Schwarzes Loch

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Mit einem sehnsüchtigen Blick sah Luzi seinem Freund hinterher, während dieser aus dem Auto stieg und die Beifahrertür zuschlug. Als nächstes wandte dieser sich zum Kofferraum, in den sie ihre Taschen geworfen hatten und während er gerade dabei war, auch diesen wieder zu zumachen, schnallte Luzi sich geschwind ab und stieg ebenfalls aus. So würde er sich nicht von seinem Freund verabschieden, nicht mit einem einfachen: „Bis bald."

Also lief er um das Auto herum, bis er direkt vor seinem Angebeteten stand und diesen ansehen konnte. „Hast du Alles?" Luzi wusste, dass sein Freund seine Sachen beisammen hatte. Schließlich hatte er nur einen einzelnen Rucksack mitgenommen. Trotzdem war es ein guter Einstieg in ein kleines Gespräch.

„Ja", er war immer noch so kurz angebunden.

Und scheinbar war es doch kein so guter Einstieg gewesen, denn jetzt wusste der kleinere der beiden Männer nicht weiter. „Okay. Wir... Schreiben miteinander?"

„Können wir", nickte der Halbfranzose langsam.

„Gut... Und wenn was ist, dann rufst du an, ja? Mich oder auch Alea."

„Mach ich", er nickte wieder mechanisch.

Luzi trat noch einen Schritt näher an den Größeren ran, direkt in seinen persönlichen Bereich. Doch jetzt zögerte er. Sollte er nochmal nach einer weiteren Umarmung fragen? Oder durfte er auch nach mehr fragen? Oder durfte er es einfach so tun, seinen Freund in den Arm nehmen und ihn küssen? Ohne Erlaubnis?

Doch Jean nahm ihm die Entscheidung ab, indem er den letzten Abstand verringerte und seinen Freund in eine einarmige Umarmung zog. Er beugte sich dabei so runter, dass er seine Stirn gegen Luzis Schulter legen konnte und atmete tief ein.

„Gib mir Zeit", bat er und bevor der Kleinere die Umarmung erwidern konnte, geschweige denn irgendetwas sagen konnte, löste sich Jean wieder von ihm und trat auf Seite. Er tauschte noch einen bittenden Blick mit dem Kleineren, wartete jedoch auf keine Antwort ehe er sich abwandte und fast schon antriebslos zu seinem Mietshaus stiefelte.

Derweil blickte Luzi seinen Freund überrascht und überfordert hinterher. Zeit. Darum hatte sein Freund ihn gebeten. Das sollte doch möglich sein. Auch wenn er sich danach sehnte, dass jetzt schon Alles wieder gut zwischen ihnen wäre.

Mit einem Seufzen ließ Jean die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Er drehte einmal den Schlüssel um, bevor er diesen ablegte, genauso wie seine Jacke und er zog sich auch noch die Schuhe aus. Seinen Rucksack schleppte er lustlos ins Schlafzimmer, wo er ihn auf die blaue Bettwäsche mit dem weißen Hund warf. Doch anstatt sie auszuräumen, wie eigentlich geplant, setzte er sich einfach nur daneben und starrte stumm auf seinen Schrank, der ihm nun gegenüber stand, und er ließ die Gedanken schweifen, wie eigentlich die ganze Zeit schon. Und immer kamen ihm dieselben Gedanken. So war es doch ein schöner Ausflug gewesen. Er hatte Spaß gehabt, sich frei entfalten können und er hatte gemeinsame Momente mit seinem Freund erlebt.

Doch... doch Alles hatte ein Ende irgendwann. Und das Foto... es hatte ihn fast aus der Bahn geworfen, doch viel schlimmer war der Kommentar seiner Ex-Freundin gewesen. Er wusste, dass er seine Freundin nie betrogen hatte. Er hatte noch nicht mal eine andere Frau geküsst, auch nicht auf die Wange. Höchstens für ein Foto umarmt, doch nie mehr.

Und doch beschuldigte sie ihn der Untreue... und dass er ihr seine Liebe nur vorgespielt hätte. Aber das wirklich Schlimme daran war, er wusste es selber nicht so genau. Es hatte ganz bestimmt einmal eine Zeit gegeben, da hatte er sie geliebt. Doch der Halbfranzose konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann dieses Gefühl aufgehört hatten zu existieren. Denn gegen Ende hin, da war es keine Liebe mehr gewesen, die er für sie empfunden hatte.

Nüchtern BetrachtetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt