Karma

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Lust und antriebslos begab sich Jean irgendwann in eine sitzende Position. Mittlerweile war auch das Poltern von der Straße verstummt, welches er als Fachkräfte für Kreislauf- und Abfallwirtschaft identifiziert hatte. Oder einfach nur Müllabfuhr, wie er sie eigentlich nannte. Jedenfalls wenn er nicht so viel nachdachte, wie er es jetzt tat.

Und wie er sie so gehört hatte... den lauten Wagen und das Klappern der Mülltonnen, musste er unweigerlich wieder an sich und seine Beziehungen denken.

Vielleicht wäre es wirklich besser, wenn er die Beziehung zu Luzi ‚wegwarf', so tat er dem Kleineren zwar weh, aber irgendwann würde Luzi es einsehen, dass es für alle Beteiligten nur das Beste war. Denn welcher Fruchtzwerg wollte denn einen rostigen, alten und stark verbogenen Löffel haben? Keiner! Das war die Antwort.

Jean saß mittlerweile auf der Bettkante und fuhr sich mit seinen Händen durch das Gesicht. Er wollte gar nicht wissen, wie er gerade aussehen musste. Verweint und einfach nur schrecklich wahrscheinlich. Aber irgendwie interessierte es ihn auch nicht sonderlich. Er strich sich mit der Hand durch die Haare und wollte gerade aufstehen, um sich der Wäsche zu widmen, was eigentlich nur hieß, dass er sie in den Wäschekorb stopfen und dann dort liegen lassen würde, dann wanderte sein Blick fast schon automatisch zu seinem Handy. Fast so wie eine Motte, die von Licht angezogen wurde.

Ein Seufzen entwich dem Tambour und er griff nach dem elektronischen Gerät, dass doch tatsächlich noch ein paar Prozente Akku besaß. Es wunderte ihn ein wenig, wenn er ehrlich war.

Schnell war der Handybildschirm entsperrt, und schon wieder sprang ihm das Bild entgegen. Das Bild, von ihm uns Luzi... Mittlerweile waren so viele Kommentare unter das Foto gepostet worden, selbst wenn er es gewollt hätte, er hätte wohl die Übersicht verloren. Aber er wollte sowieso nicht lesen... oder doch? Er hatte ja gesehen, dass seine Kollegen sich an der Diskussion beteiligt hatten. Er seufzte ein weiteres Mal ergeben und begann dann zu scrollen und zu lesen.

Es wunderte ihn nicht im Geringsten, dass seine Kollegen hinter ihm standen und gegen Laura wetterten. Und im Grunde war der Kern ihrer Aussage immer derselbe. Laura solle sich doch endlich verziehen und ihre Klappe halten und dass er, Jean, keine Schuld hätte. Doch der Halbfranzose sah das anders. Es könnte heute Alles anders aussehen, wäre er ein besserer Freund, ein besserer Mensch gewesen.

Er scrollte weiter und stand kurz davor, die App zu schließen, als ihm schließlich zwei weitere Kommentare ins Auge sprangen, die Beide von Luzi stammten.

„Er hat dich nicht betrogen... wenn du ihn kennen würdest, WIRKLICH kennen würdest, wüsstest du, dass er dazu nicht in der Lage wäre."

Jean blinzelte. Luzi klang in seinen geschriebenen Worten so sicher. Dabei kannte ihn der Kleinere doch eigentlich auch nicht so viel länger, als Laura es tat, oder? Er schüttelte mehr verwirrt als alles Andere, den Kopf und las den zweiten Kommentar, den sein Freund getippt und verschickt hatte.

„Und genau wegen solchen Menschen wie dir, wollten wir es privat halten. Aber keine Sorge, ich werde dafür sorgen, dass du ihn nicht nochmal so verletzt... er ist sicher bei mir. Allein schon deshalb, weil ICH ihn liebe und ihn nicht verändern und zu etwas zwingen will, dass er nicht ist und dass er nicht will!"

Es lief ein Schauer über den Rücken des Trommlers, während er den Kommentar ein zweites Mal las, dann ein Drittes und schließlich sogar noch ein viertes Mal. Er hatte es gelesen, verstand die Worte und den Sinn dahinter, doch irgendwie kam sein Verstand dennoch nicht mit dem Geschriebenen zurecht. Denn waren nicht genau das, was Luzi da ansprach, seine größten Sorgen? Hatte er nicht eben schon, oder war es doch gestern gewesen, genau darüber nachgedacht? Dass Luzi ihn unmöglich für immer lieben würde und dass Luzi ihn deswegen versuchen würde, ihn irgendwann zu ändern...

Nüchtern BetrachtetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt