Es war kurz nach sieben Uhr, ich stand bereits angezogen in meinem Zimmer und starrte in den Spiegel in mein Gesicht. Meine braunen Haare waren zu einem Dutt hochgebunden, meine langweiligen braunen Augen wurden durch etwas Mascara hervorgehoben. Unter der Lederjacke trug ich eine Sweatjacke und ein weißes länger geschnittenes T-Shirt. Die schwarze,zerrissene Hose vollendete mein Outfit, allerdings war ich am grübeln welche Schuhe ich anziehen sollte.
Vans oder doch Nike?,dachte ich nach und entschied mich schließlich für die Vans. Ein Blick auf mein Handy und ich schnappte mir eilig meinen Rucksack.Schnell verließ ich die Wohnung, schloss leise die Tür und ging schnellen Schrittes zur Bushaltestelle. Es war Oktober, morgens fröstelte ich an der Haltestelle aber nachmittags war es angenehm warm.
Als ich im Bus einen Sitzplatz ergattert hatte, begann ich meine Kopfhörer zu entknoten. Nach einigen Haltestellen stieg meine beste Freundin in den Bus und ließ sich neben mir auf dem Platz nieder.
„Guten Morgen Leo.", sagte Vanessa. Sie wusste das ich keine Lust auf Smalltalk am Morgen hatte - eine gute Eigenschaft von ihr.
„Moin.", gab ich nur zurück und vertiefte meine Gedanken wieder auf meine Musik.
Eigentlich heiße ich Leonie, aber ich wurde von jedem Leo genannt, darauf hörte ich auch eher als Leonie.
Vanessa strich ihre geglätteten, braunen Haare über ihre Schulter und nahm ihr Handy aus der Tasche. Sie war mit Whatsapp beschäftigt, da sie beliebt war und viele Freunde auf vielen Ebenen hatte. Ich hingegen gab meine Nummer nicht so schnell raus und war auch froh öfter meine Ruhe zu haben. Mir reichte der soziale Kontakt an der Schule und der mit Vanessa.
Kaum stehen wir vor dem Klassenraum, beginnen wir zu reden.
„Also,alles gut bei dir?", frage ich Vanessa und packe meine Kopfhörer fein säuberlich in meine Jackentasche. Später würden die eh wieder verknotet sein.
„Joa, mein Vater macht momentan wieder Stress, meine Mutter ist kaum noch zuhause. Und bei dir?", sagt Vanessa und zuckt mit den Schultern. Es wirkte, als wäre es ihr egal, aber ich wusste wie schlimm es bei ihr zuhause zugehen konnte.
„Willst du heute zu mir kommen? Dann hast du mal deine Ruhe vor deinem Vater.", fragte ich und schaute in ihre grünen Augen. Sie nickte wortlos und umarmte mich.
„Danke dass du immer da bist.", flüstert sie, bevor sie die Umarmung beendet. Diesmal nicke ich.
Der Unterricht verläuft ruhig, in den ersten zwei Stunden haben wir Mathe. Vanessa muss mir andauernd helfen die Gleichungen, die an der Tafel stehen, zu lösen. Sie war einfach gut in Mathe, ich hingegen eine wahrhaftige Null.
Kaum dass der Gong ertönte und den Unterricht beendete, packten wir unsere Sachen zusammen und verließen den Raum für die Pause.Vanessa und ich machten uns auf dem Weg zum Bäcker, sie musste sich jeden Morgen etwas kaufen, da es bei ihr zuhause selten was zu essen da war. Ich begleitete sie und wir unterhielten uns über einige Dinge.
„Gestern hat dieser Daniel mir geschrieben, er war damals in der Klasse über uns, weißt du noch?", fragt Vanessa und kramt nach ihrem Geld in ihrer Hosentasche.
„Der blonde? Der die ganze Neunte Klasse lang diese Bieber-Frisur hatte?", fragte ich und reichte ihr einen fünf Euro Schein. Ich wusste sie war immer knapp bei Kasse, und ich half ihr gern. Dankend nahm sieden Schein an sich, denn sie hatte nicht mehr als fünfzig Cent dabei.
„Genau der, er hat inzwischen eine andere Frisur und sieht echt gut aus.", sagt sie zu mir gedreht und stellt sich in die Schlange des Bäckers.
„Willst du auch was?", fragt sie mich.
„Oh, nein danke, kannst das Geld behalten.", sagte ich und lächelte sie an.
Kaum,dass sie ihr Schokostütchen hatte, wandte sie sich wieder unserem Gespräch zu.
„Ich weiß nicht, Daniel erscheint nett, und Ablenkung tut mir gut. Vorallem nach der Sache mit Justin." Genüsslich biss sie in das weiche Stütchen.
„Ja aber gerade wegen Justin, brauchst du nicht etwas mehr Zeit bevor du dich in die nächste Beziehung stürzt?", frage ich sie und öffne die Tür zum Schulgebäude. Ich lasse Vanessa eintreten und folge ihr zu den Aufzügen.
„Vielleicht hast du Recht, ich lasse es langsam angehen.", gab sie zu. Wir reihten uns in die Schlange des siebener Aufzugs ein.
Unsere Schule war nicht wie andere Schulen in die Breite gebaut, nein,unsere war in die Höhe gebaut worden, warum auch immer. Deshalb gab es drei Aufzüge, einer der bis zu fünften Etage fuhr, der zweite,der bis zur siebten Etage fuhr, und der dritte der bis zur neunten Etage fuhr.
„Sag mal, sperren die gerade die Aufzüge?", fragte ich genervt. Und tatsächlich, wurden die Aufzüge abgesperrt.
„Ja, tun sie.", knurrte Vanessa und schob mich zu den Treppen.
„Wir haben doch noch zehn Minuten!", fluchte ich und ging mit Vanessa die sieben Etagen zu unserem Klassenraum hoch.
Oben angekommen, waren wir beide außer Atem und mussten darüber herzlichst grinsen.
„Ich sollte wieder mehr Sport machen!", keuchte Vanessa und begann zulachen.
„Machst du eh nicht, dafür liebst du Netflix zu sehr!", lachte ich mit. Vanessa konnte nur noch nicken und lachte laut auf.
„Da hast du wahrscheinlich Recht.", gluckste sie und begann sich zu beruhigen. Auch ich räusperte mich und wurde wieder ernster.
„Okay, anderes Thema, was willst du heute machen? Shoppen gehen oder bei mir chillen?", fragte ich sie und lehnte mich an die Tür des Klassenraums an.
„Erst Shoppen und dann chillen, okay?", fragte sie und setzte sich neben mir auf den Boden.
„Klar, kannst du mir später noch mit Mathe helfen?" Ich ließ mich langsam auf den Boden gleiten und zog meine Beine an.
„Wenn du meine Englisch Hausaufgaben machst, klar.", gab Vanessa zurück und fischte ihr Handy hervor.
„Wir haben doch gleich erst Englisch, vielleicht bekommen wir gar keine auf.", sagte ich entspannt. Englisch war mein Lieblingsfach, es fiel mir einfach leicht, Texte zu übersetzen, Kommentare zuschreiben oder gar frei zu Reden.
„Sowie die Frau mich hasst, kriege ich wieder einen Aufsatz auf.", sagte Vanessa und verdrehte die Augen.
Sie hatte Recht, unsere Englischlehrerin hasste Vanessa. Allerdings hasste unsere Mathelehrerin mich. Also gab es einen Ausgleich.
„Okay,sie kann dich nicht sonderlich leiden, aber dafür helfe ich dir. Keine Sorge.", grinste ich.
Eine halbe Stunde später saßen wir an einer Stillarbeit. Während ich schon eine ganze Seite über die Vor- und Nachteile von Schuluniformen geschrieben habe, sitzt Vanessa immer noch am ersten Satz. Immer wieder streicht sie erst einzelne Worte, dann den ganzen Satz durch und schrieb ihn wieder neu. Ich legte meinen Stift beiseite und legte ihr meinen Zettel hin, als ich sah dass unsere Lehrerin anfing rum zugehen. Sie schaute über die Schultern und las sich jeden Text durch. Bis sie bei Vanessa und mir wäre, bräuchte sie ungefähr zehn Minuten, also begann ich zu schreiben. Vanessa flüsterte mir ein 'Danke' zu und tat auf nachdenklich, während ich einen neuen Text aus meinem Gehirn zauberte.
„Sehr schön, Leo, wirklich gut formuliert.", sagte Frau Steinbach. Dann sah sie zu Vanessas Text rüber. Sie las sich jede einzelnen Satz durch, bis zum Schluss.
„Nimmst du Nachhilfe? Bezahlt sich aus, mach weiter so.", sagte sie nur kalt und ging weiter.
Vanessa sah mich genervt an und zog ihre Augenbrauen hoch.
Ich grinste nur und tauschte unsere Texte wieder aus.
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Ocean Eyes
RomanceLeo ist eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Leben, bis sie eines Tages wegen eines dummen Zufalls auf Emma trifft. Wenn da nicht noch Leos beste Freundin Vanessa wäre, die gerade jetzt viel Hilfe und Unterstützung braucht. ________________________...