Gerüchte... oder was ein Trenchcoat ändern kann

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Ohne Zweifel, das Rührei war köstlich, aber dennoch vermisste ich Mrs Graham und ihr niedliche Art, die Pancakes mit frischen Beeren immer so anzurichten, dass sie Gesichter hatten. Einmal, als ich schlecht gelaunt an den Frühstückstisch gekommen war, hatte sie ein grimmiges Gesicht gemacht und mir damit ein kleines Lächelns auf das Gesicht gezaubert.
Jetzt saßen am Tisch nur Meridith und Robert. Sie schaufelte sich gerade eine riesige Portion Rührei auf ihr Brot und biss herzhaft hinein. Mir fiel jetzt erst auf, was für eine jugendliche Ausstrahlung Meridith noch hatte, während meine Mum immer so tat, als wäre sie die erwachsendste Person auf dem Planeten.
Robert saß mir gegenüber und las in seiner Zeitung, aber mir entging nicht, dass er mich manchmal heimlich anstarrte, als würde er eine Reaktion von mir erwarten - vielleicht einen Heulkrampf.
Ich hielt diese Stille hier nicht mehr aus, also begann ich mit der wohl wichtigsten Frage.
"Hat Mum gestern noch was gesagt? Also abgesehen davon, dass ich sie verraten habe.", fragte ich und legte so viel Spott wie nur möglich in das Wort 'verraten'. Denn nachdem mein Magen gefüllt war, konnte ich klar denken und war zu der Erkenntnis gekommen, dass es rein gar nichts mit Verrat zu tun hatte, wenn ich ihre Rachepläne an meinem eigenen Vater, aber insbesondere Meridith unterstützte. Sie hatte immerhin keine Schuld daran, dass Robert Mum verlassen hatte. Das war ganz allein seine Entscheidung gewesen. Wenn Mum also ihr Geheimnis verriet, würde Meridith am meisten unter den Konsequenzen leiden und ich würde Mum dabei sicher nicht noch helfen.

Robert ließ seine Zeitung sinken.
"Ich habe versucht, ihr zu sagen, dass es keinen Sinn ergibt, dich dafür zu bestrafen, dass du ihren eigenen Ruf schützt. Niemand möchte eine Baufirma engagieren, dessen Chefin keinen Anstand besitzt. Aber sie hat ja nicht gehört." Meridith seufzte.
"Deswegen habe ich das nicht gesagt.", sagte ich und richtete das Besteck auf meinem Teller. "Ich wollte nur nicht, dass sie jemanden für etwas bestraft, was vor achtzehn Jahren jemand anderes entschieden hat."
Darauf antworteten beide mir nicht. Nach einer Zeit unterbrach ich erneut die Stille. "Ich fahr dann jetzt zu meiner Freundin." Ich wollte mein Geschirr nehmen, aber da hielt mich Robert ab.
"Lass es ruhig stehen. Und zu deiner Freundin kann dich doch einer von uns fahren. Ich, oder Meridith oder Jake, der müsste gleich vom Spiel zurück sein."
Mit 'Spiel' musste er wohl Polo meinen.
"Nein, es ist wirlich okay. Ich kann die U-Bahn nehmen. Ich habe eure Gastfreundschaft schon genügend strapaziert. Danke, dass ich bei euch übernachten durfte - und für das Frühstück." Mich jetzt noch herumkutschieren zu lassen würde mir ein wahnsinnig schlechtes Gefühl geben.
"Kein Problem.", meinte Meridith und lächelte mich warm an. Ich musste etwas verlegen zurücklächeln.

Meine Tasche hatte ich schon an die Treppe gelegt, sodass ich nur noch meine Jacke überwarf.
Mitllerweile standen Meridith und Robert neben mir.
"Tschüss - und noch mal danke.", sagte ich verlegen. Wie sollte ich mich jetzt verabschieden?
Doch Meridith nahm mir die Entscheidung ab, indem sie mich umarmte, so wie gestern.
Robert tat es ihr gleich.
"Es wird schon alles gut. Und wenn du noch etwas brauchst, komm einfach vorbei."
"Danke.", nuschelte ich in sein Hemd.
Dann löste ich mich und ging zur Tür raus. In dem Moment, in dem ich sie schloss, hörte ich, wie eine Autotür wütend zugeschlagen wurde.
Als Jake den Kofferraum aufriss, wurde mir mit einem mal klar, weshalb er gestern so grantig gewesen war: Er hatte heute Vormittag ein Polospiel und ich hatte ihm mit etwas banalem wie einer Flasche Wasser den Schlaf geraubt.
Unsere Blicke trafen sich und ich konnte sehen, wie sein wütender Gesichtsausdruck etwas milder wurde.
Ich ging den Rest des Stückes auf ihn zu. "Habt ihr verloren?", fragte ich vorsichtig.
"Haushoch.", antwortete er und wühlte im Kofferaum herum.
"Tut mir Leid.", murmelte ich.
"Warum?" Jake sah mich verwundert an.
Ich seufzte und starrte auf meine Hände. "Ich hab dir gestern mit Sicherheit eine Menge Nerven gekostet."
"Heute ist sicher viel schief gelaufen, aber erstens geht das nicht alles auf deine Kappe und zweitens bereue ich es nicht." Was genau er damit meinte, erfuhr ich nicht, denn er redete sofort weiter. "Und du willst zu Miranda?"
Ich nickte. "Ich wollte gerade zur U-Bahn-Station."
"Soll ich dich hinbringen?" Er schlug den Kofferraum wieder zu.
"Nein, wirklich, ich habe dich schon genug als Chauffeur genutzt."
"Dann komme ich eben zu Fuß mit." Noch bevor ich ablehnen konnte hatte er mir die Tasche von der Schulter genommen, etwas, was er vor wenigen Wochen noch sicher nicht gemacht hätte.
"Danke.", murmelte ich. Dann machten wir uns auf den Weg. "Also was genau ist denn schief gelaufen?", fragte ich neugierig.

A Little Dream of YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt