Gegen 19:30 war Leos Mutter da um sie abzuholen. Zusammen packten wir ihre Sachen ein, verabschiedeten uns von Vanessa und gingen dann runter. Ich holte noch schnell Hendrix aus der Kinderecke und folgte den beiden dann nach draußen.
"Willst du bei mir oder Emma mitfahren?", fragt Leos Mutter und schaut zwischen mir und Leo hin und her. "Bei dir Mama. Emma hat ja Hendrix noch dabei.", sagt Leo und schaut mich beinahe fragend an.
Ich lächel und nicke. Ich sah Leo noch nach, bis sie bei ihrer Mutter ins Auto steigt. Ich schnalle Hendrix an und fahre dann zu Leo.Leos Mutter kümmert sich wirklich liebevoll um Hendrix und wirkt richtig glücklich. Hendrix brabbelt ebenfalls glücklich vor sich her.
Leo löffelt Müsli mit Milch und beobachtet mich.
"Was ist los, Leo?", Frage ich irgendwann und lege mein Handy weg.
"Nichts, wieso?"
"Weil du mich die ganze Zeit anstarrst. Das macht mich nervös.", gebe ich zu.
Leo grinst schelmisch.
Wartend sehe ich sie an. Doch Leo grinst nur weiterhin.
"Man Leo!", lache ich und verstecke mich hinter meinen Händen.
"Sollen wir mit meiner Mutter Fernsehen schauen oder alleine bei mir ins Zimmer?", fragt Leo.
"Du, ich muss Hendrix gleich ins Bett bringen. Ich kann dir nur anbieten mir zu mir zu kommen."
Ich sehe sie vorsichtig an. Innerlich hoffe ich darauf, dass sie mir zu mir kommt. Wie ich äußerlich aussehe weiß ich nicht.
"Ehrlich gesagt, wollte ich heute hier bleiben. Morgen ist wieder Schule und da ich noch einen Tag zuhause bleibe, ist das für dich doch praktischer.", sagt Leo und sieht mich entschuldigend an.
"Hmm, schade. Aber gut."
Ich erhebe mich und schaue sie erwartungsvoll an. Wird sie mich jetzt küssen oder nur umarmen?
Leo steht auf und sieht mich genauso ratlos an. Schließlich läuft es auf eine Umarmung hinaus. Ich gehe ins Wohnzimmer zu Leos Mutter die Hendrix gerade wiegend im Arm hält.
"Gehts nach Hause?", fragt sie mich und streicht Hendrix noch einmal liebevoll über die Wange.
"Ja, morgen ist ja Schule." , sage ich.
"Kommst du morgen nach der Schule vorbei, Emma?", fragt sie mich.
"Kann ich gerne machen, wenn das kein Problem für dich ist."
Leos Mutter schüttelt grinsend den Kopf.
"Du darfst jederzeit herkommen Emma. Du bist immer herzlichst eingeladen."
Dankbar lächel ich sie an und nehme ihr Hendrix ab.
An der Wohnungstür verabschiede ich mich von Leo, die immernoch nicht bereit ist, mich zu küssen.Was ging in Leo vor? Seit dem Vorfall kein Kuss. Hatte ich doch etwas mit ihrem Zusammenbruch zu tun? Ich habe definitiv irgendwas gewaltig falsch gemacht. Ich wollte aber dass es zwischen uns gut ist, so wie vorher. Aber ob ich das hinkriege?
Zuhause angekommen, mache ich Hendrix bettfertig, fütter ihn und wiege ihn dann endlich in den Schlaf. Es ist anstrengend sich die ganze Zeit um so ein kleines Lebewesen zu kümmern und Sorgen, vorallem wenn es alle paar Stunden Aufmerksamkeit sucht.
Müde schleppe ich mich nach oben in mein Zimmer. Ganz langsam ziehe ich meine Klamotten aus und lasse sie auf dem Boden liegen. Morgen oder so werde ich sie wegräumen. Aber nicht mehr heute.
Ich starte die Musikanlage und lasse die sanfte Klaviermusik auf meinen verspannten Körper prallen, in der Hoffnung endlich vollkommen entspannen zu können. Allerdings ist mein Gehirn noch komplett am Arbeiten und lässt mich an Leo, meinen Vater und die Schule denken. Bei den Gedanken an Leo schaute ich auf das Handy. Sie wollte immer wissen wenn ich zuhause war, also schrieb ich ihr schnell. Ihre Antwort kam ebenso flott.
Tut mir Leid wegen heute, ich erkläre dir alles sobald ich soweit bin. Es ist aber alles gut, versprochen.
Hä? Nur weil sie mich nicht küssen wollte? Oder was anderes? Verdammt, ich wollte für sie da sein. Und das schrieb ich ihr auch nochmal.
Leo, egal was los ist, ich bin da für dich. Und wenn ich irgendwas ändern soll, bitte sag es. Ich tue es für dich. Und du kannst immer mit mir reden, egal worüber.
Und jetzt Wünsche ich dir eine gute Nacht.
Ich schließe mein Handy ans Ladekabel, schalte es dann aus und lege mich ausgestreckt hin. Die müden Lider fallen zu und ich entgleite in den Schlaf.Der nächste Morgen beginnt um 6 Uhr. Erstmal gehe ich duschen. Das warme Wasser löst auch die letzten Verspannungen endlich.
Noch immer müde machte ich mich fertig für die Schule. Meine Mutter saß bereits in der Küche mit einem Kaffee in der Hand und der Zeitung vor sich.
"Morgen.", sage ich und gehe zur Kaffeemaschine. Ich stelle eine Tasse unter den Hahn und lasse den heißen Cappuccino in die Tasse tröpfeln.
"Morgen mein Schatz.", kommt es von meiner Mutter zurück.
Ich beobachte sie unauffällig, es kam mir komisch vor, dass sie bereits so früh wach war. Sie war lediglich Hausfrau, Hendrix schlief noch und ich konnte mir selbständig alles für die Schule fertig machen.
"Alles okay bei dir?", erkundige ich mich deshalb.
Keine Reaktion. Doch plötzlich zuckt sie zusammen und schaut mich vorwurfsvoll an.
"Was?", fragt sie völlig verwirrt.
"Ob alles okay bei dir ist?", Frage ich erneut.
"Jaja. Dein Vater, du kennst ihn ja."
Naja, eigentlich war ich mir gar nicht mehr so sicher ob ich ihn kannte.
"Ja. Ruh dich heute gut aus, ich fahre jetzt zur Schule. Danach bin ich bei Leo."
Besorgt mustere ich sie weiter. Die Augenringe waren sehr dunkel, und ihre Wangenknochen standen stark hervor, als hätte sie seit Tagen nichts gegessen. Augenblicklich tat sie mir Leid, aber was hätte ich tun können?
"Ja, kein Problem. Ich fahre mit Hendrix gleich zum Arzt und dann einkaufen. Brauchst du noch was?", fragt sie mich.
"Nein. Ich hab alles."
Ich ziehe meine Schuhe an, die dicke Jacke und verlasse dann mit Tasche und Schlüssel das Haus. Da ich das Auto gestern nicht mehr in die Garage gestellt hatte, musste ich kratzen. Der Winter war dieses Jahr schon früh eingekehrt.
Ich ließ den Motor warmlaufen und kratzte währenddessen die Eissschicht von den Scheiben.
Nächstes Wochenende ist der erste Advent, ich wünschte dass es dieses Jahr ein harmonisches Weihnachtsfest gab, allerdings zweifelte ich stark daran.Die Schule verlief so wie immer, Deutsch und Englisch verflogen nur so, Mathe und Politik zogen sich wie Kaugummi. In der Pause konnte ich Leo nirgends finden, dazu antwortete sie mir auch per WhatsApp nicht.
In den letzten beiden Stunden, in denen ich Volkswirtschaftslehre hatte, begann es auch noch zu schneien. Durch die laute Klasse bekam ich noch tierische Kopfschmerzen, die auch nicht durch eine Tablette verschwinden wollten.Als Schlussendlich der Gong ertönte, rief mein Lehrer, Herr Pausenbeck, mich nochmal zum Pult. Alle anderen Schüler verließen bereits den Raum, während ich zu meinem Lehrer schlendere.
"Emma, ist bei dir alles gut?", erkundigt sich der Lehrer während er seine Tasche einpackt.
"Ja wieso?", frage ich verwundert.
"Ich finde du bist sehr still geworden in letzter Zeit. Dazu das ständige nachsitzen wegen den Fehlstunden. Hast du Zuhause Probleme oder ist etwas anderes? Du weißt dass du mit mir reden kannst, oder?"
Wieso fragen Lehrer immer, ob man weiß dass man mit Ihnrn reden kann? Ich meine, ich kann mit jedem reden wenn ich das will. Nur ob derjenige mir zuhört, das ist seine Sache.
"Ja, natürlich weiß ich das. Aber ich möchte nicht reden. Trotzden danke."
Ich wende mich zum gehen, doch mein Lehrer denkt nicht daran mich gehen zu lassen.
"Emma!" Er schreitet eilig an mir vorbei und bleibt vor der Tür stehen.
"Renn nicht vor deinen Problemen weg! Das geht nicht so weiter. Streng dich im Unterricht mehr an oder rede mit mir darüber. Es gibt für alles eine Lösung."
Ich nicke nur genervt und versuche meine Augen nicht zu verdrehen.
Klappt aber nicht.
"Emma!", sagt Herr Pausenbeck empört, als er mein Augen verdrehen sieht.
"Herr Pausenbeck, ich will über nix reden, da gibt es nix zu reden und fertig. Darf ich jetzt gehen?", versuche ich möglichst ruhig zu fragen. Herr Pausenbeck nickt und tritt zur Seite, als ich an ihm vorbei gehe, rumpelt er mich an und etwas kleines fällt fast tonlos auf den Boden.
Ich drehe mich verwirrt um, nichts ahnend was jetzt passieren würde.
"Emma, was ist das?", fragt er mich und hebt das kleine durchsichtige Tütchen hoch.
"Das ist nicht meins.", sage ich unbeeindruckt, Herr Pausenbeck sieht dies leider anders.
Ist das etwa,... Koks?", flüstert er beinahe und schaut mich sehr sauer an.
Ich trete näher heran und schaue das weiße Pulver an.
"Wie gesagt, nicht meins. Dazu nehme ich keine Drogen.", sage ich und will gehen.
"Hierbleiben. Wir müssen die Polizei und deine Eltern verständigen. Hoch zur Direktorin!"
Völlig sprachlos drehe ich mich zu Herrn Pausenbeck um.
"Was? Das ist doch nichtmal meins! Wer sagt denn überhaupt dass das echt Koks ist? Das sieht nämlich fast aus wie Backpulver!"
"Wenn du weißt wie Koks aussieht wird es auch deins sein! Dazu ist es ja aus deiner Tasche gefallen, hab es ja gesehen!"
Herr Pausenbeck ließ sich nicht beirren und schob mich zu den Treppen. Er ließ meinen Arm bis zum Raum der Direktorin nicht mehr los, und ehrlich gesagt tat es auch weh.
Bevor Herr Pausenbeck an die Tür klopfte, räusperte er sich und strich sein T-Shirt glatt.
"Herein!", ertönte eine strenge, aber sehr feminine Stimme aus dem Raum. Herr Pausenbeck öffnete die Tür und ließ mich eintreten. Er blieb hinter mir stehen.
Ich musterte inzwischen die sehr junge Frau an dem dunklen Eichenholztisch mit den glänzend schwarzen Lederordnern.
Sie hatte eine sehr sportliche Figur, lange blonde Haare, eine Brille und leicht gebräunte Haut. Ihre Augen waren unglaublich hell, fast schon weißlich.
"Herr Pausenbeck, was ist denn diesmal los?", fragt sie freundlich, obwohl ich einen genervten Unterzon feststellen kann.
"Die junge Dame hier hat etwas im Klassenzimmer verloren.", sagt er und reicht ihr dann das Tütchen rüber.
Ihre zierliche Hand war sehr gepflegt, so wie ich es beurteilen konnte, die Nägel waren in mattschwarz lackiert und am linken Handgelenk trug sie ein dünnes Armband aus Stoff.
Sie schaute sich das Tütchen ganz genau an und dann schaute sie zum ersten Mal mich an.
"Ist das deins?", fragt sie mich mit ruhiger, kraftvoller Stimme.
"Nein.", sage ich zögernd.
"Herr Pausenbeck, warten Sie bitte draußen.", bestimmt sie ohne den Blick von mir zu wenden. Dieser nickt und verlässt den Raum.
"Wie ist dein Name?", fragt die Frau dann.
"Emma.", sage ich.
"Okay, Emma. Ich bin Frau Missall."
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Ocean Eyes
RomanceLeo ist eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Leben, bis sie eines Tages wegen eines dummen Zufalls auf Emma trifft. Wenn da nicht noch Leos beste Freundin Vanessa wäre, die gerade jetzt viel Hilfe und Unterstützung braucht. ________________________...