Safer than Home

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"Okay, Emma. Ich bin Frau Missall. Die Tochter eurer Direktorin, allerdings kann meine Mutter aufgrund ihres Blinddarms nicht arbeiten also mache ich das."
Ich nicke und stecke meine Hände in die Taschen.
"Setz dich doch bitte hin." Sie deutet auf den Lederstuhl vor dem Tisch. Sofort komme ich dieser Bitte nach.
Frau Missall lässt sich ebenfalls auf ihren Stuhl gleiten und schaut erneut auf das kleine Tütchen.
"Ich frage dich noch einmal, ist das hier von dir?", ihr Blick schien mich zu durchleuchten.
"Nein." Diesmal ohne Zögern.
"Okay." Sie wirft das Tütchen in den Müll und wendet sich dem PC zu.
"Ich werde mir diesen Vorfall aufschreiben, wenn du nochmal hier landest war das auch deins, verstanden?", fragt sie nun. Ihre Stimme bleibt die ganze Zeit freundlich.
"Okay." Ich schaue ihre Kette an, eine kleine Weltkugel. Sie sah schön aus.
"Herr Pausenbeck hat mir in den letzten zwei Wochen bereits fünf Schüler mit angeblichen Koks ausgeliefert. Einer davon war ein hochgradiger Nerd. Ich glaube, er denkt, ich sei dumm.", kichert sie auf einmal leise.
Ich muss unwillkürlich lächeln.
"Schon etwas auffällig.", gebe ich zu.
"Er will lediglich der neue Direx werden. Wird er aber nicht.", sagt sie grinsend und reicht mir dann ein Blatt.
"Kannst du das von deinen Eltern unterschreiben lassen? Nur damit Sie wissen dass ich mich damit beschäftige und Sie in Kenntnis gesetzt worden sind."
Frau Missall sah mich lächelnd an.
"Okay. Kriege ich hin.", sage ich und packe den Zettel in meine Tasche.
"Das wars dann auch." Frau Missall steht auf und reicht mir die Hand.
"Danke sehr, Frau Missall."
"Gerne, Emma. Wenn du ein Problem hast, ich sitze sonst nur im Zimmer des Schülertherapeutens. Du bist jederzeit herzlich Willkommen, und wenn du nur einen Keks brauchst, ich hab immer welche da."
Ihr Lächeln konnte einen schon verzaubern.
Ich nicke und muss grinsen als ich folgendes sage:
"Wenn sie mal Reden wollen, ich bin hier Schülerin und habe meistens Unterricht. Aber sie werden schon herausfinden wo ich unterrichtet werde. Und ich hab immer ein offenes Ohr dabei."
Diesmal lacht Frau Missall auf.
"Schön zu wissen, danke Emma. Und jetzt geh nach Hause, hast doch bestimmt besseres zu tun als noch länger hierzubleiben."
Da hatte sie Recht. Leo wartete bestimmt schon am Auto.
Ich grinse ihr nochmal zu, ehe ich den Raum verlasse und fast in Herr Pausenbeck reinlaufe.
"Tschüss, schönen Feierabend gleich!", wünsche ich ihm und gehe eilig die Treppen zum Foyer runter.
Raus aus dem Gebäude und auf zum Parkplatz. Da stand Leo auch schon. Vor meinem schönen Porsche. Stolz auf mein Auto war ich schon. Auf meinen Vater eher weniger.
"Da bist du ja! Hab dich den ganzen Tag gesucht.", sage ich schon etwas traurig.
"Ja tut mir Leid, meine Flat ist abgelaufen und die Lehrer wollten alles was von mir."
Ich öffne das Auto und Leo lässt sich auf den Beifahrerplatz gleiten.
"Herr Pausenbeck wollte mir gerade Backpulver als Koks unterschieben.", erzähle ich und schnalle mich an.
"Warum das denn? Ist der dumm?", fragt Leo verwundert.
Ich starte den Motor und fahre langsam aus der Parklücke raus und auf die Straße in Richtung Leos Zuhause. Dabei erzählte ich ihr die jüngsten Ereignisse. Von Frau Missall erzählte ich ihr ebenfalls.
"Ich glaube sie ist Vertrauenslehrerin, und die Tochter von der Direktorin. Ich hab sie bisher nie irgendwo gesehen!", berichte ich ihr.
"Okay, ich hab aber auch noch nie von ihr gehört. Komisch."

Leos P.O.V.
Der Tag mit Emma tat gut. Zusammen erledigten wir erst die Hausaufgaben und kochten dann für meine Mutter, die erst gegen halb sieben abends zurück kommen würde.
Danach überraschte sie mich mit einem Besuch im Autokino. Wir sahen eine Komödie und danach wollte sie mit mir noch in eine kleine Bar. Die Bar war wirklich klein, sie hieß Small Village und war recht romantisch. Auf jedem Tisch standen kleine Liebesgedichte geschrieben, die Gläser für Frauen waren rosa, die für Männer blau. Die Kerzen standen in kleinen Gläsern, die Stimmung war recht verliebt in dem Laden.
Emma erzählte mir was über ihre Kindheit, während ich in Erinnerung schwelgte. Meine Mutter konnte sich keinen Urlaub leisten, wir kamen gerade so über die Runden. Zu hören was Emma bereits alles erlebt hat, machte mich traurig. Sie hatte so viel Geld, keine Sorgen und meine Mutter und ich hatten schonmal Tiefpunkte gehabt wo wir nichts mehr zu Essen im Haus hatten. Emma hat sowas wie Schulden nie kennengelernt oder sich etwas zu verdienen, dennoch war ihr das egal. Sie war so höflich zu mir. In der Schule hatte sie mir schon so oft etwas zu essen gekauft, oder mir Geld zugesteckt. Aber sie wollte es nie zurück haben. Langsam kamen bei mir aber Schuldgefühle hoch.
"Emma?", unterbrach ich ihren Redefluss plötzlich.
"Ja, Leo?", verwundert sah sie mich an.
"Tut mir Leid, ich hab dich unterbrochen. Rede weiter.", bitte ich Sie dann.
"Nein, es scheint was wichtiges zu sein, komm erzähl."
Ich blicke in ihre wunderschönen Augen, ihre Hand greift nach meiner und sie lächelt mich aufmunternd an.
"Schläfst du heute bei mir?"
In meinem Kopf verdrehen sich die Gedankenstränge. Wieso habe das gefragt? Warum wollte das? Bin ich jetzt komplett durchgedreht?
Warscheinlich schon.
"Ja gern. Wieso denn? Was ist los? Du siehst kreidebleich aus. Ist alles okay?", fragt Emma mich besorgt.
"Ja. Nein. Ich bin einfach müde, glaube ich."
"Dann fahren wir jetzt.", sagt Emma und ruft einen Kellner herbei. Zügig zahlt sie und hilft mir in meine Jacke.
Draußen schneite es noch immer, es hatte heute Mittag angefangen.
"Magst du den Schnee eigentlich?" , fragt Emma mich leise und greift nach meiner Hand. Das Knarzen unter den Schuhen beruhigte mich, es klang noch immer wie damals in meiner Kindheit. Manche Dinge ändern sich halt nie.
"Ja, ich habe es immer geliebt durch den Schnee zu reiten. Oder das Pferd vor den Schlitten zu spannen. Das war echt cool.", gebe ich zurück.
Zeitgleich schießt mir ein Bild von Daisy, meiner damaligen Reitbeteiligung in den Sinn. Sie war in meinen Armen gestorben und der Grund, weshalb ich nie wieder geritten bin.
"Hattest du eigentlich mal ein eigenes Pferd?", fragt Emma neugierig.
"Ja. Als meine Eltern noch zusammen waren, hat mein Vater mir ein Pferd gekauft. Es hieß Colonels ChappoChaplin. Er war wie ein kleines Baby, ich habe ihn selbst eingeritten. Wir waren das Dreamteam am Stall, er war mein Seelenpferd, allerdings passierte dann die Scheidung und er wurde verkauft. Ich weiß nicht wo er ist und wie es ihm geht.", erzähle ich.
"Wie ist das eigentlich, ein Pferd einzureiten? Ist das schwierig oder ein immer gleich bleibender Ablauf?"
Emma schien ernsthaft interessiert zu sein.
"Es kommt immer auf das Pferd an. Eins kann man so einreiten, bei dem anderen muss man vorher schon viel andere Dinge üben."
"Okay. Hättest du eigentlich gerne wieder ein Pferd?"
"Kein Geld dafür. Leider."
"Das beantwortet meine Frage nicht.", sagt Emma und drückt meine kalte Hand.
"Natürlich hätte ich gern wieder ein Pferd, aber ich hab schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf einem gesessen, geschweige denn eins gestreichelt."
Ich schaue Emma an, in ihren Kopf arbeitete es.
"An was denkst du?", frage ich vorsichtig.
Emma klickte das Auto auf und öffnete mir die Tür.
Ich stieg ein und schnallte mich an, während Emma auf die Fahrerseite ging. Ich zitterte vor Kälte, also machte Emma zügig den Wagen und die Heizung an.
"Willst du mal wieder reiten?", fragte sie aus dem nichts heraus.
"Ich würde jetzt 'nein' sagen, aber wenn ich vor einem Pferd stehen würde, werde ich niemals ablehnen."
Emma nickt andächtig und fuhr uns sicher zu mir nach Hause. Es war bereits halb zehn, alles war dunkel und die Straßenlaternen erleuchteten die Straße.
"Emma?", frage ich als sie den Wagen parkt.
"Ja?"
"Wieso gibst du mir so viele Sachen aus? Oder steckst mir Geld zu? Warum tust du das?"
Emma schaltet den Wagen aus und schnallt sich ab.
"Weil ich so viel Geld in der Familie habe, dass es mich nicht interessiert. Wenn du dadurch etwas schönes bekommst, warum nicht? Ich weiß dass ihr nicht so viel Geld habt dass du dir einfach mal, ohne nachzudenken, etwas kaufen kannst oder etwas machen kannst. Deshalb mache ich das. Du hast das verdient Leo."
"Okay." Ich musste schlucken, Emma war so lieb zu mir und ich konnte ihr keine Liebe zeigen. Toll. Die Tränen stiegen hoch.
"Hab ich was falsches gesagt?" Emma erblickte meine nassen Augen.
"Nein.", piepste ich.
"Was ist los Leo?"
Ich drehe mich von ihr weg, schaue auf die Windschutzscheibe und beobachte die kleinen Schneeflöckchen, wie sie sich langsam sammeln.
"Ich habe starke Depressionen und bin Suizid Gefährdet, Emma."

Ocean EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt