Lost and Found

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Meine Mutter hatte den ganzen Samstag lang Kekse gebacken und mit Schokoguss glasiert und mit Streuseln verziert. Es roch im ganzen Haus nach warmen Schokokeksen und einfach nach Weihnachten. Ich liebte diesen Geruch. Der erste Advent startete wie jedes normale Wochenende bei uns, ich schlief aus, also bis gegen halb elf, meine Mutter holte mit Hendrix frische Brötchen und Croissants vom Bäcker und deckte den Frühstückstisch. Ich ging mit einer weiten Jogginghose und einer Sweatjacke runter zum Frühstücken.
"Guten Morgen Louise!", begrüßte meine Mutter mich, ich merkte wie froh sie war, dass sie nicht allein den ersten Advent verbringen musste.
"Morgen Mama.", gab ich zurück und setzte mich an den Tisch.
Hendrix aß bereits kleine Stücke von einem Milchbrötchen und gluckste dabei herum.
Ich bediente mich der warmen Croissants und schmierte Marmelade drauf.
"Was machst du heute noch so, Louise?", fragt meine Mutter mich beiläufig.
"Was hast du denn geplant?", erkundige ich mich. Die Croissants waren verdammt lecker, also nahm ich mir ein zweites.
"Wollen wir ins Autokino fahren? Dann nehmen wir Kekse mit, was zu trinken und Hendrix kann auch dabei sein.", schlug sie vor.
"Hmm, was läuft denn heute im Autokino?", frage ich. Ich war ja letztens erst mit Leo, aber das musste Mama ja nicht wissen.
"Ein Weihnachtsfilm, ich bin mir nicht mehr sicher welcher es war. Lass uns bitte hinfahren.", bittet Sie mich. Ich stimme zu und beginne das dritte Croissant mit Marmelade zu bestreichen.

Also machen wir uns nach dem Frühstück fertig und ziehen uns an, Mama kleidet Hendrix noch ein und dann geht's raus.
"Fährst du?", fragt meine Mutter mich.
"Ja, aber nicht mit meinem Auto. Hendrix hat mir letztens auf die Ledersitze gekotzt. Das war echt eklig."
Wortlos reicht Mama mit die Schlüssel für den Bully, der für Familienzwecke gedacht war.
Und so fuhren wir zum Autokino. Die Fahrt über war ich still, Hendrix lachte über irgendwas und meine Mutter redete mit ihm. Ich hörte nicht hin, in Gedanken war ich bei Leo. Ich hatte das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte.
Beim Autokino angekommen parkte ich so mittig wie es ging. Bisher waren nicht viele Autos da, es dauerte auch noch bis es losging. Neben uns parkte ein kleiner Sportwagen, er sah echt gut aus. Es war kein Porsche oder vergleichbares, aber trotzdem echt schick.
Meine Mutter packt die ganzen Leckereien aus und bittet mich, Hendrix von der hinteren Sitzbank nach vorne zu holen. Also steige ich aus und werfe einen Blick in den Sportwagen, das Gesicht der Frau darin sagte mir was, aber ich kam nicht darauf.
Der Film war echt gut, Mama wirkte zum ersten Mal seit langem wirklich glücklich und abgelenkt. Hendrix schlief im Laufe des Films ein.
Als der Abspann dann schließlich den schwarzen Bildschirm herunterlief, brachte ich Hendrix zurück auf den Rücksitz und schnallte ihn an. Als ich die Tür dann zu zog stand Frau Missall vor mir. Jetzt machte es klick.
"Emma! Wie schön! Wie geht es dir?", erkundigt sie sich und strahlt mich mit ihren weißen Zähnen an.
"Oh, hi Frau Missall. Mir geht es ganz gut und Ihnen?"
Erstaunt schaue ich sie an. Die letzten Jahre habe ich Sie nie bemerkt, und jetzt sehen ich sie zum zweiten Mal in drei Tagen. Schon verrückt.
"Gut, danke der Nachfrage. Wir sehen uns morgen, ich wünsche dir noch einen schönen 1. Advent."
"Danke, Ihnen auch."
Freundlich lächel ich sie an und schaue ihr noch hinterher, wie sie in den kleinen weißen Sportwagen steigt.
Wow. Sie war echt verdammt attraktiv, wie konnte man denn so gut aussehen? Egal, ich hatte meine Leo und war sehr glücklich mit ihr.

Den Abend spielten meine Mutter und ich noch einige Kartenspiele, ehe ich mich um halb zehn ins Bett verabschiedete. Endlich konnte ich mich ausstrecken und Musik hören. Entspannt schloss ich meine Augen und lauschte den Klängen von Cigarettes after Sex und verfiel langsam dem Schlaf.

Am frühen Morgen klingelte der nervige Wecker und ich checkte sofort mein Handy. Leo hatte mir seit gestern Mittag nicht mehr geschrieben und ich machte mir Sorgen.
Also rief ich sie an. Allerdings nimmt keiner ab. Seufzend erhebe ich mich und hinterlasse ihr noch eine Nachricht.
All meine Gedanken kreisten um Leo, und Vanessa, aber mehr als warten konnte ich nicht. Ich würde sie in der Schule treffen, und dann mit ihr reden können.
Schleppend zog ich mich an, machte mich frisch und stieg die Treppen runter ins Erdgeschoss. Gustav wartete bereits auf seinen morgendlichen Spaziergang, den ich dann mit ihm ging. Er rannte durch den Schnee, über Nacht war noch mehr heruntergekommen.
Nach etwa dreißig Minuten waren wir wieder zurück und ich machte mich auf den Weg zur Schule. Durch den ganzen Schnee würden viele Schüler nicht kommen, da die Busse und Bahnen Verspätungen hatten. Also waren die Aufzüge leer und die Gänge ebenso. Ich beschloss im Foyer auf Leo zu warten und mit ihr gemeinsam hoch zu fahren. Sie hatte jetzt gleich Mathe, ich werde BWL haben. Normalerweise trudelte sie immer gegen 7:40 Uhr hier ein, aber da die Busse Verspätungen hatten, tippte ich eher auf 7:50 Uhr. Seufzend holte ich mein Handy aus der Tasche und tippte eine Nachricht an sie ein. Die letzte Nachricht hatte sie gelesen, aber nicht geantwortet. Toll.
"Emma!", hörte ich jemanden rufen. Erschrocken zuckte ich zusammen und sah auf. Vanessa kam auf mich zu.
"Hey, wo ist Leo?", frage ich stotternd.
Sie umarmt mich zur Begrüßung und nimmt ihren schwarzen Schal ab.
"Sie ist zuhause. Sie - also ihr geht's nicht gut. Sie wollte später zum Arzt, ich habe ihren Schlüssel bekommen, ich bin ja wieder bei ihr momentan.", sagt sie und zeigt mir den Schlüsselbund.
"Wieso antwortet sie mir denn nicht auf die Nachrichten? Hab ich was falsch gemacht?", frage ich geknickt.
Zusammen gehen Vanessa und ich zu den Aufzügen, wo Ben bereits auf Vanessa wartete. Die beiden umarmten sich und Ben lächelte sie freundlich an.
Dass Ben freundlich lächeln konnte, wow.
"Ich glaube sie braucht nur ihre Ruhe gerade. So ist Leo halt.", sagt Vanessa schulterzuckend. Erneut seufze ich.
Die Aufzugtüren öffnen sich und wir steigen ein. Ich musste in die fünfte Etage, Vanessa und Ben in die siebte. Als wir aussteigen, verabschiedete ich mich von Vanessa und ging zu meiner Klasse.

In der Mittagspause versuche ich Leo anzurufen. Doch diese geht nicht dran, ich versuche mir einzureden dass sie eventuell beim Arzt ist, oder schläft oder gerade im Bad ist.
In der siebten Stunde habe ich eine Frei-Stunde, und versuche erneut Leo zu erreichen. Vergebens. Langsam machte ich mir echt Sorgen um sie, dabei wollte ich doch nur für sie da sein.

Ocean EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt