Blut an den Händen... oder der Jeans

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„Alea..." schluchzte Jean und ließ sich in die Umarmung fallen. Kaum hatten die trainierten Arme sich um ihn gelegt, fühlte er sich schon ein wenig besser und sicherer und er krallte sich zusätzlich noch an den Ziegenbärtigen. Sein Blick landete wieder einmal auf seinen mittlerweile blutüberströmten Arm und die rote Substanz, die unentwegt auf Aleas blaue Jeans tropfte und sie benetzte, versaute sogar.

„Ich hab dich, Gro... Jean. Ich hab dich." Er hatte sich selber davon abgehalten, den vertrauten Spitznamen auszusprechen. Denn eben hatte sein Kumpel jenen nicht hören wollen und er war sich nicht sicher, ob das jetzt anders sein würde.

„Ich... das wollte ich nicht... das war nicht meine Absicht. Ich... will niemanden zerstören..." er schmiegte sich enger an seinen engsten und vertrautesten Freund, krallte sich nur noch fester an diesen.

„Ich weiß... ich weiß..." sprach Alea ruhig und begann sie beide sachte hin und her zu schaukeln. „Und noch ist es ja nicht zu spät."

„Doch... du... hast gesagt, ich habe ihn zerstört!" schluchzte der Halbfranzose laut auf. Seine Augen presste er fest zusammen.

„Nein, ich habe gesagt, du WIRST ihn zerstören, wenn du wegläufst und nicht mehr zurückkommst. Erst dann. Aber das bist du nicht. Du bist doch noch hier."

„Was bleibt mir denn noch?" fragte er völlig verzweifelt.

„Die Rückkehr. Ein Neuanfang."

Doch er hielt das für unmöglich. „Du siehst doch, wie kaputt ich bin", und wieder starrte er auf das Blut, das inzwischen einen beachtlichen Fleck auf Aleas ehemals hellblauen Jeans hinterlassen hatte.

„Nicht kaputt", sprach Alea ganz sanft, „Durcheinander und verwirrt und... vielleicht ein wenig angekratzt... Aber nichts, was man nicht wieder hinbekommen würde. Mit viel Liebe und ein paar Pflastern."

„Meinst du... er nimmt mich so überhaupt zurück?" er hatte Angst vor der Antwort auf diese Frage, musste sie aber stellen. Konnte gar nicht anders. Er musste wissen, ob es überhaupt einen Sinn hatte, zu kämpfen, oder ob Luzi ihn nicht schon längst aufgegeben hatte.

„Er hat dich doch noch gar nicht gehen lassen."

Verstehend nickte der bärtige Halbfranzose und er sah nun doch wieder in das Gesicht des Mannes, der ihn wieder einmal aufgefangen hatte und der ihn nun hielt. „Es tut mir leid... ich... das war gemein von mir." Er zog unschmeichelhaft die Nase hoch.

„Ich... es tat weh, aber... ich weiß, warum du es gemacht hast. Und ich verzeihe dir! Du bist doch mein Gro..." wieder unterbrach er sich mit einem Räuspern. „Du bist doch mein Bruder... mein bester Freund."

„Sag es bitte..." eben hatte er es nicht hören wollen, hatte es für eine Lüge gehalten, doch jetzt... jetzt musste und wollte er es hören. Aus Aleas Munde. Es musste hören, dass zwischen ihnen wirklich noch alles in Ordnung war.

„Mein Großer..." hauchte der Sänger es seinem Spielmannskollegen direkt ins Ohr, während er eben jenen noch fester an sich drückte und die Augen fest verschloss. Er war froh, dass er dies wieder sagen durfte.

„Verzeih mir... du bist doch mein bester Freund!" schluchzte der Halbfranzose von Neuem. Und wieder verstärkte sich der Griff um ihn. „Bringst du mich zurück? Und... ich sollte meine Gedanken zusammen mit euch sortieren. Egal... wie wirr und chaotisch sie sind..." er atmete noch einmal tief durch. Hatte endlich eingesehen, dass er nur seine Hand ausstrecken und die von Alea und Luzi greifen musste. Er war nicht alleine. Er wurde geliebt und man würde ihm helfen. „Ob... Luzi Pflaster hat?"

„Und du bist meiner!" er kämpfte ein weiteres Mal gegen die Tränen. Es waren doch so unschuldige Fragen und doch... „Ich bringe dich zurück, wenn du das willst. Na klar. Und... zusammen kriegen wir deine Gedanken geordnet. Und Luzis Gedanken sortieren wir auch. Er wird bestimmt auch durcheinander sein... Und... er hat ganz bestimmt Pflaster da."

Nüchtern BetrachtetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt