sie mussten nun damit leben und in Selbstmitleid zu versinken, war genau die falsche Methode. Dafür musste er noch nicht einmal Alea anrufen, um das zu sehen und zu verstehen.

Er fasste also einen Entschluss und stapfte zielstrebig zu dem Halbfranzosen, nahm ihm schnell das Telefon ab und brachte dann einen gehörigen Sicherheitsabstand zwischen sie.

„Luzi!" er sprang sofort auf die Beine, seine Augen funkelten wütend, während er versuchte, den Kleineren zu erwischen. Doch der kletterte flink über das Bett und flüchtete sich dann ins Bad, was er hinter sich abschloss. Das war nicht ganz die feine, englische Art, aber wenn er Jean nur so von dem Scheiß Telefon wegkriegen und dieser ihm auch nur so zuhören würde, dann würde er das tun.

„Luzi! Ist das dein Scheiß ernst?" er klang mehr als wütend. „Komm da raus und gib mir mein Handy wieder!"

Das L klammerte sich derweil an dem elektronischen Gerät und lehnte sich mit dem Rücken gegen die geschlossene Tür. „Nein!" sagte er entschlossen. „Erst... erst wenn du mir versprichst, den Mist nicht weiter zu lesen. Jean... Löffel, ich will dir doch nichts Böses. Aber wenn du das Zeug weiterliest, machst du dich nur selber kaputt."

„Komm da raus und gib mir mein Handy wieder", wiederholte er das eben Gesagte. Er ging noch nicht mal auf das ein, was sein Freund ihm gerade gesagt hatte.

„Schatz..." Luzi wusste, dass sein Tonfall bettelnd war, „ich dachte... ich dachte du fühlst dich wohl mit mir... dass du glücklich hiermit bist. Warum siehst du dir denn dann an, was andere, FREMDE Leute darüber denken und zu schreiben haben? Lass... lass uns doch einfach weiter so machen, wie bisher. Du und ich... Jean... Ich hab dich doch lieb!"

„Luzi... ich sag es nur noch ein letztes Mal... komm da raus und gib mir SOFORT mein Handy wieder!" der Mann der da auf der anderen Seite der Tür tobte, war definitiv NICHT sein Jean. Denn sein Jean würde sich nicht für die Meinung Fremder interessieren und auch nicht so seltsam aufführen.

Aber wieso verhielt sich der Halbfranzose so daneben? Das L konnte sich keinen richtigen Reim darauf machen und es war die Angst, die sein Herz packte und in einem eisernen Griff festhielt. Hatte Jean doch die ganze Zeit Zweifel gehegt und ihm nur Etwas vorgespielt? Er konnte es eigentlich nicht glauben, aber er verstand auch nicht, warum sich sein Freund so aufbrausend benahm.

„Schatz... lass uns Alea anrufen... rede mit ihm, ich bitte dich." Das war die einzige Lösung die er sah, da der schwarzhaarige Trommler ja scheinbar nicht auf ihn reagierte, geschweige denn ihm zuhören wollte. „Oder... oder lass und eine Runde laufen gehen... vielleicht auch Musik hören, nur... nur BITTE lass dir helfen! Kapsel dich nicht von mir ab!"

Einen Moment lang herrschte Schweigen von der anderen Seite der geschlossenen Tür, dann kam von Jean ein ZU ruhiges: „Du kannst mich mal!"

Kurz darauf hörte Luzi leise Schritte, die sich erst entfernten, dann kamen sie wieder. Danach schlug heftig eine Tür zu und es dauerte einen ganzen Moment, bis der kleine Dudelsackspieler schnallte, was gerade geschehen war. Jean war abgehauen, hatte das Hotelzimmer verlassen.

Nüchtern BetrachtetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt