Chatroulette

179 18 19
                                    

Es war Jean, der am nächsten Morgen als Erster wach wurde. Er brauchte einige Momente, bis er jedoch voll auf der Höhe war, erst dann schlug er die Augen auf. Sein Gehirn, was erst langsam aus dem Standby-Modus erwachte, brauchte auch noch ein paar Sekunden um zu realisieren, dass er in einem Hotelbett lag, da er ja mit Luzi zu einem Konzert gefahren war. Und erst dann bemerkte er auch den kleinen Dudelsackspieler, der es in der Nacht irgendwie geschafft hatte, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Obendrein hatte der Kleinere sich auch noch dreist die Decke stibitzt und sie wie einen Kokon um sich gewickelt.

Der Halbfranzose schnaubte und begab sich eine sitzende Position. Vielleicht hatte er doch kein Bienchen, sondern eine kleine Raupe, beziehungsweise einen Schmetterling abgekriegt. Er lächelte sanft und drückte einen sachten Kuss auf Luzis Stirn. Dessen Gesicht war auch so ziemlich das Einzige, was noch von ihm sichtbar war, und stand dann auf. Er streckte sich, schnitt aber eine Grimasse auf Grund der Rückenschmerzen, die ihn mal wieder plagten. Das passierte aber auch nervig oft in letzter Zeit. Er sollte sich vielleicht doch mal in professionelle Hände begeben. Nicht, dass er sich doch Etwas eingeklemmt hatte.

Er strich seine schwarzen Haare nach hintern und streckte sich noch ein weiteres Mal, mit demselben Resultat. Grummelnd bückte sich Jean nach seinem Kulturbeutel, ging dabei aber äußerst langsam und vorsichtig vor. Doch bevor er ins Badezimmer ging, schaute er noch auf sein Handy. Er hatte etwaige Nachrichten bekommen, unter Anderem von seinen Eltern, aber auch von Alea.

Seine Eltern schrieben nur, dass sie den runden Geburtstag seines Vaters dieses Jahr nicht wie gewöhnlich zusammen feiern würden, da sich die Beiden einen kurzen Urlaub zur Nordsee gegönnt hatten. Sie würden sogenanntes „Insel-Hüpfen" betreiben, das hieß, dass sie jeden Tag eine andere Insel besuchen und besichtigen würden. Aber am Ende des Tages kehrte ihre Reisegruppe wohl immer wieder in dasselbe Hotel zurück.

Jean wünschte ihnen viel Spaß und alles Gute, rang ihnen noch das Versprechen ab, dass sie auf sich Acht geben sollten und dann versprach er selber, sie zwischendurch mal anzurufen.

Dann wandte er sich an den Chat, mit seinem besten Freund.

„Trommler gesucht!" war die erste Nachricht gefolgt von einem Jean nur allzu bekannten Video von einer kleinen Katze die in einer ätzenden Stimme ‚Guten Morgen' trällerte. „Na du, wie schaut's aus? Ansprechbar oder Morgenkater? Und wie geht es dem L?"

Jeans Mundwinkel zuckten. Sein bester Freund wollte doch eigentlich nur wissen, wie ihm der Abend mit seinem Fruchtzwerg gefallen hatte und was sie genau gemacht hatten. Er war halt ein neugieriger Mensch, der Sänger.

„Sänger gesucht!" antwortete er direkt. Er wusste selber nicht genau wieso, aber das hatte sich zu ihrem Ritual entwickelt. Alea hatte ihn, während seiner depressiven Phase einst so angeschrieben, als er sich abgesehen von dem nötigsten während der Probe, komplett zurückgezogen hatte. Und irgendwie, war es dann wohl hängen geblieben bei ihnen. „Morgen. Gerade erst aufgestanden, aber kein Kater. Luzi geht es gut, der schläft noch."

Kurz zögerte Jean, doch dann nutzte er die Chance und knipste ganz flott ein Foto von seinem festen Freund. Zum Einen sah er nämlich einfach nur süß aus, aber zum Anderen schickte er Alea den Beweis.

Tatsächlich brauchte er auch gar nicht so lange zu warten, dann färbten sich die zwei Harken auch schon blau und der Sänger begann zu tippen: „Wie süß." Ein Smiley mit Herzchenaugen wurde mitgeschickt, gefolgt von einem Zwinkersmiley. „Aber jetzt erzähl doch mal, wie war's?"

„Das Konzert war der Hammer und wir hatten mega viel Spaß. Luzi hat für heute noch Irgendwas geplant, bin mal gespannt was."

„Ui, mysteriös. Klingt jedenfalls spannend. Erzähl mir später, was ihr gemacht habt."

Nüchtern BetrachtetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt