Kaum stand ich vor dem Haus, in dem Vanessa lebte, sah ich hoch zu ihrem Zimmer. Kein Licht brannte, aber das Küchenfenster war weit geöffnet. Ich klingelte einmal. Nach einigen Sekunden wurde der Türöffner gedrückt und ich trat in den Hausflur. Eilig ging ich die zwei Etagen hoch zu Vanessas Wohnung. Ihr Vater stand in der Tür, Oberkörperfrei mit einem Bier in der Hand.
„Was willst du hier?", fragt er mürrisch.
„Vanessa abholen. Ist sehr wichtig.", sage ich und sehe ihn möglichst neutral an, obwohl er mich gerade aggressiv machte.
„Die kann nicht. Die muss heute im Haushalt helfen.", sagt er nur und geht in die Wohnung zurück. Ich stelle meinen Fuß zwischen Tür und Rahmen und schreie nach Vanessa.
„Halt deine Schnauze und hau ab!", brüllt ihr Vater. Doch ich quetsche mich durch den entstandenen Türspalt und renne zu ihrem Zimmer. Die Tür war aufgebrochen aber angelehnt. Ich schließe eilig die Tür hinter mir und lehne mich gegen sie. Vanessa liegt auf dem Bett mit Kopfhörern im Ohr. Sie ist zur Wand gedreht und hatte nicht mitbekommen, dass ich da war. Ich zog ihre Kommode vor die Tür, damit ihr Vater nicht so einfach rein kam. Dann ging ich langsam zu Vanessa. Vorsichtig berührte ich sie am Oberarm aber sie zuckte dennoch stark zusammen und sieht mich aus verheulten Augen an.
„Ich bin's nur. Was ist passiert?", frage ich sie leise. Vanessa presst ihr Gesicht an meine Schulter und schluchzt.
„Er ist heute Nacht hier rein gekommen und hat seine leeren Bierflaschen nach mir geworfen. Heute Morgen wollte ich los, doch er hat mich zum ersten Mal geschlagen.", ihre Stimme bricht ab und sie zeigt mir die blauen Flecke auf ihrem Arm.
„Pack deine Sachen zusammen, du kommst mit zu mir. Jetzt reichts.", sage ich entschlossen und stehe auf. Ich schnappe eine größere Tasche und werfe allerhand Kleidung rein.
„Leo, ich weiß nicht.", stottert Vanessa zögerlich.
„Nein! Vanessa, ich sehe mir das nicht mit an, also komm." Ich beginne ihre Schminke einzupacken, ehe Vanessa aufsteht und mir endlich hilft. Bevor wir ihr Zimmer verlassen, nehme ich sie nochmal in den Arm.
„Du gehst direkt raus, ich halte deinen Vater auf, falls er was versucht, okay?", flüstere ich. Vanessa nickt nur. Ich rücke die Kommode wieder beiseite und lasse sie vorlaufen. Ich eile ihr nach, bis ich einen Schatten im Wohnzimmer wahrnehme. Ich werfe die Sporttasche aus meiner Hand in den Hausflur zu Vanessa, ehe ich mich gegen ihren Vater stemmen muss.
„Vanessa bleibt hier!", brüllt dieser und lässt seine leere Bierflasche an der Wand zerschellen. Ich nehme all meine Kraft zusammen und schubse ihn von mir weg. Ich versuche schnell aus der Wohnung zu gehen, fühle aber noch wie er einige Scherben nach mir warf. Kaum hatte ich die Wohnungstür geschlossen, schaute ich auf meine linke Hand. Er hatte mich tatsächlich noch erwischt, aber das war jetzt egal.
„Komm, raus hier.", murmelte ich und packte die schwere Sporttasche. Zusammen liefen wir aus dem Haus und zu mir. Endlich in meinem Zimmer, setzten wir uns erschöpft hin.
„Zeig mal deine Hand.", sagt Vanessa langsam und nimmt meine Hand in ihre. „Es ist nur oberflächlich, aber wasch es aus, es war bestimmt schon eine alte Scherbe.", sagt sie dann beschämt.
„Alles okay, Vanessa. Jetzt iss etwas und ruh dich aus.", sage ich und stehe auf. Entspannt ziehe ich mir eine Jogginghose an und reiche ihr ebenfalls eine.
Stumm zieht Vanessa sich um und isst den Teller Spinat, den ich ihr aus der Küche mitbringe.
In der Nacht weckte mich ein zupfen an meiner Bettdecke.
„Leo.", flüsterte Vanessa, ich stöhnte genervt und öffnete langsam die Augen.
„Hmm?", murmelte ich und hob meine Decke an. Ich wusste was Vanessa wollte. Schnell schlüpfte diese zu mir unter die Decke.
„Danke für alles.", flüstert sie und kuschelt sich an mich. Ihr Arm mit den blauen Flecken liegt auf meinem Bauch, ihr Kopf ruht auf meiner Schulter.
„Nicht dafür.", gähne ich.
„Doch, ich glaube ich habe mich noch nie für dich bedankt. Also, dafür dass du mir jedesmal hilfst wenn ich Hilfe brauche, auch wenn ich nicht nach Hilfe frage."
Ich lege meinen Arm auf ihren Rücken und streichle sie behutsam.
„Ach Vanessa, das ist doch völlig verständlich. Ich helfe dir immer, versprochen. Und jetzt schlaf.", versuche ich sie zu überreden, doch Vanessa hört nicht auf zu brabbeln.
„Leo, du bist ein ganz toller Mensch. Und ich glaube, dass du diese Emma sehr magst."
Da hatte sie nicht ganz unrecht. Ich hatte ihr von der heutigen Begegnung erzählt, und von meinen Hoffnungen auf das letzte Nachsitzen.
„Der Ben hingegen findet dich ganz toll.", sage ich und schließe meine Augen entspannt.
„Was?", fragte Vanessa lauter als gewollt. Sie setzte sich kerzengerade auf.
„Ja, er wollte wissen ob du Single bist oder ob es Konkurrenten gibt. Also, schieß los.", sage ich grinsend.
„Er sieht ja schon gut aus, oder?", fragte Vanessa langsam.
„Du bist komplett bescheuert.", sage ich und schaue sie verdattert an.
„Okay, vielleicht, aber trotzdem ist er hübsch.", Vanessa legt sich wieder hin. Ich schüttel nur noch den Kopf und verfalle langsam in den Schlaf.
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Ocean Eyes
RomanceLeo ist eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Leben, bis sie eines Tages wegen eines dummen Zufalls auf Emma trifft. Wenn da nicht noch Leos beste Freundin Vanessa wäre, die gerade jetzt viel Hilfe und Unterstützung braucht. ________________________...