Rausgeworfen... oder die Flasche Wasser

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"Wohin fahren wir?", fragte ich, als Jake schon die dritte mögliche Abfahrt zu sich nach Hause nicht nahm. Stattdessen waren wir jetzt im Stadtteil unserer Schule.
"Na ins Levington, wie versprochen. Sag mir nicht, du kennst es nicht."
"Doch, doch.", sagte ich schnell. Mich überraschte es nur erneut, wie schon zu Beginn des Abends, dass Jacob es auch kannte.
Wir kamen schließlich vor einem Gebäude im Stil der Diners der 50er Jahre zum stehen. In geschwungenen, beleuchteten Lettern stand oben 'Levington' geschrieben. Jake suchte einen Parkplatz und stieg aus.
"Was ist jetzt, Kätzchen?", fragte er. Zögernd stieg ich aus und lief neben ihm her auf den Eingang zu.
"Ich fürchte, ich bin ein wenig overdressed für einen Milchshake." Ich trug zwar eines meiner liebsten Etuikleider aus nachtblauer Spitze, aber ich würde damit auffallen wie ein bunter Vogel.
"Ist doch egal. Sie mich an. Ich trage Hemd und Jackett", meinte Jacob
Was ihm verboten gut steht, ergänzte eine Stimme in meinem Hirn. Als hätte ich es laut ausgesprochen, biss ich mir auf die Zunge. Er hielt mir die Tür auf.
"Danke." Mein halbes Lächeln musste erbärmlich aussehen. Ich sah mich im Diner um und erblickte eine freie Sitzecke weit hinten. Die selbe hatte wohl auch Jake gesehen und so liefen wir schnurstracks darauf zu und ließen uns in das weiche Polster fallen.
Nur wenige Augenblicke später kam eine Kellnerin angerauscht. Es war Hermone, ein Mädchen in unserem Jahrgang, die schon länger hier jobbte. "Wisst ihr schon, was ihr wollt?", fragte sie. "Oh, hi Jake.", sagte sie freudestrahlend. Dann sah sie zu mir herüber. "Und... Cloe?" Ihren skeptischen Blick konnte ich sehr gut verstehen. Ich hatte eben noch schnell im Seitenspiegel nachgesehen, wie fertig ich aussah, aber die Katastrophe hielt sich in Grenzen. Viel mehr war es wohl die Tatsache, dass Jake und ich hier in schicken Klamotten aufkreuzten, die sie verwunderte.
"Ich hätte gerne einen koffeinfreien Café Latte. Und du, Cloe?", fragte Jake.
Eines war klar, wenn ich im Levington war, wusste ich immer sofort, was ich wollte.
"Einen Chocolate Chip Salted Caramel Shake." Seine Augenbrauen flogen in die Höhe.
"Okaaay.", kommentierte er.
"Kommt sofort.", sagte Hermone und huschte davon in Richtung Küche.

Ich schwieg eine ganze Weile und starrte ins Leere. Ich dachte nicht darüber nach, was passiert war sondern beobachtete einfach das Treiben der Leute. Einige hier waren mit ihren Freunden, andere mit ihrem Partner oder ihrem Date. Und sie alle sahen so glücklich aus, dass sich mein Magen zusammenkrampfte.
"So, einmal der koffeinfreie Café Latte und der Milchshake.", sagte die Kellnerin und stellte die Getränke vor uns ab. "Das macht dann fünf Pfund siebzig." Sie zückte eine Geldbörse.
Ich wollte gerade nach dem Portemonnaie in meiner Lederjacke greifen, da kam Jake mir zuvor und drückte der Kellnerin eine 10-Pfund-Note in die Hand.
"Stimmt so."
Ich hätte schwören können, dass Hermone rot wurde, doch da hatte sie sich schon bedankt und war abgerauscht.
"Danke.", murmelte ich und beugte mich vor, um am Strohhalm zu ziehen. Der süße Geschmack der Schokolade und das salzige Karamell erfüllten meinen Mund und machten mich ein Fünkchen glücklicher.
Jake saß einfach da, an sein Sofa gelehnt, die eine Hand auf dem Tisch. Er trommelte leise irgendeinen Rhythmus auf den Tisch.
Vielleicht 'Believer' schoss es mir durch den Kopf.
Eine Weile ging es so weiter, ich sog an meinem Shake und fror mir das Gehirn ein, während Jake mit den Fingern auf den Tisch tippte. Da war nichts, worüber ich nachdachte, höchstens darüber, mir direkt noch einen zweiten Milchshake nachzubestellen.
"Ich glaube nicht, dass sie WIRKLICH wollte, dass du gehst."
"Mh?", fragte ich und schluckte den Shake herunter. "Oh, doch. Sie hat es mit ihrer eiserner Stimme gesagt, da macht sie keine Scherze."
Ihm huschte ein Lächeln über die Lippen. "Diese eiserne Stimme beherrschst du aber auch ganz gut." Ich wusste nicht, ob ich mich geschmeichelt fühlen sollte. "Nein, ehrlich. Ich glaube nicht, dass sie dich rausschmeißen wollte. Das habe ich ihr angesehen, als du gegangen bist."
"Und warum hat sie es dann überhaupt gesagt?", grummelte ich.
"Keine Ahnung. Es hat sie wahrscheinlich schwer getroffen, dass ihre eigene Tochter sich den Coopers gegenüber loyal zeigt." Dabei lag etwas verächtliches in seiner Stimme, als fände er Mums Meinung total albern. "Oder sie hätte nicht geglaubt, dass du gehst und wollte dir nur weismachen, dass du eben doch nicht die Konsequenzen auf dich nimmst. Oder beides. Jedenfalls hat sie sich vertan." Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Wenn ich er wäre, hätte ich mir einen Espresso bestellt, so müde, wie er aussah.

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