Scandalous

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Emmas P.O.V.


Mittlerweile war es echt kühl draußen. Ich sollte mir angewöhnen meine dickere Jacke anzuziehen. Ich schob das Eisentor von der Einfahrt auf und trat auf unser Grundstück. Meine Eltern waren etwas reicher, ich hatte auch ein Auto, aber momentan Fahrverbot aufgrund meines Verhaltens. Mir war es egal. Eilig lief ich die vier Stufen zur hölzernen Haustür hoch und schloss sie auf.

„Hallo?", rief ich in das leere Haus, lediglich mein Schäferhund-Rüde Gustav kam freudig schwanzwedelnd auf mich zu gelaufen.

„Na, Gustav? Wenigstens einer, der mich begrüßt. Wie geht's dir?", fragte ich ihn leise und drückte ihm einen Kuss auf seine samtige Stirn. Ich legte meinen Rucksack auf den Hocker unter der Garderobe und hängte meine Jacke an einen Haken. Meine Schuhe ließ ich in den Schuhschrank verschwinden.

„Komm Gustav, ab in den Garten!", forderte ich den schwarzen Hund auf, der mittlerweile wieder auf dem Boden lag. Ich ging durch das geräumige Wohnzimmer zur Terrassentür und schlüpfte in die Gartenschuhe. Tür auf und Gustav rannte raus auf die Wiese. Ich stellte mich an das Geländer und ließ meinen Blick über das Grundstück schweifen. Irgendwo hier sitzt unser Kater Mogli, allerdings sah ich ihn nicht. Mein Blick fiel auf den Koi-Teich, dem Stolz meines Vaters. Jedem zeigte er seinen Teich, mit den teuren Fischen darin. Das Wasser war so klar, dass man bis auf den Grund schauen konnte und den Kiesboden erkannte. Sein teuerster Fisch darin war zwei Neuwagen wert. Ich habe nie verstanden, wie man soviel Geld für einen Fisch ausgeben konnte, aber naja. Jedem das seine. Langsam kam Gustav zurück, er war fertig mit seinem Geschäft und wollte wieder rein. Ich trocknete seine Pfoten ab und ließ ihn in das warme Haus zurück.

Meine Mutter kümmerte sich, seit der Geburt meines Bruders, nur noch um ihn. Er wurde überall hingefahren und abgeholt, mit Watte ummantelt und wie Zucker behandelt. Ich konnte sehen wie ich wohin kam. Mein Vater war zu sehr mit arbeiten beschäftigt. Er war an der Börse tätig, reiste viel umher und war vielleicht zwei Mal im Monat zuhause, wo er sich aber lediglich um seinen Teich kümmerte. Und seit er wusste, dass ich nicht hetero war, habe ich mich für ihn in Luft aufgelöst. Wenn bei uns im Sommer eine Gartenparty stieg, hatte ich mich im Zimmer aufzuhalten oder ganz wegzugehen.

Seufzend schnappte ich meinen Rucksack und ging hoch zum Dachboden. Das war alles meins. Hier störte mich niemand, und so wusste auch niemand, was ich hier oben alles hatte. Minikühlschrank, Mikrowelle und Badezimmer waren nur Nebensächliches. Hatte auch was gutes, reiche Eltern zu haben. Trotzdem fühlte ich mich oft ungewollt und alleine, auch wenn meine Mutter manchmal per Whatsapp fragte, ob ich was brauche, weil sie zu faul war, die Treppen hoch zu gehen.

Ich öffnete meinen Rucksack und holte die Schulsachen hervor. Hier zuhause wusste niemand von meinem häufigen Nachsitzen. Ich war bereits 20, also wurden meine Eltern nicht benachrichtigt. Plötzlich fiel mir der zusammengefaltete Zettel von Leo entgegen. Ich sollte ihn Zuhause öffnen, also ließ ich mich aufs Bett fallen und nahm in sofort unter Beschuss. Nervös klappte ich ihn auseinander. Sie hatte tatsächlich versucht zu malen. Der Wald sah ganz gut aus, sie hätte nur die Schatten dunkler malen sollen. Ich drehte den Zettel um, und erkannte ihre schöne, geschwungene Schrift.


Hast du Lust auf Kaffee mit Pommes mit mir?


Unwillkürlich musste ich lächeln. Das neuliche Treffen nachts ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Obwohl ich mir nicht sicher war, ob sie nicht doch echte Gefühle für diese Vanessa hegte, war Leo wirklich cool. Mitten in der Nacht rauskommen macht nicht jeder. Und damit hatte sie meinen ersten Test bestanden. Ich mochte spontane Menschen, nicht jemanden, den man Wochen vorher fragen muss. Sofort setzte ich mich an meinem Kunsttisch und zeichnete eine Antwort.

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