Nachdem Mr Ferguson am Ende der Probe noch einmal angekündigt hatte, dass die Theaterfahrt in der nächsten Woche von Freitag bis Sonntag in einem Jugendcamp in der Nähe von Oxford stattfinden sollte, verließ ich mit Miranda und Christie die Schule und wir gingen gemeinsam in Richtung U-Bahn. Wie sich herausgestellt hatte, nahm Christie die selbe Linie wie wir nach Hause.
Auf dem Weg wurde ich natürlich zugequatscht.
"Also wieso genau war der erste Kuss wie beim Flaschendrehen in der 4. Klasse und der zweite super herzerwärmend?", fragte Miranda.
"Ach war er das?", fragte ich so beiläufig wie möglich. Miranda und Christie nickten heftig.
"Ich weiß nicht. Irgendwie war der erste so bedeutungslos, dass ich beim zweiten deutlich selbstsicherer war. Ist wohl Gewöhnungssache. Ich bin ja super professionell.", witzelte ich.
"Hach Gott, ich hätte ja nie gedacht, dass du das so locker nimmst. Vor allem, weil dich die Sache in der Mensa heute so mitgenommen hat." , sagte Christie.
"Wie wäre es, wenn wir uns heute Abend noch mal treffen?", fragte Miranda.
"Geht nicht. Ich muss mit Mum zu einem Geschäftsessen. Und die Coopers kommen auch. Das wird ein Spaß.", sagte ich gespielt aufgeregt.
"Oh mann." Miranda legte mir eine Hand auf die Schulter. "Das gab's noch nie, dass beide Familien sich auf so engem Raum versammeln. Das könnte im schlimmsten Falle Tote geben.", sagte sie ironisch, aber wir beide waren uns dem Fünkchen Wahrheit darin bewusst.
"Ich weiß, Miranda. Ich weiß.", sagte ich besorgt.Ich stand vor meinem Kleiderschrank und musste eine Wahl treffen. Das war mehr als nur ein Abendessen. Mrs Shepperd gehörte zu den angesehensten Kreisen Londons, eine vom klassischen Schlag. Da musste man sich extrem angemessen kleiden. Hosen fielen also schon mal raus.
Ich musterte ein weißes Kleid, doch das sortierte ich sofort weg. Die Fleckengefahr war viel zu groß.
Schließlich fiel mein Blick auf ein dunkelgrünes, bis zur Hüfte enganliegendes Satinkleid mit Bootsauschnitt, das knapp meine Knie bedeckte. Perfekt.
Ich kombinierte dazu schwarz schimmernde, spitz zulaufende Pumps, die an den Seiten offen waren.
Vor meinem Badezimmerspiegel lockte ich meine Haare und steckte sie schlicht hoch, eine Sträne ließ ich jedoch herausfallen. Dann schob ich noch kleine Hängerchen durch meine Ohrlöcher und legte ein leichtes Abend-Make-up auf.
Im langen Spiegel in der Eingangshalle betrachtete ich meine Aufmachung und war zufrieden.
Mum kam herunter in einem makellos sitzenden, schwarzen Etuikleid. Sie betrachtete mich.
"Perfekte Wahl, Schätzchen." Sie zupfte noch an einigen Strähnen meiner Haare, dann kam Mr Murphy aus dem Esszimmer.
"Sie sehen beide ganz reizend aus.", sagte er fast schon ein wenig gerührt. "Wollen wir dann?", fragte er. Ich nahm meine Clutch etwas fester und nickte dann, wie meine Mum."Warum genau müssen wir so früh los? Das Essen ist doch erst um 19 Uhr.", sagte ich im Auto.
"Weil ich unter keinen Umständen als Letzte kommen will und wenn wir zu früh sind, warten wir einfach vor dem Haus.", antwortete Mum.
Offensichtlich hatten die Coopers, aus welchem Grund auch immer ohne Mrs Cooper, genau die selbe Idee.
Die beiden standen vor der Treppe zur Haustür eines schönen Altbaus in Mayfair, vielleicht 5 Blocks entfernt von uns und warteten darauf, dass es 19 Uhr schlug.
"Denk dran, was ich dir beigebracht hab.", sagte Mum.
"Außen gelassen, innerlich hassen.", leierte ich leise.
"Und?"
"Immer nett lächeln.", sagte ich und setzte sofort meine freundlichste Miene auf.
"Mr Cooper. Jacob.", sagte ich höflich lächelnd, als beide sich umdrehten und Mum und ich uns neben sie gesellten. Ich kassierte einen vorhersehbar kühlen Blick von Jake. Wahrscheinlich erwartete sein Vater das von ihm.
Den Blick von Mr Cooper Senior konnte ich nicht deuten. Er sah ungewöhnlich... überrascht aus.
Die Tür wurde geöffnet und eine edel gekleidete Dame in den 60-ern stand neben einem Mann in Butlerkluft.
Ich setzte auf mein Lächeln noch eine Schippe Freundlichkeit drauf, genau wie Mum, während die Coopers zu spät umschalteten. Der Punkt ging dann wohl an uns."Ah, Elizabeth. Und das muss dann wohl ihre Tochter Cloe sein. Wie hübsch du bist.", sagte sie. Sie war mir sofort sympathisch. Eigentlich hatte ich mir eine kratzbürstige, strenge Dame vorgestellt.
"Danke, Mrs Shepperd. Es freut mich, sie kennenzulernen." Ich neigte meinen Kopf respektvoll.
Die ältere Dame kicherte belustigt. "Ach was, du kannst mich gerne Evangeline nennen. Sonst komme ich mir so alt vor.", juxte sie.
"Natürlich... Evangeline.", sagte ich lächelnd. Dann traten wir ein.
Doch auch Jacob schien manierentechnisch ordentlich was auf dem Kasten zu haben.
Er nahm die Hand der Dame und hauchte, wie sein Vater nach ihm, einen Kuss auf ihre Hand.
Evangeline kicherte erneut. "Was für einen charmanten Burschen sie doch haben, Robert. Weshalb konnte Meridith nicht kommen?"
Robert zögerte einen Augenblick. "Ihr geht es gesundheitlich nicht sehr gut."
"Ach Gott, dann richten sie ihr bitte meine besten Genesungswünsche aus."
"Ja, von mir auch.", feixte Mum leise. Dieser Abend würde in einer Katastrophe enden.
Evangeline führte uns zu Tisch.
Erst jetzt fiel mir auf, dass Jacob einen Smoking trug.
"Sie können ihre Jacketts ruhig abnehmen, die Herren. Es ist sehr warm hier.", sagte Evangeline beiläufig.
Die Coopers reagierten sofort und der Butler nahm ihnen die Jacken ab.
Jacob trug, wie sein Vater, eine Weste, die seine breiten Schultern betonte, die er jedoch nicht von seinem Vater zu haben schien. Es stand ihm unverschämt gut.
Der Butler kam zurückgeeilt und half zuerst meiner Mutter, dann mir mit dem Stuhl.
"Vielen Dank.", sagte ich und wandte mich der Tafel zu. Vor mir zeigte sich eine Reihe von Besteck- und Gläservariationen, die alle für unterschiedliche Gänge gedacht waren. Gott sei Dank hatte Mr Murphy mir das mal beigebracht, sonst wäre ich aufgeschmissen gewesen.
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A Little Dream of You
RomanceDie 17-jährige Cloe müsste eigentlich glücklich sein. An ihrer High School gibt es nun eine Theater-AG und dann wird auch noch für ihr Lieblingsstück gecastet: Romeo und Julia - Das einzige, was ihr Vater dagelassen hatte, bevor er kurz vor ihrer Ge...