trying to holler at me

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Leos P.O.V.

Vanessa und ich waren wieder zuhause. Den Tag über waren wir in der Nachbarstadt gewesen um die letzten Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Nun wollte sie etwas alleine sein, das verstand ich natürlich und widmete mich in der Küche dem Backen von Keksen zu.
Meine Mutter halfen mir.
"Und Leo? Was macht denn Emma heute?", fragt sie mich und schlägt Eier am Rand der Schüssel auf.
"Sie ist zuhause, mit ihren Eltern.", sage ich und wiege den Zucker.
"Kommt sie denn später noch?", hakt Mama weiter nach.
"Ich weiß es nicht. Ich kann sie gleich fragen. Wieso? Hast du was vor?"
Ich schütte den Zucker in die Schüssel.
Mama schaltet den Mixer an und zuckt grinsend mit den Schultern.
Gut, sie hatte was im Kopf.
Kaum war der Mixer wieder aus, sah ich sie fragend an.
"Also? Was hast du vor?"
Mama studiert das Backbuch, ehe sie mich wieder ansieht.
"Leo, ich weiß dass du Emma magst, und dass sie dich mag. Ich weiß auch, dass du sie gerne um dich herum hast. Und mich stört es wirklich nicht wenn die Wohnung mit drei Teenager-Mädchen gefüllt ist. Dann fühle ich mich nicht so alleine. Also lad sie ein. Wir können doch heute Abend ein paar Weihnachtsfilme sehen, Essen bestellen, und einfach mal ein Mädelsabend machen. Ich glaube euch tut es allen gut. Vanessa kann ihre Probleme vergessen, Emma kann ihren Vater vergessen, und du kannst mal vergessen dass ich das von dir und Emma nicht weiß. Ich weiß alles. Und solang du glücklich bist, bin ich es auch."
Ich nicke. Mehr kann ich gerade nicht. Auch wenn Mama mir eben gesagt hat, dass sie wusste, dass ich mit Emma zusammen bin und es sie nicht im geringsten stört.
"Ich hole Vanessa mal aus dem Zimmer, dann backt ihr das hier zu Ende, ich hole eben einen Tannenbaum, sonst ist es kein richtiges Weihnachten.", fährt Mama fort und geht in den Flur.
Ich höre wie sie an die Tür klopft und dann mit Vanessa spricht. Dann höre ich Vanessa zu mir kommen. Sie umarmt mich von hinten und schließt ihre Arme um mich. Dann küsst sie mich auf die Wange.
"Dann lass uns die Kekse backen.", flüstert sie und löst sich von mir. Sie schaut ins Backbuch, in die Schüssel und holt dann Backpulver und gemahlene Mandeln aus dem Schrank.
Dann backten wir.

Emma erreichte ich nicht. Nicht um 15 Uhr, nicht um 16:30 Uhr, auch nicht um 18 Uhr. Um 21:30 Uhr versuchte ich es das letzte mal. Um kurz vor 23 Uhr gingen alle zu Bett. Ich lag noch lange wach, in Sorge um Emma.

Es vibrierte etwas. Und mein Zimmer wurde erleuchtet.
Ich schreckte aus meinem Schlaf hoch und sah zu meinem Handy, das vor lauter Vibration schon fast von dem Nachttisch fiel.
Emma rief an.
Sofort ging ich dran.
"Ja?", frage ich überrascht.
Ich höre sie atmen, sie atmete verdammt schnell, zwischendrin zog sie ihre Nase hoch.
"Emma? Was ist los?", frage ich nach einigen Sekunden der Stille.
Wieder keine Reaktion.
Ich entschloss einfach mal zu reden, irgendwann würde sie schon reagieren.
"Emma, wenn du reden willst, ich höre dir zu, ja? Tut mir Leid, ich wollte ja eigentlich warten bis du zuhause bist, aber ich bin wohl einfach eingeschlafen. Hör mal, ich wollte mich nochmal bei dir bedanken, dass du die beste Fraundin bist, die man sich nur wünschen kann und-"
"Leo."
Ihre Stimme. Sie klang so, gebrochen.
"Ja?"
Ich wartete, man hörte wieder nur ihre Atmung, so schnell und flach.
"Kannst du herkommen?"
Ich war ratlos.
"Wo bist du denn, Emma?", frage ich sie. Dann schielte ich auf die Uhr. 2:30 Uhr.
"Weiß ich nicht. Bitte hol mich ab und lass mich bei dir schlafen. Bitte Leo. Bitte."
Ich stand auf und schaute aus meinem Fenster, der Schnee hatte bereits eine dicke Decke über die Straßen geworfen.
"Emma schick mir mal deinen Standort. Ich muss erst wissen wo du bist. Beruhig dich bitte und hör mir zu, Emma. Atme mal tief durch, alles wird gut."
Eine Nachricht per WhatsApp, Emmas Standort.
Ich schaut auf der Karte nach und Emma war ganz in meiner Nähe. Ich war verwundert. Wieder sah ich raus auf die Straße.
"Emma, bist du im Auto oder mit Gustav unterwegs?", frage ich sie.
"Mit Gustav."
Da draußen lief jemand mit einem Hund herum.
"Emma, du stehst vor meinem Haus. Komm hoch."
Doch Emma antwortete nicht. Also schlüpfte ich in die Crocs meiner Mutter und nahm den Schlüssel in die Hand. Dann eilte ich das Treppenhaus runter. Vor dem Haus folgte ich den Spuren im Schnee, Gustav hörte mich und wedelte sofort mit dem Schwanz als er mich erblickte.
"Emma! Bleib stehen!", rief ich verhalten. Dann drehte sie sich um. Als ich vor ihr stand, sah ich ihren glasigen Blick, die Hand, mit der sie ihr Handy gehalten hatte, war bläulich angelaufen, so kalt war es. Ihr Gesicht war stark gerötet und sie hatte keine Kraft mehr.
Ich wollte sie umarmen, da fiel sie mir schon entgegen. Ich musste all meine Kraft aufbringen um sie aufrecht stehen zu haben.
Ich lege ihren Arm um mich und schleppe sie nach oben in die Wohnung.
Da Vanessa in meinem Zimmer tief und fest schläft, lege ich Emma auf unsere Couch im Wohnzimmer ab. Gustav keine ich ab und stelle ihm eine Schüssel mit Wasser auf den Boden. Doch er hatte sich bereits vor die Heizung gelegt.
Verdammt, wie lang war sie unterwegs gewesen?
Emma war auf der Stelle eingeschlafen, ich versuchte ihr die Jacke auszuziehen.
Ich wunderte mich, weshalb sie keine dicke Winterjacke trug, sondern eine dünne Sweatjacke.
Dann zog ich ihre Schuhe aus und holte meine Bettdecke. Ich decke Emma und mich zu und schaue in ihr Gesicht. Sie hatte eine aufgeplatzte Lippe, das Blut war getrocknet und klebte am Kinn. Von wo hatte sie das denn? Besorgt streichel ich ihren Kopf.

Diese Nacht schlief ich nicht mehr. Emma aber schlief bis 13 Uhr des nächsten Tages.

Ich war morgens mit Gustav bereits Spazieren gewesen, ihm ging es großartig. Vanessa war mit meiner Mutter unterwegs, sie wollten mir und Emma Ruhe geben.

Ich höre wie Emma die Wohnzimmertür öffnet und ins Bad sprintet, dann höre ich sie würgen.
Oh, es klingt, als würde es ihr sehr schlecht gehen.
Ich gehe zu ihr, streiche ihr über den Rücken während sie noch über der Kloschüssel hängt. Ich halte ihre Haare zurück, während Emma anfängt zu schluchzen.

"Emma... Was ist denn passiert?"

Emma sucht mit der rechten Hand den Abzieher der Toilette, dann richtet sie sich auf und spült den Mund aus. Ihr Gesicht wäscht sie auch direkt. Ich stehe daneben und reiche ihr ein Handtuch.

Mitleidig sah ich sie an. Emma schaute mich nicht an, trotzdem erkannte ich die Blessuren.
"Emma, hast du Hunger?", frage ich leise.
Sie schüttelt den Kopf.
"Durst? Willst du Wasser oder was anderes?"
"Wasser wäre gut." Emma lässt den Kopf sinken.
"Gut, okay. Willst du dich in mein Bett legen? Ich hol dir dein Wasser."
Emma nickt.
Schnell gehe ich in die Küche und schenke Wasser in ein Glas. Dann stecke ich mir noch schnell ein Keks in den Mund.
Langsam gehe ich wieder zurück in mein Zimmer. Dort stelle ich das Wasser neben das Bett auf den Nachttisch ab und schaue dann zu Emma, die erschöpft ihre Augen geschlossen hatte.

Ich setze mich auf die Bettkante und streiche über ihren Bauch.
"Emma, rede mit mir. Was ist passiert?", frage ich erneut.
Sie setzt sich langsam auf und lächelt mich aufmunternd an.
"Ach, alles gut.", überspielt sie.
"Emma. Jetzt tu nicht auf super, ich weiß dass es dir nicht gut geht."
Emma seufzt.
"Du hast Recht. Gestern Abend hatte ich eine Auseinandersetzung mit meinem Vater. Es endete nicht gut und ich bin abgehauen. Wo ist Gustav? Ich muss mit ihm spazieren gehen."
Emma schaute sich erregt um.
"Ich war schon mit Gustav spazieren. Er ist im Wohnzimmer, ihm geht's super."
Ich atme laut aus.
"Emma, was hat dein Vater gestern getan? Worum ging es bei eurem Streit?"
Emma schüttelt mit dem Kopf.
"Mein Vater hat mein Zimmer durchsucht als ich gestern nicht zuhause war. Er hat Zeichnungen gesehen und Sachen gelesen die mehr als nur privat waren. Als ich nach Hause gekommen bin, hat er mich damit konfrontiert. Ich bin sauer geworden und habe ihm gesagt dass er mein Persönlichkeitsrecht verletzt hat. Als ich gesagt habe, dass ich ihn Anzeigen kann, ist er vollkommen ausgerastet und hat mich geschlagen. Da bin ich abgehauen."
Emma pausiert.
"Ich dachte immer, es gibt eine Grenze, und dass er mich niemals schlägt. Allerdings weiß ich jetzt dass er es trotzdem tut."
Ich muss schlucken. Das hätte ich niemals von ihrer Familie gedacht.
"Wo war denn deine Mutter?"
"Im Schlafzimmer."
Ich überlegte.
"Und wo warst du, bevor du nach Hause kamst?"
Emma sieht mich an, sie errötet und fängt an zu stottern.
"Äh, ich war mit Gu-Gustav bei-"
Ich schaue sie fragend an.
"Bei...?"
"Äh, bei Frau Missall.", sagt sie schließlich langgezogen.
Ich war verwundert.
"Wir haben Ferien, die Schule ist geschlossen.", erwidere ich.
Emma nickt und senkt den Kopf.
"Ich war bei ihr zuhause.", flüstert sie mit heißer Stimme.
Mir fällt die Kinnlade runter.
"Du warst wo?"
Ich starre sie förmlich an, Emma versucht mir zu entgehen.
"Bei ihr zuhause.", sie wurde immer leiser.
"Emma, was hast du da gemacht?"
Mir wurde klar was hier gerade passiert, Emma und Frau Missall, dass sie privat Kontakt pflegten, war illegal.
"Wir haben ihre Wohnung weihnachtlich dekoriert und Pizza gegessen.", gibt sie zu.
"Und weiter?", frage ich. Nun begann meine Stimme zu brechen.
"Nichts weiter. Wirklich Leo, wir haben nichts anderes getan."
Emma sieht mich verzweifelt an.
"Emma das ist illegal.", hauche ich.
Sie nickt wissend.
"Darf ich jetzt einfach in deinem Arm liegen?", bittet sie mich.
Ich nicke.
Aber in meinem Kopf herrscht Chaos. Wieso hatte sie mir nie gesagt wohin sie ging? Wie oft war sie wohl schon bei Frau Missall gewesen? War da jemals was passiert?

Ocean EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt