Sweet Beginnings

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Der nächste Morgen. Mein Auge war inzwischen etwas lila, meine Nase war abgeschwollen. Erneut im Bus, doch Vanessa stieg nicht ein. Aber manchmal passierte das einfach, meistens hatte sie verschlafen oder sie hatte keine Lust. Dann schrieb sie mir immer gegen elf oder zwölf und gut war es dann.

Die Schulstunden vergingen nur schleppend, in der Pause gesellte ich mich zu einigen Mädchen die sonst zu den Außenseitern galten. Nach der sechsten Stunde bewegte ich mich, wieder mit Ben im Schlepptau, zum Nachsitzen. Dieser war wieder äußerst aufdringlich und nervtötend.

„Wo ist eigentlich Nessie? Die ist doch deine beste Freundin, nicht wahr?", fragt erlaut.

„Halt bitte deinen Mund.", antwortete ich genervt und klopfte an die Türe, ehe ich eintrat. Aber eigentlich hatte er Recht, sie hatte sich noch immer nicht gemeldet. Ich würde nach der Schule zu ihr nach Hause fahren.

Erneut ließ ich mich eintragen und suchte danach mit meinen Blicken nach Emma. Diese saß wieder in der letzten Reihe, der Stuhl neben ihr war frei, sie lächelte mir zu. Erleichtert ging ich zu ihr, begrüßte sie leise und setzte mich auf den freien Stuhl.

„Nervt der wieder?", fragte sie und schaut zu Ben, der grinsend zu uns sah.

„Ja, schon den ganzen Tag. Ich weiß nicht einmal was der von mir will.", stöhnte ich genervt.

Ben hatte sich inzwischen vor uns gesetzt und drehte sich zu uns um.

„Na, Ladies?"

Emma musste sich ein Lachen verkneifen und sah mich kopfschüttelnd an.

„Du arme!"

Ich nickte.

„Danke, ich weiß! So geht es schon den ganzen Tag!"

„Ey, Leo, jetzt sag doch mal was mit Vanessa ist. Single? Oder hat die 'nen Kerl am Start?", fragt Ben weiter und hört einfach nicht auf mit seinem ekligem Grinsen.

„Daher weht also der Wind.", sagt Emma und schlägt ihren Collegeblock auf. Eine neue Zeichnung erscheint, wieder wunderschön.

„Wenn du dich so sehr für Vanessa interessierst, dann frag sie doch selbst? Oder soll ich dein 'Wingman' sein?", frage ich ihn und werfe ihm einen genervten Blick zu.

„Naja, du bist doch mit ihr dicker als ich es bin. Also kannst du gute Worte für mich einlegen und dann läuft das schon.", sagt er selbstgefällig und sieht mich bittend an. Ich schüttle lediglich den Kopf und ignoriere ihn. Stattdessen schaue ich auf Emmas Zeichnung.

„Wie hast du so gut zeichnen gelernt?", frage ich sie leise. Emma errötet und sieht mich schüchtern an.

„Naja, ich mach es schon mein Leben lang und irgendwann hat man ein Gefühl dafür, wo welcher Strich sein muss.", sagt sie und lächelt leicht.

„Ich wünschte ich könnte nur ansatzweise so gut zeichnen.", gab ich zu und schaute wieder auf dieses wunderschöne Bild. Diesmal hatte sie einen Wald gezeichnet, ein Hirsch stand am Waldrand und sein Geweih verlieh ihm ein machtvolles Erscheinungsbild.

„Wenn du magst, kannst du es haben. Ich wollte jetzt ein neues Bild anfangen.", sagt Emma und trennt das Blatt vom Collegeblock ab. Sie reicht es mir, und als ich ihr das Bild abnehme, berühren sich unsere Finger. Sie waren warm, und diese Berührung ließ mein Herz ruhiger schlagen. Während ich das Bild nun ausgiebig betrachtete und mir jeden einzelnen Bleistiftstrich einprägte, begann Emma tatsächlich ein neues Bild. Sie malte die Umrisse eines großen Diamanten. 

Die restliche Zeit nervte Ben immer mal wieder, doch ich beschäftigte mich mit Mathematik. Ich musste einige Formeln lernen und die Hausaufgaben erledigen. Kaum dass der Schulgong ertönte, packten Emma und ich unsere Sachen zusammen.

„Bist du morgen wieder hier?", fragte ich sie, während ich in meine schwarze Bomberjacke schlüpfte.

„Ich werde höchstwahrscheinlich immer hier sein.", grinste sie und strich sich ihre braunen Haare hinter ihr Ohr. Ein Piercing kam zum Vorschein.

„Okay, morgen bin ich das letzte mal hier, außer ich muss Ben nochmal verprügeln.", lächelte ich und brachte sie damit zum Schmunzeln.

„Schade, es war angenehm mal nicht alleine rum zu sitzen." Emma zieht sich ihre Jacke an und hängt sich ihre Umhängetasche über die Schultern. Ich begleite sie bis nach draußen, dort verabschieden wir uns. Eine kleine, zögerliche Umarmung, in der ich ihren einzigartigen Duft einatme. Sie riecht unglaublich gut.

„Okay, dann bis morgen?", frage ich und gehe langsam rückwärts.

 „Klar, ich bin die, mit dem Bild vor sich!", sagt Emma und lacht nochmal, bevor sie sich von mir wegdreht. Ihre Zähne waren perfekt angereiht und fast ganz weiß. Ich lächelte in mich rein und lief zur Bushaltestelle. Schnell entknotete ich meine Kopfhörer und schaltete Musik ein. Ich schaute nach, ob Vanessa mir endlich geschrieben hatte, doch da war nichts. Seufzend versuchte ich sie anzurufen. Sie nahm nicht ab, also würde ich zu ihr gehen.

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